IBAR: Der Zwischenbericht zur Rechtsstaatlichkeit im EU-Beitrittsprozess
Zur Rolle und Aussagekraft des IBAR als Wegmarke der europäischen Integration für Montenegro und andere südosteuropäische Staaten
Am 25. Juni 2024 bescheinigte die EU-Kommission Montenegro als erstem Land des Westlichen Balkans, die Hürde des IBAR genommen zu haben. Der „Interim Benchmark Assessment Report“, ein Zwischenbericht über die Rechtsstaatlichkeit, dient als Maßstab für den Fortschritt eines EU-Beitrittskandidaten in diesem Bereich. Ein positiver IBAR ist eine Bestätigung der erfolgreichen Schritte im Rahmen der Verhandlungskapitel 23 (Justiz und Grundrechte) und 24 (Gerechtigkeit, Freiheit und Sicherheit) des Beitrittsverfahrens und ist wegweisend für den weiteren Reformweg. Die Entscheidung wurde in Montenegro als ein positives Signal aus Brüssel und generell als ein Zeichen für die wachsende Bereitschaft der EU, neue Mitglieder aufzunehmen, aufgenommen. Einige Experten äußerten jedoch Bedenken hinsichtlich der im Berichtsverfahren angelegten Maßstäbe und mahnten weitere Reformen an. Doch was bedeutet der IBAR für den weiteren Weg eines Landes in die EU? Im Folgenden geht es um seine Relevanz im EU-Beitrittsprozess der Kandidatenländer Serbien, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien sowie Montenegro.
Dr. Mahir Muharemović, Dr. Pavel Usvatov
25. Juli 2024
Länderberichte
UN-Gericht zur Rolle Serbiens bei Kriegsverbrechen in Bosnien und Herzegowina
Abschluss der rechtlichen Aufarbeitung und mögliche Konsequenzen
Der Internationale Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe (IRMCT1) in Den Haag hat am
31. Mai 2023 die letzte Entscheidung im Zusammenhang mit jugoslawischen Kriegsverbrechen gefällt.
Das Urteil ist aus zwei Gründen von Bedeutung: Erstens stellt das Gericht in diesem Urteil fest, dass
Serbien entgegen der jahrelangen Leugnung durch offizielle Stellen in die Verbrechen während des
Jugoslawienkriegs in Bosnien unmittelbar involviert war. Zweitens markiert dieses Urteil das Ende der
Gerichtsverfahren vor internationalen Strafgerichten, die sich mit Kriegsverbrechen und der Frage der
Verantwortung für Kriegsverbrechen auf dem Boden des ehemaligen Jugoslawiens befassen. Damit eröffnet
es den Opfern potenzielle Klagemöglichkeiten wegen Wiedergutmachung.
Dr. Pavel Usvatov
1. Juni 2023
Länderberichte
Rechtsstaatsprogramm Südosteuropa
Rechtsstaatsentwicklungen im Überblick: Turbulentes Wahljahr in Bosnien und Herzegowina
Rettungsversuche des gestörten Rechtssystems und wesentliche Entscheidungen des Hohen Repräsentanten Christian Schmidt
Bosnien und Herzegowina (BiH) durchlebt seit Mitte 2021 eine tiefe verfassungsrechtliche und politische Krise. Nachdem 2021 mehrere Entscheidungen des Verfassungsgerichts von BiH (VerfG BiH) und eine wichtige Entscheidung des Hohen Repräsentanten für BiH (HR BiH) zur Frage des Staatseigentums und der Kompetenzen des Staates BiH ergangen waren, hat es auf der gesamtstaatlichen Ebene keine nennenswerte gesetzgeberische Aktivität gegeben. Damit sind das Parlament und die Regierung von BiH ihren gesetzlichen Aufgaben nicht nachgekommen und haben faktisch weiter an Bedeutung verloren. Die Schwächung des Zentralstaates nützt indessen den Sezessionisten in BiH, die den Staat zunehmend destabilisieren. Das VerfG BiH und der HR mussten im Jahr 2022 mehrere bedeutende Entscheidungen treffen. Diese Entscheidungen und die unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen am 2. Oktober 2022 erfolgreich abgehaltenen Wahlen lassen hoffen, dass die Organe des Gesamtstaates gefestigt werden. Die Verleihung des Status eines EU-Beitrittskandidaten am 15.12.2022 könnte zudem zum Momentum für eine dringend notwendige Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit in BiH werden.
