Veranstaltungsberichte
Karl-Heinz B. van Lier, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung für Rheinland-Pfalz, hob in seiner Begrüßung hervor, dass es angesichts der steigenden Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen werden, dringend geboten sei, über die Folgen und Möglichkeiten des Umgangs mit der Flüchtlingssituation zu sprechen.
Der Leiter des Auslandsbüros im Libanon und des Rechtsstaatsprogramms Naher Osten und Nordafrika der Konrad-Adenauer-Stiftung Peter Rimmele schilderte eindrücklich die Flüchtlingssituation im Libanon, dem am stärksten beanspruchten Transitland auf dem Weg der Flüchtlinge. Im Libanon, so Rimmele, lebten rund 1,2 Millionen syrische Flüchtlinge, d.h. 1 von 5 Menschen im Libanon ist ein syrischer Flüchtling. Anders, als es sich bei uns in Deutschland angesichts unserer Wirtschaftskraft und Einwohnerzahl bei gleichlautenden Verhältnissen verhalten würde, sei die libanesische Infrastruktur nicht in der Lage die Flüchtlinge zu verkraften, schilderte der Jurist weiter.
Im Vergleich zu den zahlreichen failed states der Region sei der Libanon ein relativ stabiler Staat, jedoch gäbe es keine organisierten Flüchtlingslager, erklärte Rimmele. Vielmehr existierten circa 2.000 kleine Settlements: „Die Regierung lässt aber nichts Dauerhaftes zu, wegen der schlechten Erfahrungen mit den palästinensischen Flüchtlingslagern.“ Die Flucht in den Westen, bzw. nach Europa, entstehe aus purer Verzweiflung, da es in den Transitländern keinerlei Zukunftsperspektive gäbe und die Flüchtlinge dort praktisch rechtlos lebten.
Mit Blick auf die Situation in Deutschland formulierte Peter Rimmele den Wunsch künftig eine echte Einwanderungspolitik zu gestalten: „Diese ist dringend notwendig und sie muss gestalten werden angesichts der demografischen Situation“.
Die Fernsehreporterin Düzen Tekkal mahnte in ihrem Statement zu einem Bewusstsein dafür an, dass das Leid bislang nur in den Herkunfts- und Transitländern geschehe. Und Tekkal weiter: „Inzwischen aber ist es auch bei uns in Deutschland angekommen mit den Flüchtlinge, die zu uns kommen“. Die damit verbundenen Folgen müssten ehrlich angesprochen werden: „Wir dürfen nicht in die Situation kommen, dass wir Angst haben nicht mehr unserer Meinung sagen zu dürfen!“.
Ihre eigene Familiengeschichte - Düzen Tekkal ist eines von zehn Kindern einer jesidischen Flüchtlingsfamilie - sieht sie als Beispiel dafür, dass Integration gelingen kann, „wenn alle mitmachen“. Eine hochemotionale Angelegenheit sei Integration in ihren Augen, so Tekkal. „Dafür müssen wir uns öffnen!“. Und dennoch gab sie zu bedenken, dass man sehr genau hinsehen müsse, wer da komme. Unsicherheiten führten immer zu Radikalisierung und verstärkten das Gefühl nicht gehört zu werden. Tekkal forderte für die momentane Situation eine notwendige Leitbilddebatte.
Behrouz Asadi, Leiter der Malteser Flüchtlingshilfe Mainz, begreift die Entwicklungen des Jahres 2015 als ein „historisches Ereignis für Deutschland“, das uns die Chance zu einem einmaligen humanitären Akt böte, indem man diese Flüchtlinge aufnehme. Vor dem Hintergrund seiner langjährigen Erfahrung in der Flüchtlingshilfe äußerte er die Auffassung, dass eine positive Aufnahme ein Gewinn für die gesamte deutsche Gesellschaft sei. Hierbei unerlässlich sei der Zugang zu allgemeinen und berufsbezogenen Deutschkursen, so Asadi, denn „die Flüchtlinge haben allesamt den Wunsch einen Beitrag zu leisten“. Dazu müssten aber die Kapazitäten besser organisiert und reguliert werden.
Zur Perspektive im politischen Umgang mit der Flüchtlingssituation äußerte sich Dr. h.c. Johannes Gerster. Er gab zu bedenken, dass eine weitere Zuwanderung in der gegenwärtigen Größenordnung für Deutschland dauerhaft nicht verkraftbar sei, aber politisch Verfolgte auch weiter uneingeschränkt unseren Schutz erhalten sollten. Für all jene, die keine Chancen auf eine Anerkennung ihres Asylantrags hätten, müsse eine möglichst schnelle Abschiebung gewährleistet sein. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Gerster sieht hierfür keine Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung: „Wir haben kein Verfassungsdefizit, sondern eine Handlungsdefizit!“.
Für alle Flüchtlinge mit Bleibeperspektive muss Gersters Ansicht nach schnellstens Integration geleistet werden und gelten: „Jeder Tag des Nichtstuns ist ein verlorener Tag – für die Verfolgten und für unser Gemeinwesen!“. Zur Finanzierung der Integrationsangebote schlägt er eine schrittweise Umleitung des Solidaritätszuschlags auf die Eingliederung der Zuwanderer vor. Abschließend forderte auch Johannes Gerster eine verpflichtende Orientierung an der freiheitlich demokratischen Grundordnung Deutschlands für alle Zuwanderer: „Jeder steht unter der Werteordnung des Grundgesetzes. Das Grundgesetz steht, wenn religiöse Überzeugungen mit ihm kollidieren, unverrückbar über solchen Auswüchsen. Wer das nicht akzeptiert, passt nicht in unseren über Jahrhunderte hart erkämpften Wertekanon“.
Susanne Conrad moderierte die Gesprächsrunde mit den Podiumsteilnehmern. Sie fasste zusammen, dass es sich hinsichtlich der weltweiten Fluchtbewegungen um eine Epochenwechsel handele: „Immer waren in der Geschichte Menschen auf der Flucht, aber noch so viele wie heute“. Im Nahen Osten entstehe zudem ein Flächenbrand, der die Region immer instabiler werden ließe, die Terroristen stießen dort in das Vakuum der fehlenden Politik vor. An Johannes Gerster richtete Conrad daher unter anderem die Frage: „Hat Europa, hat Deutschland, die Situation fehleingeschätzt?“. Er gab daraufhin zu bedenken, dass man im Rückblick die Zuwanderung in Deutschland verschlafen habe, „jetzt verschläft man die Integration“. Die weitere Diskussion vertiefte Aspekte der Verbesserung der Antragsbearbeitung, die Ansätze mehr Hilfe für die Transitländer zu leisten und weitergehende Fragen. Susanne Conrad resümierte: „Keine andere Staatsform als die Demokratie kann damit umgehen, was jetzt unsere Herausforderungen sind!“.
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