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Integration 2017 - Eine Bilanz II

Fakten, Analysen, Entwicklungen

Um über den aktuellen Status quo der bisher geleisteten Integration mit Experten von Landes-, Kreis- und Kommunalebene ins Gespräch zu kommen hatte das Politische Bildungsforum Rheinland-Pfalz in den Erbacher Hof nach Mainz eingeladen.

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Neben der Begrüßung der Referenten umriss Karl-Heinz B. van Lier, Leiter des Politischen Bildungsforums Rheinland-Pfalz, in seiner Einführung das Thema des Vormittags. Die tagesaktuellen Verhandlungen der potentiellen Koalitionäre in Berlin belegten, so van Lier, wie dringlich die Beschäftigung mit der Thematik sei. Der Fokus dieses Politischen Salons solle, nach einer zuvor erfolgten ersten Bilanz, in einer zweiten Bilanz auf das Land Rheinland-Pfalz lenken. Hierbei sollen verschiedene Ebenen und Blickwinkel bei der Betrachtung von Integration berücksichtigt werden. Wichtig sei hierbei vor allem, so die Auffassung des Landesbeauftragten der Konrad-Adenauer-Stiftung, die differenzierte Betrachtung der quantitativen Größen, wenn man Integration diskutieren wolle.

Über die Herausforderungen, die Integration mit sich bringt, berichtet der ehemalige Botschafter Dr. Axel Hartmann. Die ganz praktischen Probleme, die mit dem Versprechen Merkels die Herausforderung der Integration zu schaffen, einhergehen, belasten heute die Kommunen sehr stark. Vor allem im ländlichen und wenig industrialisierten Raum Niedersachsens, wo Hartmann Bürgermeister einer Stadt mit 7.500 Einwohnern ist, wachsen die Angst vor Überfremdung und die Problematik, die Migranten nicht in den örtlichen Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Der Diplomat erinnerte daran, dass nach dem Mauerbau die westdeutschen Botschaften stets mit Flüchtlingen aus der DDR zu tun gehabt hätten. „Diese Vorgänge waren geheim, denn wenn dies bekannt geworden wäre, wären noch mehr gekommen“, ergänzte Hartmann. Als politische Flüchtlinge nahmen diese den Asylrechtsschutz für sich in Anspruch. In staatsrechtlicher Hinsicht seien diese DDR-Flüchtlinge Deutsche gewesen, die ohne Weiteres die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hätten. Heute hingegen stelle sich die Sache naturgemäß anders dar, so der niedersächsische Bürgermeister.

Er berichtete von der anfänglichen Hilfsbereitschaft in seiner Stadt, die trotz begrenzter Möglichkeiten zunächst überwältigend gewesen sei. Und dennoch habe es auch Zurückhaltung und Bedenken gegeben, die zunächst 200 Flüchtlinge in das Gemeinwesen zu integrieren und mit ihnen umzugehen: „Vor allem die zahlreichen alten Menschen hatten sehr viele Ängste. Daher mussten viele zum Helfen auch überzeugt werden“.

Der Landrat von Trier-Saarburg, Günther Schartz, schilderte die aktuelle Integrationssituation in seinem Landkreis. In diesem, so der Vorsitzende des Landkreistages Rheinland-Pfalz, fänden sich noch verhältnismäßig gute Rahmenbedingungen, da es sich um einen Kreis mit steigender Bevölkerungszahl handele, der eine gewisse Ballungsraumsituation im Speckgürtel um Trier und aufgrund der Nähe zu Luxemburg biete. „Wir haben eine Vollbeschäftigung im Landkreis, aber eine damit einhergehende angespannte Wohnungssituation“, erläuterte Schartz.