Dr. Pavel Usvatov, Dr. Mahir Muharemović
22. Dezember 2022
Länderberichte
Cédric Puisney / flickr / CC BY 2.0 / creativecommons.org/licenses/by/2.0/
EuGH-Urteil zu Rumänien. Fehlgeschlagene "Justizreform" der PSD-geführten Vorgängerregierungen
Europäischer Gerichtshof urteilt: Es besteht ein erheblicher Verbesserungsbedarf der 2017-2019 durch PSD-Regierungen veränderten rumänischen Justizgesetze.
Am 18. Mai 2021 entschied der EuGH in einem lang erwarteten Urteil über die von den rumänischen Gerichten zu beachtende Rechtsnatur und Bindungswirkung des Kooperations- und Kontrollverfahrens (auch als „Verfahren für die Zusammenarbeit und die Überprüfung der Fortschritte Rumäniens“ genannt – fortan: VZÜ) und der Fortschrittsberichte der EU-Kommission. Daneben äußerte sich der EuGH zu verschiedenen Rechtsänderungen betreffend die institutionelle Ausgestaltung der Justiz in Rumänien, die durch die in der Öffentlichkeit stark kritisierten Justizreform in den Jahren 2017-2019 eingeführt wurden. Hierbei muss jedoch klar unterschieden werden zwischen der Phase der PSD-geführten Regierungen, welche für diese „Reformen“ verantwortlich war, und den Regierungen unter Führung der EVP-Mitgliedspartei PNL, welche seit Oktober 2019 die Regierung stellen und die PSD-„Reformen“ sowohl ablehnen als auch aktuell im parlamentarischen Verfahren rückgängig machen.
Rumänien als Teil der Balkanroute und möglicher weiterer Brennpunkt der europäischen Migrationspolitik
In den vergangenen Wochen konzentrierte sich die mediale Aufmerksamkeit auf die zunehmend prekäre Situation an den EU-Außengrenzen im Mittelmeerraum. Doch auch an Europas östlichen Außengrenzen zeichnet sich das Dilemma der europäischen Migrationspolitik ab. Wieder sind staatliche Einrichtungen zur Unterbringungen von Migranten überlastet. Wieder bemühen sich viele Migranten, der Registrierung zu entgehen, um in bestimmte EU-Staaten, wie Frankreich oder Deutschland, weiterreisen zu können. Wieder suchen viele Unterschlupf in verlassenen Häusern und leerstehenden Gebäuden, in denen es an Zugang zu sauberem Wasser, zu Elektrizität und der Möglichkeit, zu heizen, fehlt. Erneut versuchen Migranten, an den Grenzbeamten vorbei die Grenze zu überqueren. Diese Situation ist zwar nicht neu. Besonders im Winter des letzten Jahres stand diese Situation in Bosnien und Herzegowina im Fokus der Aufmerksamkeit. Doch diesmal findet das „Spiel“, das sich durch den wiederholten Versuch des unbemerkten Grenzübertritts auszeichnet, nicht an den bekannten Grenzen wie der bosnischen statt. Das „Game“, wie es die Migranten selbst nennen, wenn sie wiederkehrend versuchen, illegal die Grenzen zu überqueren bis sie erfolgreich sind, hat sich verlagert. Denn während die sogenannte Balkanroute bisher überwiegend durch Bosnien und Herzegowina, Serbien, Kroatien und Ungarn verlief, liegt nun auch Rumänien auf der Route.
Hartmut Rank, Dr. La Toya Waha
27. Mai 2021
Länderberichte
Cédric Puisney / flickr / CC BY 2.0 / creativecommons.org/licenses/by/2.0/
Rumänische Justiz vor dem EuGH
Untersuchung der sog. „Justizgesetze“, der Rechtmäßigkeit des Kooperations- und Kontrollverfahrens (CVM) und von Fällen des rumänischen Verfassungsgerichts
Rumänien befindet sich seit seinem Betritt zur Europäischen Union in einem Prozess der Entwicklung hin zur Harmonisierung mit den fundamentalen Grundsätzen und Prinzipien, für die die EU steht. Diese Entwicklung wird von der Europäischen Kommission seit dem Beitritt im Jahr 2007 durch das Kooperations- und Kontrollverfahren (auch als „Verfahren für Zusammenarbeit und Überprüfung“ bezeichnet, VZÜ, engl. CVM) begleitet. Im Rahmen der ursprünglich als kurzfristig geplanten, mittlerweile knapp anderthalb Jahrzehnte andauernden Monitoring berichtet die Europäische Kommission jährlich über die Fortschritte der Mitgliedsstaaten Bulgarien sowie Rumänien in Bezug auf deren rechtsstaatliche Entwicklung. Momentan sind gleich mehrere Fälle, die sich mit zentralen Aspekten des rumänischen Justizsystems befassen, vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) anhängig. Neben einer Bewertung der in Rumänien umstrittenen Justizreformen der Jahre 2017-2019 ist auch die Frage, inwieweit die CVM-Empfehlungen der EU-Kommission verbindlich sind, Gegenstand von in Kürze zu erwartenden Entscheidungen. Schon die Analyse der beim im Luxemburg ansässigen Gerichtshof anhängigen Fälle sowie der Anträge des Generalanwalts lassen eine Reihe von Schlüssen zu.
