Christian Kutzscher
Gerade die emotionalen Momente vor, während und nach dem Fall der Mauer zeigte Ingo Espenschied mit seiner DOKULIVE „Deutschland in Europa – Mauerfall und Deutsche Einheit“. Dass die damaligen Ereignisse nicht nur für Deutschland zentral waren, sondern gesamteuropäische Auswirkungen hatten, wurde nicht zuletzt durch die Reaktionen der Partner und ehemaligen Besatzungsmächte klar.
Die Zivilgesellschaft benötige eine aktive Demokratiebildung, so Cornelia Dold, Leiterin des „Hauses des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz“ in Mainz. Durch Seminare, Veranstaltungen, Zeitzeugengespräche und Ausstellungen müsse immer wieder deutlich aufgezeigt werden, welchen hohen Wert unsere Demokratie hat.
Mit welchen Gefühlen, Repressionen und welcher Verfolgung die Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR umzugehen hatten, zeigte Freya Klier bei einer Lesung aus ihrem aktuellen Sammelband zum Mauerfall. Die Aussichtslosigkeit und Verzweiflung, die viele Bürger unter der SED-Diktatur erlebten, dürfe nicht in Vergessenheit geraten. Ebenso wenig die Narben, die geblieben seien. Mit dem Mauerfall kam die Erleichterung, aber noch nicht die Deutsche Einheit. Gerade die Aufarbeitung der Vergangenheit dauere bis heute an, so Klier.
Dr. Wulf Schmiese, Leiter der ZDF-Redaktion des „heute-journal“, beschrieb die DDR aus seiner ganz persönlichen Erinnerung heraus als weit entfernt. Vom Alltag der ehemaligen DDR habe er sich erst im Laufe der Zeit ein umfassendes Bild machen können. Mit lebendigen Worten und lautmalerischen Eindrücken schilderte er den Mauerfall, welchen er in (West)Berlin hautnah miterlebte.
Dr. h. c. Johannes Gerster, zum Zeitpunkt des Mauerfalls innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, beleuchtete auch die internationalen Aspekte. Da er sich zum Zeitpunkt des Mauerfalls in Begleitung eines israelischen Botschafters befand, konnte er deutlich spüren, wie dieser in Sorge geriet. Schon bevor eine Deutsche Einheit in Deutschland überhaupt ernsthaft diskutiert wurde, seien bei internationalen Partnern Ungewissheiten und Fragen an „ein Deutschland“ spürbar geworden.
Ein reger Austausch, sowohl auf dem Podium als auch im Dialog mit den Gästen, schloss sich an. Moderiert von der 1975 in Schwerin geborenen Dr. Kristin Wesemann, Leiterin Strategie und Planung der Konrad-Adenauer-Stiftung, wurde unter anderem über die Fragen diskutiert: Was bedeutet Ostdeutschland – damals und heute? Wie, mit wem und womit identifizieren wir uns? Was soll uns zukünftig verbinden? Was verstehen wir Deutsche, 30 Jahre nach dem Fall der Mauer, in Deutschland, Europa und der Welt unter „Einigkeit und Recht und Freiheit“? Wie können Menschen ihre Erfahrungen aus und mit der ehemaligen DDR, also Menschen, die unser Land zwei Mal aufgebaut haben, als „Transformationskompetenzen“ in aktuelle politische Debatten, Herausforderungen und Umbrüche einbringen?
Der Fall der Mauer als historische Wegmarke in der Geschichte Deutschlands, Europas und der Welt wird die Konrad-Adenauer-Stiftung weiter beschäftigen. Dabei sollen, auch in Zukunft, sowohl die Frage „Und wo warst Du?“ aufgeworfen als auch der Auftrag „Demokratie. Gemeinsam. Gestalten!“ vermittelt werden. Zu diesem Thema war auch das entsprechende Projektteam mit dem Informationsbus „Adenauer on tour“ am Erbacher Hof – hier diskutierten insbesondere junge Menschen über den Mauerfall als Mahnung, sich ganz im Geiste unseres 70-jährigen Grundgesetzes immerfort für Demokratie und Rechtsstaat einzusetzen. Auch dort, wo vermeintlich unüberwindbare Hürden und Widerstände drohen.