Konrad-Adenauer-Stiftung:
Am 9. November 1989 waren Sie sieben Jahre alt. Wie haben Sie den Fall der Mauer erlebt? Was ist Ihnen in Erinnerung geblieben?
Beate Meißner MdL:
Ich kann mich an eine ganz besondere Atmosphäre im familiären Umfeld erinnern. Meine Eltern und Großeltern freuten sich und lauschten neugierig dem Radio. Ich hatte keine Ahnung warum, aber so hatte ich sie noch nie erlebt.
Konrad-Adenauer-Stiftung:
Und was verbinden Sie mit dem 3. Oktober 1990? Was bedeutet Ihnen der Tag der Deutschen Einheit?
Beate Meißner MdL:
Vor allem tiefe Dankbarkeit, aber auch Respekt und Anerkennung für die mutigen Menschen, die die Deutsche Einheit friedlich erkämpft und politisch ermöglicht haben. Ich wäre heute weder Landtagsabgeordnete im schönsten Bundesland Deutschlands noch hätte ich die Welt kennenlernen dürfen und meinen Horizont erweitern können.
Konrad-Adenauer-Stiftung:
Wenn Sie heute auf 30 Jahre Deutsche Einheit blicken: Wo ist Deutschland Ihres Erachtens besonders gut zusammen gewachsen und wo müssen wir noch an unserer Einheit arbeiten?
Beate Meißner MdL:
Meine Heimat ist dafür das beste Beispiel: Stadt und Landkreis Sonneberg sind Mitglieder der Metropolregion Nürnberg, verzeichnen eine der geringsten Arbeitslosenquoten und höchsten Industriedichten deutschlandweit, haben einen länderübergreifend Klinikverbund und wir feierten vergangenes Jahr gemeinsam auf Thüringer Boden den Tag der Franken. Direkt an der ehemaligen innerdeutschen Grenze ist hier zusammen gewachsen, was zusammen gehört. Dennoch gibt es auch nach 30 Jahren nicht nachvollziehbare Unterschiede. Die ostdeutschen Länder liegen oft hinter dem Westen. Die Vermögen und Einkommen sind geringer, es gibt viel zu wenige Ostdeutsche in Spitzenpositionen und kein einziges DAX-Unternehmen mit Sitz im Osten. Das zu ändern ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern sollte selbstverständlich sein.
Konrad-Adenauer-Stiftung:
Wenn Sie heute Bilanz ziehen: Wo spüren Sie die großen Erfolge und wo die „Baustellen“? Was wünschen Sie sich im Speziellen für Thüringen?
Beate Meißner MdL:
Erfolge lassen sich überall dort verzeichnen, wo man die Ausgangssituation 1990 mit der heutigen vergleicht. Gerade im sozialen Bereich, wie bei den Pflegeheimen, Krankenhäusern und Behinderteneinrichtungen haben sich die Bedingungen erheblich verbessert. Der Umwelt- und Naturschutz haben berechtigterweise an Bedeutung gewonnen und auch wirtschaftlich haben die neuen Bundesländer aufgeholt. So liegt das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt 400 Prozent höher als 1990. Allerdings gibt es auch in Thüringen noch Nachholbedarf beispielsweise beim Ausbau der digitalen Infrastruktur, der Förderung ländlicher Regionen und bei der Ansiedlung von Bundesbehörden.
Konrad-Adenauer-Stiftung:
Als junge Politikerin und Abgeordnete werden Sie das Land vermutlich noch lange mitgestalten – was wünschen Sie sich aus heutiger Sicht für das Jahr 2050? Welche Bilanz würden Sie gerne am 3. Oktober 2050 anlässlich von „60 Jahren Deutsche Einheit“ ziehen?
Beate Meißner MdL:
Ich wünsche mir, dass das Wunder der friedlichen Revolution und die Leistung der Gestalter der Deutschen Einheit mindestens genauso geschätzt wird, wie heute. Dazu muss die Erinnerung weiter wach gehalten werden, auch wenn die Zeitzeugen weniger werden. Und ich wünsche mir, dass es noch weniger Trennendes zwischen Ost und West gibt und das die Deutsche Einheit auch nach 60 Jahren noch als Erfolgsgeschichte gefeiert wird.
Konrad-Adenauer-Stiftung:
Unsere Interviewreihe heißt „Krise als Chance“. Sie haben politische und gesellschaftliche Umbrüche erlebt. Wie blicken Sie vor diesem Hintergrund auf aktuelle Herausforderungen und Krisen – beispielsweise auf die Corona-Pandemie?
Beate Meißner MdL:
Ich habe erlebt, was es bedeutet, auch in schwierigen Zeiten Verantwortung zu übernehmen. Mit der Corona-Pandemie erleben wir nun eine Krise von historischem Ausmaß mit so viel Ungewissheit und Unübersichtlichkeit. Diese erfordert verantwortungsvolles Handeln von jedem. Aber wir müssen zuversichtlich bleiben. Wir können diese Krise meistern. Dabei braucht es Zusammenhalt, genau wie vor 30 Jahren. Denn es ist immer besser, das Verbindende über das Trennende zu stellen – so schwer das mitunter auch ist.