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Länderberichte

Präsidentschaftswahlen in Sri Lanka

von Dr. La Toya Waha

Was Sie wissen müssen und warum die Wahlen auch für Europa relevant sind

Am Samstag steht Sri Lanka vor der Wahl. Im kleinen Inselstaat im indischen Ozean wird das mächtigste politische Amt neu besetzt. Zwei Tage vor den Wahlen endet der Wahlkampf offiziell, ab jetzt dürfen die Präsidentschaftskandidaten nicht mehr für sich werben. Was Sie über die Wahl wissen müssen und warum sie auch für Europa relevant ist, haben wir im Folgenden für Sie zusammengefasst.

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  • Das Amt des Präsidenten ist das mächtigste politische Amt in Sri Lanka.
  • Die zentralen Themen in diesem Präsidentschaftswahlkampf sind wirtschaftliche Entwicklung, Sicherheit, Korruption und Fragen der Good Governance, sowie das Gesundheits- und Bildungssystem. Die islamistischen Anschläge haben jedoch auch im Wahlkampf ihre Spuren hinterlassen.
  • Die beiden Kandidaten, denen die besten Chancen zugerechnet werden, sind Gotabaya Rajapaksa (SLPP) und Sajith Premadasa (UNP). Trotz vieler inhaltlicher Unterschiede haben sie jedoch auch einige Gemeinsamkeiten.
  • Bei der Wahl werden zwei Stimmen abgegeben. Die zweite Stimme wurde bisher noch nie gebraucht. Diesmal kann sie jedoch entscheidend sein.
  • Die Entscheidungen, die der neue Präsident innen- und außenpolitisch trifft, wirken sich nicht nur auf die Sicherheit im Inland, sondern auch auf die Sicherheitsarchitektur der weiteren Region aus. Diese ist auch für Europa wichtig.

 

Welche Befugnisse hat der Präsident in Sri Lanka?

Seit 1978 ist das Amt des Präsidenten das mächtigste politische Amt im Staat. Der Präsident ist sowohl Staatsoberhaupt als auch Regierungschef und zudem auch der Oberbefehlshaber der Truppen. Er ernennt den Premierminister und dessen Kabinett und kann nur mit einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments entlassen werden. Allerdings wurden seine Befugnisse von der aktuellen Regierung in einem Verfassungszusatz eingeschränkt. Dieser tritt beim kommenden Präsidenten zum ersten Mal in Kraft. Die vorherigen Amtsinhaber nutzten ihre Amtszeit meistens, um das politische System Sri Lankas umzugestalten. Sie haben die Innen- wie die Außenpolitik maßgeblich ihren Vorstellungen angepasst und nicht selten die eingeschlagene Richtung ihres Vorgängers grundlegend ins Gegenteil verkehrt. Mahinda Rajapaksa (2005-2015) hat zum Beispiel eine Kehrtwende in den Verhandlungen mit der Terrororganisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) vollzogen und den fast dreißig Jahre andauernden Bürgerkrieg militärisch beendet.

Der jetzige Präsident, Maithripala Sirisena, hat dagegen das Sicherheitssystem des Staates gelockert. Es wurde zuvor besonders von der tamilischen Minderheit als problematisch empfunden. Außenpolitisch hat er das Land – entgegen seiner eigenen Parteitradition – wieder näher an den Westen geführt. In seine Amtszeit fallen jedoch auch die Übernahme eines strategischen Hafens im Süden von Sri Lanka durch ein von der chinesischen Regierung geleitetes Unternehmen, eine Vertiefung der Spaltung der Gesellschaft entlang religiöser Unterschiede und die islamistischen Selbstmordanschläge auf Kirchen und Hotels am Ostersonntag in diesem Jahr.

 

 

Was sind die zentralen Themen des Wahlkampfes?

Die zentralen Themen in diesem Präsidentschaftswahlkampf sind wirtschaftliche Entwicklung, Sicherheit, Korruption und Fragen der Good Governance, sowie das Gesundheits- und Bildungssystem. Die Frage der wirtschaftlichen Entwicklung und des Wohlstands im Land ist dabei das drängendste Thema geworden. Das liegt vor allem auch daran, dass die schlechte Wirtschaftslage im Land in vielen Bereichen der Gesellschaft spürbar geworden ist. Sri Lankas Wirtschaft ist stark vom internationalen Tourismus abhängig. Nach den islamistischen Anschlägen im April dieses Jahres sind die Einnahmen aus der Tourismusbranche deutlich zurückgegangen. Viele Menschen in Sri Lanka sind direkt und indirekt vom Tourismus abhängig und so wirken sich solche drastischen Veränderungen direkt auf ihr tägliches Leben aus. Ein weiteres Problem, das die Menschen in ihrem täglichen Leben betroffen hat, war das Fehlen von Gas zum Kochen. Ausgelöst von den Drohnenanschlägen in Saudi-Arabien und verstärkt durch das Missmanagement des Handelsministeriums und dem Zurückhalten von Reserven durch die Gasunternehmen im Land hatten etliche Haushalte kaum Gas zum Kochen. Viele Existenzen, vor allem von Besitzern kleinerer Garküchen, schienen spürbar in Gefahr.

