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Dieser Schritt stellt den vorläufigen Höhepunkt einer Folge zunehmender Vorwürfe seitens der regierenden Sozialdemokratischen Partei (PSD) und Allianz der Liberalen und Demokraten (ALDE) gegen Kövesi, deren Absetzung seit längerer Zeit gefordert worden war. Flankiert waren diese Bemühungen von massiven Angriffen der PSD-nahestehenden Massenmedien gegen die DNA, der u.a. „stalinistische“ Methoden, die „Fälschungen von Beweisen“ und die „Fabrizierung“ von Anklagen vorgeworfen wurde.
Konkrete Belege für diese Vorwürfe wurden nicht vorgebracht. Gleichwohl hatte Premierministerin Viorica Dăncilă – eine enge Vertraute des PSD-Vorsitzenden und stärksten Politikers im Lande, Liviu Dragnea – sie zum Anlass genommen, Justizminister Toader in einer etwas dramatischen Geste bereits in der vergangenen Woche von einer Auslandsreise nach Japan zurückzubeordern. Am 22.2. präsentierte der Justizminister der Presse daraufhin eine lange Liste von angeblichen Vergehen Kövesis. Er warf der DNA-Leiterin u.a. vor, sie habe bei Ermittlungen gegen die Verfassung verstoßen, die Autorität des Verfassungsgerichts in Frage gestellt, sich in Ermittlungen anderer Staatsanwälte eingemischt, sich „autoritär“ und „willkürlich“ verhalten, Verurteilungen um jeden Preis herbeizuführen versucht, medial brisante Anklagen priorisiert und willkürliche Verhaltensweisen von Staatsanwälten nicht untersucht. Dabei konnte Toader kaum handfeste Beweise vorlegen, sondern zitierte verfassungsgerichtliche Entscheidungen – die sich allerdings auf Abgrenzungen von Kompetenzen der DNA beziehen und nicht auf Kövesi selbst – und übernahm z.T. die in den Medien präsentierten Anschuldigungen. Ferner warf er Kövesi vor, durch Interviews in ausländischen Medien, in denen sie vorgeschlagene Gesetzesänderungen bezüglich des Justizwesens kritisiert hatte, den Ruf von Rumänien „unabänderlich“ beschädigt zu haben. Ihre Stellungnahmen hätten eine „Desinformation“ beim Europäischen Parlament herbeigeführt.
Toader gab an, Passagen aus der 36-seitigen Zusammenfassung eines vom Justizministerium erstellten Berichts zur Tätigkeit von Kövesi vorzutragen, der im Anschluss auf der Internet-Seite des Justizministeriums veröffentlicht werden sollte. Die Homepage des Justizministeriums war aber weder am Abend nach der Presseerklärung, noch am nächsten Vormittag abrufbar, sodass der Öffentlichkeit der Zugang zu dem vom Minister zitierten Dokument bislang nicht zugänglich gemacht wurde. Die DNA-Leiterin reagierte hingegen am Folgetag mit einer knappen Pressemitteilung, in der Kövesi festhielt, sie werde dem entsprechenden Rechtsverfahren folgen und sich, wann immer notwendig, zur Verfügung stellen würde, um auf alle Behauptungen des Justizministers zu antworten.
Kurz nach der Presseerklärung von Toader stellte sich Präsident Klaus Iohannis hinter die DNA-Leiterin. In einer Pressemitteilung des Präsidialamtes hieß es, dass die Vorstellung des Berichts einen „Mangel an Klarheit“ aufweise und die Bewertung der DNA-Leitung seitens des Präsidenten sich von derjenigen des Justizministers unterscheide, weswegen eine „vertiefte Analyse“ des Dokuments erforderlich sei. Iohannis habe sich mehrfach mit der Tätigkeit der DNA zufrieden erklärt – „ein Standpunkt, den er weiterhin vertritt“ – und werde alle verfassungsmäßigen Kompetenzen nutzen, um das Funktionieren einer unabhängigen Justiz und die Konsolidierung des Rechtsstaates zu gewährleisten. Der Präsident hatte zuletzt vor einer Woche im Rahmen einer Pressekonferenz die Angriffe gegen die DNA explizit als „verzweifelten Versuch“ einiger „Verbrecher“ bezeichnet, die Nationale Antikorruptionsbehörde und deren Leitung zu diskreditieren. Aus seiner Sicht hingegen leiste die DNA „gute Arbeit“.
Auf Iohannis kommt tatsächlich im Verfahren zur Amtsenthebung von Kövesi eine Schlüsselrolle zu. Zunächst muss der Vorschlag von Toader von der Abteilung für Staatsanwälte im Obersten Rat der Magistratur (CSM) – dem Selbstverwaltungsgremium der Justiz – geprüft werden. Die Abteilung für Staatsanwälte umfasst lediglich die fünf CSM-Mitglieder, die Staatsanwälte sind, sodass die anderen Mitglieder (Richter, Vertreter der Zivilgesellschaft sowie der Justizminister, die Vorsitzende des Obersten Gerichts und der Generalstaatsanwalt) kein Mitspracherecht haben. Die Stellungnahme der CSM-Staatsanwälte hat jedoch nur konsultativen Charakter. Die Unterstützung des Präsidenten für Kövesi wird auch von der Opposition geteilt. Noch am selben Abend kritisierten die Nationalliberale Partei (PNL) und die Union Rettet Rumänien (USR) Toaders Vorstoß und forderten den Rücktritt des Justizministers.
Da der Präsident sich bereits gegen eine Abberufung von Kövesi ausgesprochen hatte, stellt sich die Frage, was die Koalition aus PSD und ALDE mit der Einleitung des Abberufungsverfahrens zu erreichen versucht. Denn während die Koalitionsparteien selbst politisch von den Vorwürfen gegen Kövesi jedenfalls unmittelbar kaum profitieren können, bieten sie Präsident Iohannis die Möglichkeit, sein eigenes Profil als Verteidiger einer unabhängigen Justiz in der eigenen Anhängerschaft zu stärken. In Teilen der Öffentlichkeit wird dabei immer wieder die Möglichkeit eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den Präsidenten diskutiert. Jedoch würde die Verweigerung einer Entlassung von Kövesi dafür kaum einen plausiblen Anlass bieten; und das dann auch erforderliche Referendum könnte den Präsidenten im Blick auf die 2019 ohnehin anstehenden Präsidentschaftswahlen eher stärken als schwächen.
PSD und ALDE sind allerdings mittlerweile selbst so sehr dem Narrativ vom „parallelen Staat“ und einer gegen sie gerichteten vermeintlichen Politisierung der Justiz verhaftet, dass sie sich zu diesem Schritt möglicherweise schon um der eigenen Glaubwürdigkeit willen genötigt fühlten. Kövesi wird dadurch in jedem Fall noch einmal als Angriffsziel und Antagonistin mit hoher Symbolkraft aufgewertet. Deshalb ist aber auch fraglich, ob das Ziel tatsächlich in einer Abberufung Kövesis besteht; denn mit ihrer Abberufung würde das eigene Narrativ von einer angeblichen Politisierung der Justiz wieder geschwächt, und damit auch die Möglichkeit, Verfahren gegen führende Mitglieder der Koalition als politisch motiviert darzustellen. Plausibler ist, dass eine gescheiterte Abberufung Kövesis die Rechtfertigung für weitere Gesetzesinitiativen bieten kann, die die Handlungsspielräume der DNA und der Justiz einschränken.
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