Veranstaltungsberichte
Im Rahmen einer Studienreise besuchten acht energiepolitische Expertinnen und Experten aus der Projektregion Asien-Pazifik unter der Leitung von Dr. Peter Hefele, Leiter des Regionalprojekts Energiesicherheit und Klimawandel Asien Pazifik (RECAP) Hongkong, politische Institutionen, Unternehmen und Think Tanks in Brüssel, Bonn/Köln und Berlin. Zahlreiche Vorträge und Diskussionen mit Politikern, Unternehmensleitern, Behördenmitarbeitern und Wissenschaftlern vermittelten den Teilnehmern ein umfassendes Bild der komplexen Herausforderungen, denen sich Europa und Deutschland im Zuge der Energiewende stellen muss. Aber auch in den asiatischen Heimatländern steht die Zukunft der nationalen und regionalen Energieversorgung im Zentrum der politischen Debatten.
Die Digitalisierung setzt – neben der Einführung und Durchsetzung von Erneuerbaren Energien – bestehende Rahmenbedingungen und Geschäftsmodelle unter erheblichen Anpassungsdruck. Zugleich verschieben sich die geopolitischen Machtpole durch den Aufstieg etwa der Volksrepublik China oder Indiens, was unmittelbaren Einfluss für den Zugang und die Verteilung von Energieressourcen hat.
In den Gesprächen in Brüssel standen die regulatorischen Rahmenbedingungen und die derzeit geplanten Änderungen auf der europäischen Ebene im Mittelpunkt. Denn Energie- und Klimapolitik ist mittlerweile eine der Kernkompetenzen der Europäischen Union. Mit dem neuen Clean Energy Package der EU-Kommission sollen neue ambitionierte Ziele bei der Emissionsreduzierung und Energieeffizienz festgeschrieben werden.
Wie energiepolitische Interessengruppen in diese komplexen Abstimmungsprozessen involviert werden, zeigten die Präsentationen und Diskussionen mit wesentlichen energie- und digitalpolitischen Stakeholdern. Als Einstieg berichtete Lasse Böhm aus der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Umwelt des Europäischen Parlaments über die laufenden Beratungen zu den zukünftigen Energie- und Digitalisierungsrichtlinien der EU-Kommission. Der Schutz kritischer Infrastruktur spielt nicht nur bei nukleartechnischen Anlagen, sondern für alle Energienetze eine immer bedeutendere Rolle, wie Vertreter von E-Euratom safeguards eindrücklich darstellten.
Bei der Formulierung der Europäischen Richtlinien kommt den industriellen Interessenvertretungen eine Schlüsselrolle zu. Am Beispiel des Council of European Energy Regulations (CEER) und European Digital SME Alliance erhielten die Teilnehmer einen plastischen Eindruck, wie politische Prozesse in einem Mehrebenensystem wie der Europäischen Union angestoßen und gestaltet werden können. Dies unterscheidet sich deutlich von Politikmustern, die sich in Asien wiederfinden, wo in der Regel nur die nationale Ebene von Bedeutung ist.
Energieunternehmen erleben zu Zeit einen massiven Umbruch ihrer Geschäftstätigkeit. Das gilt sowohl für die Produzenten, aber in gleicher Weise für die Netzbetreiber. Besuche bei einem der größten deutschen Netzbetreiber, Tennet, und Next Kraftwerke, einem niederländisch-deutschen start-up-Unternehmen für “virtual powers plants”, zeigten die Herausforderung für etablierte Unternehmen wie auch das Innovationspotential neuer Ansätze, wenn es um die Integration erneuerbarer Energien und die digitale Steuerung von länderübergreifenden Netzen sowie den Einsatz von smart metering geht.
Das Projekt “Smart City Cologne”, das von deren Leiter Reiner Gottschlich vorgestellt wurde, zeigte den Teilnehmern, wie auf der Ebene deutscher Städte eine nachhaltige Energietransformation praktisch umgesetzt werden kann. Dabei spielen neben Erneuerbaren Energien auch der Wandel von Mobilität und städtischen Siedlungsformen eine Schlüsselrolle.
In Berlin erhielt die Gruppe bei Gesprächen mit den Mitgliedern der Deutschen Bundestages, Maik Beermann und Carsten Müller, einen unmittelbaren Einblick, wie das anspruchsvolle Projekt “Energiewende” Politikfeld übergreifend koordiniert und die Akzeptanz in der Bevölkerung sichergestellt werden kann. Die Digitalisierung eröffnet dabei gerade in Deutschland neue Geschäftsfelder. Doch wurde auch deutlich, dass sowohl die technische Infrastruktur massiv ausgebaut und rechtliche Rahmenbedingungen, z.B. beim Schutz privater Daten, angepasst werden müssen. Wie die Entwicklung energiepolitischer Konzepte in innovativer Form gelingen kann, stellten Bernd Weber (CDU-Wirtschaftsrat) und Jasper Eitze (Koordinator Energie, KAS) am Beispiel des Energy Lab 2030 vor.
Am Beispiel des Verkehrssektors zeigte sich, wie energie- und klimapolitische Ziele, Digitalisierung und technische Innovationsfähigkeit des Standortes Deutschland miteinander verknüpft werden können.
Ein Besuch im TenneT Virtual Vision Showroom bot der Gruppe die Möglichkeit, interaktiv das Verhalten von Stromnetzen unter dem Einfluss erneuerbarer Energien und smarter digitaler Steuerung zu simulieren.
Die Teilnehmer ihrerseits konnten den europäischen Gesprächspartnern Erfahrungen und Herausforderungen aus ihren Heimatländern vermitteln. Dabei zeigten sich zum Teil ähnliche Ansatzpunkte und Widerstände von Interessengruppen, etwa bei der (De-)Regulierung von Märkten oder eine bessere regionale Integration von Netzen. Auf der anderen Seite müssen gerade die Entwicklungsländer zunächst die Grundversorgung weiter Teile der Bevölkerung mit Energie, insbesondere Elektrizität, sicherstellen – als wichtigstem Beitrag zur sozialen Entwicklung.
Die Studienreise hat einen wichtigen Beitrag zu einem vertieften Verständnis für die zentrale Bedeutung zukunftsfähiger und digitalisierter Energiesysteme in Europa und Asien geleistet. Auch konnten die Teilnehmer besser untereinander vernetzt und neue Ideen für Projekte in der Region Asien-Pazifik entwickelt werden.