Veranstaltungsberichte
Präsident Komorowski und Premier Juncker auf der X. Internationalen Europa-Kirchen-Konferenz Krakau
„Der zukünftige Beitrag der Christen zur Einigung Europas“
Auf der internationalen Konferenz zur Rolle der Katholischen Kirche im Prozess der Europäischen Integration, die am 10./11. September 2010 zum zehnten Mal in Krakau stattfand ging es diesmal um den zukünftigen Beitrag der Christen zur Einigung Europas.
Zu den hochrangigen Referenten aus Politik und Kirche gehörten der neue polnische Staatspräsident Bronisław Komorowski, der luxemburgische Premier und Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, Polens Premierminister von 1989/90, Tadeusz Mazowiecki, sowie Angelo Kardinal Scola, Patriarch von Venedig, Erzbischof Dominik Duka OP, Primas von Tschechien und Erzbischof Celestino Migliore, der neue Päpstliche Nuntius in Polen.
Auch der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments und heutige Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung Hans-Gert Pöttering, der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jacques Santer sowie europäische oder nationale Parlamentarier der Christdemokratie wie Elmar Brok, Dr. Maria Flachsbarth, Filip Kaczmarek, Otmar Karas, Jan Olbrycht, Ria Oomen-Ruijten, Róża Thun und Joachim Zeller nahmen als Diskutanten teil.
Die Konferenz, an der rund 300 Gäste aus Polen und Europa sowie viele Medienvertreter teilnahmen und die von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Polen, der Johannes-Paul II. Universität Krakau und der Robert Schuman Stiftung der EVP-Fraktion im Europaparlament gemeinsam veranstaltet wurde, zeigte die unterschiedlichen Facetten des Engagements von Christen im vereinigten Europa auf.
So wurde über die Verantwortlichkeit für die Präsenz des Christentums in der Öffentlichkeit, über die Zusammenarbeit zwischen der EU und den Kirchen sowie über die Aufgaben von christlichen Politikern bei der Gestaltung Europas diskutiert, aber auch gemeinsam Gottesdienst gefeiert unter der Leitung des neuen polnischen Primas, Erzbischof Józef Kowalczyk aus Gnesen.
Stanisław Kardinal Dziwisz, Erzbischof von Krakau, wies in seiner Eröffnungsrede auf die Bedeutung der EU für die Einheit und den Frieden auf dem europäischen Kontinent hin. Im Anschluss an Johannes Paul II., dem er über Jahrzehnte als Sekretär gedient hat, sprach Dziwisz von der „Zivilisation der Liebe“, der notwendigen Solidarität mit den Schwächeren, der Subsidiarität, die die Tätigkeit des Staates und der EU begrenze, und der Orientierung an der Moral. Er betonte, dass es keine Freiheit ohne Wahrheit gebe. Ohne Freiheit würden wir in einem Totalitarismus enden und ohne Wahrheit in einem System moralischen Relativismus.
Der erst am 4. Juli neu gewählte polnische Staatspräsident Komorowski hob die Bedeutung des Christentums als verbindendes Element in Europa hervor. Seit dem Untergang des Kommunismus habe Europa wieder gelernt mit beiden Lungenflügeln, dem östlichen und westlichen zu atmen. Die Kirche sei immer ein wichtiges Element in der Geschichte Polens und der Europäischen Union gewesen. Komorowski unterstrich, dass Polen heute die Möglichkeit habe und auch nutzen wolle, neue Akzente in der EU zu setzten, auch bezüglich der Rolle des Christentums in Staat und Gesellschaft.
Jean-Claude Juncker verwies darauf, dass Glaube und Wahrheit unabhängig von der Mehrheit seien, aber die politische Mehrheit wiederum entscheidend für die politischen Gestaltungsmöglichkeiten. Statt auf das Trennende sollten sich die Bemühungen in Europa auf das Verbindende und das gemeinsame konzentrieren, wozu die allgemein an-erkannten Grundwerte gehörten, für die gerade die Christdemokraten einträten.
Premier a.D. Tadeusz Mazowiecki, provozierte mit einer Polemik unter dem Titel: „Was weiter?“, in der er vor religiösem Fundamentalismus und Integralismus auch in Polen warnte, der durch ein einseitiges Eingreifen der Kirche in die Politik Nahrung erhalte. Die Wahrheit, so Mazowiecki, überzeuge aus eigener Kraft. In der Demokratie sei aber die Wertschätzung auch anderer „Wahrheiten“, anderer Glaubensrichtungen und Überzeugungen im Rahmen der Verfassung konstitutiv. Er spielte damit auf die teilweise Unterstützung aus Kreisen der katholischen Kirche in Polen für die national-konservative Opposition und deren Kandidaten Kaczyński an.
Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Hans-Gert Pöttering, warb in seiner sehr engagiert vorgetragenen und mit viel Beifall bedachten Rede für das Engagement von Christen in Politik und Gesellschaft, das sich an den Grundsätzen der christlichen Soziallehre orientiere und sehr viel zum Aufbau und zur Entwicklung der EU beigetra-gen habe. Er dankte anlässlich des diesjährigen 30. Jubiläums der Gewerkschaft Solidarość Tadeusz Mazowiecki stellvertretend mit einem großen Rosenstrauß für deren Freiheitskampf, der auch für die Wiedervereinigung Deutschlands von herausragender Bedeutung gewesen sei.
