Am 27. November haben wir in Wieda (Walkenried) offiziell unsere niedersächsische Dorfliebetour gestartet. Unter dem Motto „Politik persönlich nehmen“ hatten wir zu einem politischen Stammtisch in die kleine Dorfkneipe „Schützenhaus El Greco“ geladen. Der Einladung waren 28 Anwohnerinnen und Anwohner gefolgt und sprachen mit uns und dem Landtagsabgeordneten Christian Frölich darüber, was das Dorfleben im Positiven auszeichnet aber auch darüber, wo „der Schuh drückt“ und was man sich von der Politik auf Landes- und Bundesebene wünscht.
Das Leben im Dorf bedeute für sie, jede Nachbarin und jeden Nachbarn persönlich zu kennen und auch füreinander einzustehen, wenn man in Schwierigkeiten ist, erklärte eine Teilnehmerin. Sie sei aus einer anonymen Großstadt in den ländlichen Raum gezogen und hätte die Entscheidung nicht bereut. Dem schlossen sich auch die anderen Teilnehmer an und erklärten u. a., dass man hier noch Vieles im direkten Kontakt klärt und versuche, Probleme gemeinsam zu lösen.
Wenn es dann um Politik ginge, stieße man dann aber leider oft an seine Grenzen. Aus dem ländlichen Raum könne eigentlich viel Innovation kommen, erklärte ein Teilnehmer, jedoch würden das nur Wenige von außen beachten. Stattdessen würde die „größere Politik“ den Dörflern viel zu wenig Beachtung schenken und ihre Vorschläge ignorieren. Während andere Gemeinden sich dagegen wehren, würden die Bewohner von Wieda fast einstimmig die Aufstellung von Windrädern befürworten. Die natürlichen Winde wären vor Ort so intensiv, dass man sowohl dem Wohnraum als auch der lokalen Produktion theoretisch eine große Menge grünen Strom anbieten könnte. Dem pflichtete der Ortsbürgermeister Klaus-Erwin Gröger bei und erklärte, man habe bereits vor zwei Jahren einen Anlauf gewagt und die Aufstellung von Windrädern vorgeschlagen. Vom Land habe man aber bis heute keine Rückmeldung erhalten. "Wie so oft", erklärte Gröger sichtlich verärgert. Man brächte immer wieder viele Vorschläge ein, würde aber zu wenig angehört und bekäme nur selten zufriedenstellende Rückmeldungen. Auch die Sanierung der Hauptstraße, welche sich im Eigentum des Landes befinde, sei erst jetzt nach Jahrzehnten politischer Anstrengung endlich bewilligt. Das wirke oft zermürbend, gerade wenn es dann um existenzielle Belange des Dorfes ginge. Der Frust der Bürger würde sich dann bei ihm und der Verwaltung vor Ort entladen, dabei sei man sehr bemüht, alles Mögliche zu tun. Oft würde es aber auch an den schlechten Finanzen scheitern, erklärte ein anderer Teilnehmer, welcher sich vor Ort als Dorfmoderator engagiert. Allein die Sanierung eines Kurhauses, welches früher auch als Versammlungsort diente, würde bspw. über einhunderttausend Euro kosten. Geld welches die Dorfgemeinschaft nicht hat. Kosten wie diese könne das Dorf nicht alleine stemmen und sei stärker von der Solidarität des Landes abhängig als die ggf. wirtschaftsstärkeren und bevölkerungsreicheren Ballungsräume.
Auch bei großen bundespolitischen Projekten wie etwa der sogenannte "Wärmewende" würde man zu selten an den ländlichen Raum denken, so die Kritik aus der Runde. Bei Immobilienwerten wie in Hannover, Hamburg oder München würde sich der Einbau einer Wärmepumpe womöglich lohnen. In Dörfern wie Wieda würden die Kosten teilweise sogar den Wert der Immobilie selbst überschreiten. Selbst wenn man die Investition wagen würde, bekäme man von keiner Bank einen Kredit, da der Gegenwert der Bestandsimmobilie zu niedrig sei.
Ähnlich das 49€-Ticket. Dieses sei ein Projekt für Großstädter und nütze auf dem Land kaum jemandem, warf Frölich ein. Hier fehle der nötige ÖPNV-Anschluss, wodurch selbst der Gang zum Arzt oder zur Bank eine besondere Herausforderung darstellen kann, bestätigten auch mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Bei solchen Bundesweiten Projekte müsste es zumutbare Lösungen geben, welche auch die Anliegen der Dörflern bedienen.
Während man auf der einen Seite sehr glücklich darüber sei, dass man jeden vor Ort persönlich kenne, beklagten viele zugleich auch den sichtlich fortschreitenden demografischen Wandel, welcher den ländlichen Raum ganz besonders träfe. Zu wenig junge Menschen würden vor Ort bleiben, noch weniger sich für den Zuzug entscheiden. Die Bevölkerung sei entsprechend überaltert und würde mit der Zeit immer weiter schrumpfen. Entsprechend würden auch immer mehr Geschäfte und Gastronomien schließen. Auch die Dorfkneipen, in der Vergangenheit zentrale Anlaufstellen für die Bevölkerung, würden sich aufgrund der wenigen Gäste immer weniger finanzieren können. Man müsse es schaffen, das Dorfleben attraktiver zu gestalten und u. a. junge Menschen für den günstigen Wohnraum begeistern, so ein Vorschlag aus der Runde. Viele hätten sich in Zeiten zunehmender Home-Office-Möglichkeiten einen positiven Effekt erhofft, dieser sei aber ausgeblieben. Hier brauche man vielleicht eine größere Werbekampagne oder auch politische Maßnahmen auf Landesebene, um dem bisherigen demographischen Trend entgegenzuwirken, so der Teilnehmer.
Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer bedankten sich für das neue Dorfliebe-Format. Es sei wichtig, dass man mal in größerer Runde intensiv diskutiert. Genauso wichtig sei dann aber auch, dass die „große Politik in Hannover und Berlin“ besser zuhöre. Man habe als Dörfler oft das Gefühl, man würde für „doof“ gehalten und nicht „für voll genommen“. Sie lobten daher auch, dass Christian Frölich wie auch das Team der KAS erklärten, man wolle künftig dem ländlichen Raum mehr Beachtung schenken und u. a. das Dorfliebe-Format nach der Bundestagswahl fortsetzen.
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