Influencer sind im kommerziellen Marketing schon seit vielen Jahren nicht mehr wegzudenken und ein wichtiger Bestandteil von Kampagnen, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit.
Der Begriff Influencer bezeichnet Personen und Social Media Accounts, die durch spezifische Themenfokussierung, Personalisierung und Begegnung auf Augenhöhe eine parasoziale Beziehung mit ihrer Community aufgebaut haben. Die parasoziale Beziehung entsteht durch die Interaktion zwischen Influencer und Follower. Sie ähnelt einer sozialen Interaktion und kennzeichnet eine vermeintliche, einseitige Vertrautheit und Freundschaft zwischen den beiden, in welcher der Follower den Influencer als eine Art realen Freund wahrnimmt, der Influencer den einzelnen Follower wiederum jedoch gar nicht oder kaum kennt. Influencer erreichen ihre Zielgruppe auf diesem Weg gezielt in ihren Interessens- und Themenfeldern und setzen authentische (Marken)botschaften.
Die Inszenierung des alltäglichen Lebens, von Situationen und Produkten der Influencer prägt die Inhalte, die die Follower auf den Sozialen Medien wahrnehmen und hat damit auch Auswirkungen auf die Frage, wie Politiker ihre Themen auf den Sozialen Medien setzen und kanalgerecht anbieten, um mit ihren Postings die eigene Community zu erreichen.
Markus Söder teilt so nebst Beiträgen mit politischen Inhalten Videos und Fotos aus seinem Privatleben. Oder zumindest erweckt er den Anschein, es handele sich um Privates. Auf diese Weise wird seiner Rolle als politische Person um eine persönliche und menschliche Dimension ergänzt.
Sowohl im Marketing als auch in der Politik gilt immer mehr: Aufmerksamkeit wird über die Darstellung der eigenen Person erzeugt. Es ist also folgerichtig, dass die digitale Kommunikation von Politik sich dem ebenfalls anpasst.
Politik ist nicht mehr nur abstrakt, sondern wird sichtbarer, nahbarer und persönlicher. Die Inszenierung der eigenen Person sowie die persönliche Motivation und Vermittlung von politischer Arbeit bilden einen wichtigen Baustein der politischen digitalen Kommunikation in den sozialen Netzwerken.
Eine konkrete Ausprägung dieser politischen digitalen Kommunikation ist die gezielte Selbstvermarktung, das sogenannte Personal Branding.
Ein Paradebeispiel ist hier Christian Lindner, der die Möglichkeit der politischen Inszenierung und Selbstvermarktung in den Sozialen Medien verstand und für seine Partei und persönliche Marke nutzbar machte. Durch das Aufbrechen starrer politischer Positionen und die persönliche Inszenierung als charismatischer Machertyp machte Christian Lindner die FDP als Marke anschlussfähig. Die Partei stieß so in Milieus vor, die ihr vorher weniger Aufmerksamkeit geschenkt hatten.
Im Ergebnis gelang der Partei der Wiedereinzug in den deutschen Bundestag 2017.
Politiker werden also bestenfalls zum Influencer ihrer eigenen Sache und können allenfalls eine mobilisierungsbereite Community entwickeln.
Unterdessen haben sich außerdem zwei neue Spielarten von Influencern-Kommunikation herausgebildet.
Spätestens seit dem Video des YouTubers Rezo „Zerstörung der CDU“ kurz vor der Europawahl 2019 sowie vor der Bundestagswahl 2021 ist deutlich geworden, dass Influencer nicht nur Content zu Gaming, Satire, Mode oder Lifestyle produzieren, sondern ihre Reichweite auch für das Politische nutzen und zur politischen Meinungsbildung beitragen können.
Ebenfalls thematisieren politische Influencer, wie Diana zur Löwen oder Luisa Neubauer, politische Neuigkeiten, Geschehnisse und Missstände auf ihren sozialen Netzwerken und tragen so einen Anteil zur öffentlichen Diskussion und Meinung bei.
Parteinahe-Influencer, also Influencer, die im Sinne einer bestimmten Partei Beiträge und Meinungen veröffentlichen, verwenden vor allem die Plattform Twitter/X als politischen Meinungskanal. So äußern sich zum Beispiel SPD-Mitglied Lilly Blaudszun oder CDU-Mitglied Clara von Nathusius mehrfach täglich zu aktuellen politischen Neuigkeiten, Äußerungen und Debatten.
Dadurch entsteht eine neue Form der Debattenkultur in Echtzeit, die einen Einfluss auf aktuelle politische Debatten haben kann.
Digitale politische Kommunikation ist demnach nicht nur persönlicher und nahbarer geworden, sondern auch dialogorientiert. Diesem Anspruch müssen sich auch Politiker beugen, um im Digitalen authentisch wahrgenommen zu werden und eine potenzielle Wählerschaft generieren zu können.
Über die Autorin
Lea Hußtegge ist Junior Political Communications Manager bei der Politik- und Kommunikationsberatung People on the Hill. Das in Hamburg ansässige Unternehmen berät Parteien, Politiker, Ministerien, Think Tanks und Unternehmen zu Fragen der strategischen Kommunikation. Hußtegge studierte Journalistik und strategische Kommunikation mit dem Nebenfach Politikwissenschaft.
Themen
Über diese Reihe
Rund um die Themen Kommunikation, Kampagnenmanagement und Digitale Strategie gibt der Blog Einblicke in aktuelle Trends der Politischen Kommunikation. Kommunikationsexpertinnen und -experten geben innovative, praktische Tipps für die politische Kampagne und für die Umsetzung.
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