Die Wahl der Parteivorsitzenden hat in vielen westlichen Demokratien Demokratisierungsschübe erfahren. Demgegenüber sind die deutschen Parteien für ihre stabile Rekrutierungsbedingungen bekannt, die bisweilen an „Krönungsmessen“ erinnern. In jüngster Zeit lassen sich jedoch bei den beiden Volksparteien CDU und SPD Veränderungen ausmachen.
Empirisch wird das traditionelle Rekrutierungsmodell im Zeitraum von 1990 bis 2016 mit den aktuellen Wandlungen zwischen 2017 und 2022 verglichen. Diese umfassen vor allem Elemente der Dezentralisierung, eine umfassendere Einbeziehung der Parteimitgliederbasis, vermehrte Eigeninitiativen bei der Kandidatur und eine Zunahme des sichtbaren Wettbewerbs zwischen den Kandidierenden. Bei diesem mehrschichtigen Wandel handelt es sich jedoch nicht um eine Einbahnstraße. Vielmehr kann teilweise auch eine Rückkehr zu traditionellen Auswahlmustern beobachtet werden. Dies legt die Frage nahe, welche Effekte mehr innerparteiliche Demokratie auf die Parteien und deren Handeln hat.
Mitgliederbefragungen sind das wichtigste Element der Demokratisierung von innerparteilicher Demokratie, wobei auch Regionalkonferenzen Demokratisierungspotenzial haben. Beide erhöhen die Inklusion der Parteimitglieder in den Entscheidungsprozess in unterschiedlichem Ausmaß. Beide schaffen Transparenz: zum einen beim Verfahren zur Besetzung der Parteispitze, zum anderen beim persönlichen Profil der Antretenden sowie ihrer programmatischen und sonstigen Ziele für die eigene Partei. Während Mitgliederbefragungen unmittelbarer entscheiden, können Regionalkonferenzen parteiinterne Stimmungen sichtbar machen, sie sogar beeinflussen und damit einen mittelbaren Effekt auf das personelle Ergebnis am Ende zeitigen.
Kann dies Parteien revitalisieren? Obwohl inklusive Verfahren taktisch motiviert sein können, berücksichtigen sie veränderte Partizipationsbedürfnisse der Bevölkerung. Nachlassende Beteiligungen könnten allerdings auch auf partizipative Ermüdung hindeuten. Andererseits kann die Demokratisierung innerparteilicher Demokratie auch nicht intendierte Effekte beinhalten. Innerparteiliche Machtverhältnisse können sich verschieben. Die Ergebnisse waren aus Sicht der Parteien entweder schlechter (SPD) oder besser (CDU) kalkulierbar. Beide Parteien haben damit womöglich eine Entwicklung befördert, bei der die klassische Parteifunktionärskarriere als maßgebliche Rekrutierungsbedingung ins Hintertreffen geraten könnte.