Aber auch der Umgang mit Radikalisierung und Terrorismus sowie die Schaffung eines gesellschaftlichen Zusammenhalts waren zentrale Themen im Wahlkampf. Bereits wenige Tage nach den Anschlägen war der Ruf nach einer starken und kompetenten Führungspersönlichkeit laut geworden, die in der Lage sein würde, solche Situationen souverän zu stemmen und zukünftig zu verhindern. Diese Rufe sind im Wahlkampf nicht leiser geworden.

 

 

Wer sind die Kandidaten?

Mit 35 Kandidaten sind mehr Menschen zur Wahl angetreten als jemals zuvor. Die Kandidaten gehören zu einem großen Teil der ethnischen Mehrheit der Singalesen an. Aber auch Mitglieder der tamilischen (2) und muslimischen Minderheit (4) sind unter den Kandidaten vertreten.

Medial sind vor allem drei Kandidaten präsent. Allerdings wird sich die Wahl zwischen nur zwei Kandidaten entscheiden. Die beiden Kandidaten, denen die besten Chancen zugerechnet werden, sind Gotabaya Rajapaksa (SLPP) und Sajith Premadasa (UNP).

Zunächst zu ihren Gemeinsamkeiten: Beide gehören der größten ethnischen Gruppe in Sri Lanka an, den Singhalesen. Beide sind mit einem ehemaligen Präsidenten und vorherigen Premierminister verwandt. Die Familien von beiden Kandidaten waren Ziele der Liberation Tigers of Tamil Eelam. Keiner der beiden Kandidaten ist, entgegen der ‚Tradition‘ in Sri Lanka, amtierender Präsident.

Sajith Premadasa ist Sohn des im Amt von der LTTE getöteten Präsidenten Ranasinghe Premadasa und ist Teil des Parteivorstands der United National Party. Er hat sich in einem bitteren internen Streit gegen den anderen Parteichef der UNP und amtierenden Premierminister Ranil Wickremesinghe durchgesetzt, der als glückloser Kandidat gilt.

Gotabaya Rajapaksa ist der Bruder des ehemaligen Präsidenten Mahinda Rajapaksa und hat in dessen Regierung unter anderem als Verteidigungsminister gedient. Er wird als treibende Kraft hinter der Entscheidung für die militärische Lösung des Konflikts mit der LTTE und als erfahrener Militär gesehen, ohne den die LTTE vermutlich nicht besiegt worden wäre. An ihm haften jedoch auch die Vorwürfe, Menschenrechtsverletzungen geduldet oder ignoriert zu haben. Seine Partei ist relativ neu. Sie ist aus einer kleinen Partei in eine Partei der Rajapaksa-Unterstützer umgeformt worden als die Sri Lanka Freedom Party sich an einer Führungsfrage gespalten hat.

 

 

Wofür stehen die Kandidaten?

Sajith Premadasas UNP gilt als wirtschaftsliberale Partei, die sich auf die Minderheiten stützt und sich außenpolitisch eher an Indien und dem Westen denn an China orientiert. In Fragen der Wirtschaftspolitik hat sich Premadasa jedoch auf Sozialleistungen als Zentrum der Entwicklung festgelegt. Premadasas Vater wurde von der LTTE ermordet. Er ist also selbst ein direktes Opfer von Terrorismus. Seine Versprechen einer Null-Toleranz-Politik gegen Terroristen und Extremisten wird daher von vielen Menschen in Sri Lanka als sehr glaubhaft gewertet. Allerdings wird seine Führungsqualität in Frage gestellt, vor allem auch deshalb, weil er bisher immer hinter seinem Konkurrenten in der Partei, Ranil Wickremesinghe, zurückstand. In seinem Wahlkampfprogramm hat er einen großen Schwerpunkt daraufgelegt, alle ethnischen und religiösen Gruppen im Land in gleichem Maße anzusprechen und einzubinden. Er hat sich auch deutlich für die föderale Struktur des Landes und die Implementierung des dreizehnten Verfassungszusatzes ausgesprochen.