Die kirchlichen Amtsträger betonten die Rolle der Gesellschaftslehre der Kirche im politischen und gesellschaftlichen Bereich. Kardinal Scola aus Venedig stellte dabei die hohe Bedeutung des Zusammenlebens in Europa und der Union an sich heraus, die es in christlicher Verantwortung mit zu gestalten gelte in Auseinandersetzung und im Zusammenwirken mit anderen Kräften. Erzbischof Migliore betonte die Bedeutung der Sichtbarkeit der christlichen Werte in der Gesellschaft, die durch die Kirche und die Gläubigen eingebracht werde. Der Generalsekretär der Kommission der Bischofskonferenzen der EU Piotr Mazurkiewicz führte die Wichtigkeit des Dialogs mit und zwischen den verschiedenen Meinungen und Parteien aus.
Die polnische Europaabgeordnete und Kontaktperson zur deutschen Gruppen im EU-Parlament Róża Thun merkte aller-dings kritisch an, dass der Dialog zwischen EU und Kirchen oft nur darin bestünde, einmal im Jahr ein Foto mit Kommissionspräsident Barosso und den Kirchenvertretern zu machen.
Politiker und Kirche müssten mehr Vertrauen zueinander entwickeln und sich mehr gegenseitig unterstützen in Bezug auf gemeinsame Zielstellungen, stellte die Bundestagsabgeordnete und kirchenpolitische Sprecherin der CDU/CSU Bundestagsfraktion Maria Flachsbarth fest. Auch sei es, so der Berliner Europaabgeordnete Joachim Zeller, unabdingbar, dass christliche Politiker durch ihr eigenes Wirken und Verhalten im privaten und öffentlichen Bereich als Vorbild fungierten. Nur durch glaubwürdige Köpfe sei christdemokratische Politik auch glaubwürdig zu vermitteln. Dass Politik sich gerade auf europäischer Ebene durch Kompromisse auszeichne, betonte Elmar Brok, der in der Diskussion um den von den Christdemokraten gewünschten, aber gescheiterten Gottesbezug im Lissaboner-Vertrag darauf verwies, dass bei 27 Staaten mit unterschiedlichen Traditionen, was das Verhältnis zwischen Staat und Kirche betrifft, ein Konsens oft schwierig ist. Deshalb solle man nicht immer nur vom Scheitern der Christdemokraten sprechen, sondern auch die Erfolge wertschätzen, wie zum Beispiel den Kirchenartikel und die Grundwerte in diesem Vertrag. Brok bat die Kirchenvertreter ausdrücklich um Unterstützung bei der oft schwierigen Entscheidungsfindung in politisch-ethischen Fragen, wobei aber der politische Kontext des Erreichbaren mitbedacht werden müsse.
Die Krakauer Europakonferenz bildet seit zehn Jahren ein fast einzigartiges Forum des Gesprächs zwischen christ-lich-demokratischen Politikern, hohen Kirchenrepräsentanten und Experten aus Europa. Zu den prominenten Teilnehmern gehörten in den vergangenen Jahren etwa der polnische Premier Donald Tusk, der verunglückte Staatspräsident Lech Kaczyński und der frühere Präsident und Gewerkschaftsführer Lech Wałésa, Bundeskanzler a.D. Helmut Kohl, Bundestagspräsident Norbert Lammert, der italienische Parlamentspräsident Pier-Ferdinando Casini und EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöt-tering, die thüringischen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel und Dieter Althaus, die Kardinalstaatsekretäre Angelo Sodano und Tarcisio Bertone, die Kardinäle Peter Erdö (Budapest), José Policarpo (Lissabon) und Marian Jaworski (Lemberg), die vatikanischen Kardinäle Jean-Louis Tu-ran, Walter Kasper und Paul Poupard sowie verschiedene EU-Kommissare, Minister und zahlreiche Parlamentsabgeordnete.
Die Konferenzreihe soll im September nächstes Jahr fortgesetzt und insbesondere durch Aspekte des ökumenischen Dialoges mit der orthodoxen und protestantischen Kirche erweitert werden. Die Konrad-Adenauer-Stiftung dokumentiert die jährlichen Diskussionen jeweils in Tagungsbänden, die über die Homepage des Auslandsbüros Polen unter www.kas.de/polen zugänglich sind oder im Warschauer Büro der Stiftung bestellt werden können.
Gerade neu erschienen ist der deutsch-polnische Konferenzband 2009 unter dem Titel: „Christliche Herausforde-rungen angesichts der Krisen“ mit Beiträgen u.a. von Ministerpräsident Donald Tusk, dem polnischen Kulturminister Bogdan Zdrojewski, den EU-Kommissaren Figel, Lewandowski und Verheugen, Ministerpräsident a.D Georg Milbradt und anderen mehr.
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