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Deutschsein für Anfänger. Integration ist meine Pflicht!

Lesung mit Emitis Pohl

Eine Iranerin erklärt den Deutschen, wie Deutschsein funktioniert und polarisiert damit. Die Kölner Unternehmerin Emitis Pohl, die im Alter von 13 Jahren als Flüchtling aus dem Iran nach Deutschland kam, schildert in ihrem Buch ihr eigenes bewegtes Leben und fordert die Deutschen auf, beherzter mit Zuwanderern umzugehen und ihnen mehr abzuverlangen. Integration ist kein Zuckerschlecken, aber machbar, wenn man es will, so Pohls Botschaft. Sie wollte es – und hat es geschafft.

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Karl-Heinz B. van Lier

Kein Thema beschäftigt die Medien und die Gesellschaft zurzeit so sehr wie der Islamistische Terror, der Deutschland erreicht hat. Sie alle wissen, der islamistische Terror hat im vergangenen Jahr 2016 Deutschland erreicht hat. Er hat mitten in der Weihnachtszeit 16 Menschen in den Tod gerissen. Mit der Erkenntnis darüber, welche Bewegungsfreiheit dem Terroristen gegeben wurde, wie viele Identitäten er sich zulegen konnte und welche Länder er als bewaffneter Terrorist unbehelligt durchqueren konnte und von welchen Gruppen er Hilfe erwarten konnte, mit all diesem Wissen ist bei den Parteien eine sicherheitspolitische Debatte begonnen worden, die hoffentlich einen Paradigmenwechsel im Bereich der Sicherheit zur Folge hat. Wir alle sind es den Toten schuldig.

Der Radikalisierung können wir nur auf eine Weise beikommen und das bedeutet Integration. In diesem Sinne haben wir heute eine ganz besondere, authentische Referentin eingeladen. Emitis Pohl ist im Iran geboren und kam als Jugendliche unbegleitet nach Deutschland. Ihre Biografie ist ein Beispiel für gelungene Integration, von dem wir unbedingt lernen sollten.

Prof. Dr. Tilman Allert

Unter den muslimischen Gesellschaften existieren zurzeit vier verschiedene Modelle: die Maghreb Staaten, Afghanistan, Türkei und der Iran. Fragt man sich, wie diese Staaten sich an die Moderne anpassen, muss man sagen, dass wir da eine eigenartige Türkei sehen, die immer eigenartiger wird und ein absolut vormodernes Afghanistan. Während die Türkei und Iran eine relative Staatlichkeit zu verzeichnen haben – insbesondere historisch betrachtet – so sind die Maghreb-Staaten mehr oder weniger vormodern, hier sprechen wir von Königreichen und kolonialisierten Gesellschaften. Das sind spannende Konstellationen, die pausenlos im Kriegszustand sind, weil sie distant sind zu Kompromissen.

Was macht im Gegensatz dazu die westliche Kultur aus? Hier lautet der Schlüsselbegriff Kompromisselastizität. Die vier zuvor genannten Gesellschaften sind aber überhaupt nicht kompromisselastisch. Ihr Ordnungsprinzip ist die Rache. Die Rachelogik regiert in diesen Gesellschaften alles, trotz Vorhandenseins von solch modernen Dingen die Parteien und Unternehmerverbänden. Rache ist unelastisch. Der Kompromiss ist elastisch. Ärgerlich zeitweise, aber elastisch, und das heißt anpassungsflexibel. Die Konsequenzen dieser Konstellationen sind täglich den Zeitungen zu entnehmen.

Heute haben wir einen Gast, für den etwas Faszinierendes gilt: sie ist kein Beispiel dessen, was wir so in den Zeitungen lesen. Es wäre auch nicht ganz richtig zu sagen, Emitis Pohl sei erfolgreich integriert. Sie ist viel mehr als das – sie ist Unternehmerin. Und wenn ich Unternehmer bin, werden alle ethnischen und kulturellen Besonderheiten unbedeutend. Was für mich gleichermaßen gilt wie für Frau Pohl, ist ein Vergleich, den Charles Aznavour geprägt hat: auf die Frage, ob er nun mehr Franzose sei oder Armenier, sagte er: er sei wie Milchkaffee – es sei unmöglich die Milch vom Kaffee zu trennen.

Emitis Pohl liest aus ihrem Buch „Deutschsein für Anfänger – Integration ist meine Pflicht“.

Emitis Pohls Kindheit im Iran war geprägt von Sicherheit, Geborgenheit, als verwöhntes Einzelkind wohlhabender Eltern war sie ein glückliches Kind. Im vorrevolutionären Iran ihrer Jugend gab es keine Verschleierung – Frauen sah man elegant und modern gekleidet, Nagellack, blondes Haar und High-Heels gehörten zur Tagesordnung. Ihre Mutter sei nie ungeschminkt aus dem Haus gegangen. Später schickte man Emitis auf eine französische Privatschule, wo katholische Nonnen mit den Schülern Weihnachten feierten.

Mit der Revolution kamen die Bomben, die langen Mäntel, Schleier, staatliche Schulen mit streng islamischer Prägung. Emitis ließ verfiel dem Einfluss einer fundamentalistischen Lehrerin und wurde Vorbeterin der Schule. Erst später gelang es ihr, sich diesem Einfluss zu entziehen.

Mit 13 Jahren kam sie auf eigene Initiative nach Deutschland und paukte Deutsch, setzte durch, dass sie die Schule besuchen und schließlich studieren durfte. Heute betreibt sie eine erfolgreiche Werbeagentur. Ihr Weg zum Erfolg war steinig, denn die deutsche Bürokratie und ihre Eigeninitiative waren oft inkompatibel.

Wer nach Deutschland kommt, darf nicht darauf warten, dass alles gemacht wird, sondern muss sich selbstständig einbringen, findet Emitis Pohl. Integration sei auch nicht, dass man sich eine Schrankwand in sein Wohnzimmer stellt und Volksmusik hört, Integration bedeutet für die Referentin das Beherrschen der Sprache, Respekt vor der neuen Kultur und Engagement. Ehrenamtlich kümmert sie sich um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Diese haben ganz konkrete Bedürfnisse: einen strengen Mentor, der ihnen einen Weg zeigt und Grenzen setzt, nicht Sozialarbeiter die auf falsch verstandener Toleranz weichgespülte Pädagogik betreiben. Wer aus einem Dorf kommt, wo die nächste Ampel 500 km entfernt steht, muss sich an den Kölner Stadtverkehr erst mal gewöhnen, so Pohl.

In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum wurden über die Notwendigkeit gesprochen, eine Mentoren-Kultur für die Flüchtlinge zu entwickeln. Damit sei die Möglichkeit gegeben, möglichst jedem Flüchtling bzw. Migranten einen Begleiter für seinen Weg in unsere Gesellschaft zu geben.

Frau Pohl beanstandete, dass es zurzeit kein tragfähiges Konzept zur Flüchtlingspolitik gebe. Sie hob besonders hervor, wie demotivierend die langen Bearbeitungszeiten der deutschen Bürokratie für integrationswillige und engagierte Migranten und Flüchtlinge sei.

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Karl-Heinz B. van Lier

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