Hartmut Rank, Christoph Popa
23. März 2021
Länderberichte
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Die verspätete Lustration in der Republik Moldau
Vorwand zur Stärkung der PSRM
Der aktuelle Gesetzesentwurf für eine Lustration in der Republik Moldau wird in seiner derzeitigen Form die Politisierung des Beamtentums weiter stärken, und den Bemühungen zur Bekämpfung der Korruption den Wind aus den Segeln nehmen.
Stanislav Splavnic, Hartmut Rank
22. Dezember 2020
Länderberichte
Estonian Foreign Ministry / flickr / CC BY 2.0 / https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/
Instabile politische Situation im Kosovo
Das Kosovo-Sondertribunal bestätigt die wichtigsten Anklagen
Am 5. November trat Hashim Thaçi, der Präsident der Republik Kosovo und ehemaliger politischer Kopf der UÇK (Kosovarische Befreiungsarmee), nach Bestätigung seiner Anklage vor dem Kosovo-Sondertribunal in Den Haag, von seinem Amt als Staatspräsident zurück. In einer Pressekonferenz erklärte Thaçi, er lege sein Amt als Präsident zur Wahrung der Integrität des Kosovo nieder und werde sich nach Den Haag begeben. Wenige Stunden zuvor hatte Kadri Veseli, Vorsitzender der PDK (Demokratische Partei Kosovo, drittstärkste Partei bei den Wahlen 2019), ehemaliger Präsident des Parlaments und während des Krieges Chef des kosovarischen Geheimdienstes, erklärt, dass auch die Anklage gegen ihn in Den Haag bestätigt worden sei und dass er sich freiwillig dem Sondertribunal stellen werde.
Norbert Beckmann-Dierkes, Hartmut Rank
11. November 2020
Länderberichte
Denis Simonet / flickr / CC BY 2.0
Camelia Bogdan v. Rumänien: ein Fall willkürlicher Suspendierung einer Richterin
EGMR urteilt: es bestand kein Rechtsmittel für Camelia Bogdan, die in Rumänien vom Richteramt suspendiert wurde
Der Fall der rumänischen Richterin „Camelia Bogdan v. Rumänien“ stellt eine weitere Etappe der Rechtsstreitigkeiten von Vertretern der rumänischen Justiz vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) dar. Dies steht im Kontext der Auseinandersetzungen der rumänischen Richterschaft mit der bis 2019 regierenden sozialdemokratisch geführten Koalition. Camelia Bogdan (die Beschwerdeführerin) wurde aus zweifelhaften Gründen vorübergehend von ihrem Amt suspendiert, ohne den entsprechenden Beschluss effektiv anfechten zu können. Dies ist nach einer Entscheidung des EGMR vom Oktober 2020 rechtswidrig. Verletzt wurde das Recht auf ein faires Verfahren (Artikel 6 Abs. 1 EMRK).
Hartmut Rank, Stanislav Splavnic
30. Oktober 2020
Länderberichte
wikimedia/Pudelek/CC BY-SA 4.0
Umstrittenes NGO-Gesetz in der Republik Moldau verabschiedet
„Knackpunkt“ ist die Unterstützung von Parteien
Am 11. Juni 2020 hat das moldauische Parlament das neue „Gesetz über Nichtregierungsorganisationen“ (NGO-Gesetz) verabschiedet. Es wurde rasch zu einem Zankapfel innerhalb der von Sozialistischen Partei (PSRM) geführten Regierung. Eine Reform dieses Gesetzes wurde als Voraussetzung für die weitere EU-Makrofinanzhilfe genannt. Hauptneuerungen betreffen Regeln zur Unterstützung von Parteien durch NGOs. Knapp einen Monat nach Verabschiedung liegt der offizielle Gesetzestext zwar noch immer nicht vor, Kernelemente sind aber bekannt und werden nachfolgend kurz dargestellt.