Gotabaya Rajapaksas SLPP hat viele national-konservative aber auch einige nationalistische Kräfte aufgefangen. Traditionell haben diese ehemaligen SLFP-Mitglieder sich für eine sozialistische Wirtschaftsordnung ausgesprochen und sich eher an China orientiert.

In seinem Wahlkampfprogramm setzt sich Gotabaya Rajapaksa für eine nachhaltige Entwicklung und Umweltschutz ein. Dies ist nicht im Kontext der westlichen Debatten zu verstehen, sondern in Anlehnung an eine zentrale Forderung der buddhistischen Gemeinschaft. Buddhisten fordern seit der wirtschaftlichen Liberalisierung eine Wirtschaft im Einklang mit der Natur und verstehen diese als eine besondere buddhistische Form der wirtschaftlichen Entwicklung. Ein wichtiger Aspekt ist bei Rajapaksas Vision für das Land die Sicherheit und politische Stabilität. Hier kann er mit seinen Erfahrungen und seinem Fachwissen glänzen. Ein anderer Aspekt ist jedoch der gesellschaftliche Zusammenhalt. Er möchte ein friedliches Miteinander zur Angelegenheit des Präsidenten machen und schlägt hierfür ein interreligiöses Beratungsgremium unter der Schirmherrschaft des Präsidenten vor. Rajapaksa macht in seinem Programm, in seinen Reden und Ansprachen jedoch sehr deutlich, dass neben allem Respekt für die religiösen Minderheiten der Buddhismus die dominante Religion im Land ist und bleiben soll. Er setzt sich zudem auch für den Zentralstaat ein, was ihm zwar in weiten Kreisen der Buddhisten Unterstützung sichert, aber einige Mitglieder der Minderheiten fernhalten wird. Dennoch erhält Rajapaksa – trotz seines Rufes und seiner Positionen – einige Unterstützung von religiösen und wirtschaftlichen Führungspersönlichkeiten der Minderheiten. Er steht auch für sie für Sicherheit und Stabilität.

 

 

Wie wird gewählt?

Der Präsident wird von allen registrierten Wählern direkt gewählt. Wählen darf, wer über 18 Jahre alt ist und zur Wahl registriert wurde. Bei der Wahl werden zwei Stimmen abgegeben. Zunächst die erste Stimme für den gewünschten Kandidaten. Sie ist die entscheidende, mit der man seinen Kandidaten direkt unterstützt. Die zweite Stimme wurde bisher noch nie gebraucht. Mit ihr gibt man seine zweite Präferenz an, im Falle, dass kein Kandidat in der ersten Auszählung mehr als fünfzig Prozent der Stimmen erhält. Viele der Wählerinnen und Wähler füllen das Feld für die zweite Stimme nicht aus. Zum ersten Mal in der Geschichte der Präsidentschaftswahlen Sri Lankas könnte sie jedoch entscheidend sein. Es scheint ein sehr enges Kopf-an-Kopf-Rennen zu werden. In bisherigen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen ist es immer wieder zu gewaltsamen Ausschreitungen gekommen, die meist während des Wahlkampfes eskalierten. Diese Wahlen waren hingegen sehr friedlich und gelten als so gewaltfrei wie seit knapp fünfzehn Jahren nicht mehr.

 

 

Warum ist diese Wahl auch für Europa relevant?

Die Präsidentschaftswahl in Sri Lanka ist außenpolitisch für Europa relevant. Sri Lanka ist zwar eine kleine Insel gerade so groß wie Bayern, liegt aber strategisch opportun vor Indiens Südküste im Indischen Ozean. Bereits jetzt ist Sri Lanka mit seinen wirtschaftlich und militärisch interessanten Häfen ein von den Großmächten umworbenes Land. Der Präsident kann entscheidend die außenpolitische Orientierung des Landes steuern und damit die Annährung an einen der Kontrahenten in der Asien-Pazifik Region grundlegend bestimmen. Ob sich Sri Lanka näher an Indien und die USA oder an China bindet oder eine Balance zwischen den Mächten finden kann, hängt maßgeblich vom Willen und den Geschicken des Präsidenten ab.

Schließlich sind die politischen Entwicklungen in Sri Lanka im Bereich der Sicherheit auch für die Sicherheitsarchitektur in der weiteren Region relevant. Die Zusammenarbeit mit den anderen Ländern und der Ausbau des Sicherheitsapparates des Landes wird auch die Ausbreitung des IS in Süd- und Südasien beeinflussen. Welche Auswirkungen die Ausdehnungen des IS für die Menschen vor Ort, aber auch für Europa hat, ist auch in Deutschland dieser Tage wieder deutlich geworden.

 

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