Ähnlich wie in allen rheinland-pfälzischen Kreisen herrsche damit eine schwerwiegende Unterbringungsproblematik vor. Diese habe Trier-Saarburg mit der Installation zentraler Unterbringungseinrichtungen gelöst, erklärte der Landrat weiter: „Wir haben damit eine gewisse Entspannung geschaffen und die Möglichkeit, durch ein enges Netzwerk sozialer Arbeit die Integrationsbemühungen zu flankieren. Denn ein Vorteil dieser Art der Unterbringung ergibt sich durch den guten Schlüssel der Betreuung durch Sozialarbeiter in den Einrichtungen.“

Schartz ging auch auf die seiner Ansicht nach neu entstandene Situation ein. Bedingt durch den Umstand, dass inzwischen in vielen Fällen klar sei, wer dauerhaft bleiben dürfe und wer nicht, ergäben sich neue Probleme: „Es ist anzunehmen, dass – beispielsweise durch die Androhung eines Suizids – künftig die Zahl psychischer Auffälligkeiten zunimmt“. Damit einher ginge auch die Frage nach der Sicherheit der Mitarbeiter, beispielsweise in den zuständigen Gesundheitsämtern, so der Landrat. Das Problem potenziere sich zudem mit der Zunahme der Aufenthaltsdauer in ungeklärtem Status.

Sein Statement, das den großen Spannungsbogen nachzeichnete, dem sich die örtlich Verantwortlichen hinsichtlich der Integrationsbemühungen gegenübergestellt sehen, schloss Schartz mit dem optimistischen Zuruf: „Wir haben die Herausforderungen zu schaffen und wir wollen die Herausforderungen schaffen.“

Tobias Meyer umriss die Herausforderungen der Integration als Vertreter einer rheinland-pfälzischen Kommune. Der Erste Beigeordnete von Haßloch/Pfalz, einer 21.000 Einwohner zählenden Gemeinde, in der rund 200 Asylsuchende – meist allein reisende junge Männer – zu integrieren sind, zeichnete zwei Problemfelder nach.

Erstens müsse Integration vor Ort gelingen. Das Dilemma aber sei, so Meyer, dass die Voraussetzungen und Grundbedingungen dafür an anderer Stelle geschaffen würden. Seiner Erfahrung nach fänden die Kommunen in Rheinland-Pfalz nur sehr zögerlich Gehör auf der Landesebene, besonders aber bei der zuständigen Ministerin Spiegel. Hinzu käme, dass die finanzielle Ausstattung gering sei und von den Kompensationsleistungen des Bundes für Integrationsmaßnahmen in Rheinland-Pfalz nur rund ein Drittel bei eben diesen angekommen sei. Meyer forderte: „Die Kommunen brauchen verlässliche Partner auf allen Ebenen, beim Landkreis, aber auch auf Ebene der Ministerien.“

Ein zweites Problem sieht der Kommunalpolitiker in der mit der Flüchtlingskrise verbundenen Emotionalität, welche die Wahrnehmung beeinflusste: „Sie ist ebenfalls ein Teil des Problems, da die anfängliche Hilfsbereitschaft bei einer gleichbleibenden Zahl von zu Betreuenden inzwischen einer abnehmenden Zahl von Ehrenamtlichen gegenübersteht.“ Aber auch Meyer machte klar, wie wichtig es sei, die Herausforderungen der Integration zu meistern. Denn eine scheiternde Integration koste später Geld, wenn Menschen sich nicht selbst versorgen können, sondern mit Sozialgeldern aus den Kommunen zu versorgen seien. Daher, so der Pfälzer Beigeordnete abschließend, sei vor allem eine bessere finanzielle Unterstützung von Seiten des Landes sowie eine bessere Koordinierung der Integrationsbemühungen auf Landesebene insgesamt.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Dirk Herber, von Hause aus Polizeibeamter, erstattete einen Erfahrungsbericht aus seiner Arbeit als Mitglied des Ausschusses für Integration des rheinland-pfälzischen Landtags. Zum Thema „Sicherheit und Einwanderung“ mahnte Herber an, dass aus polizeilicher Sicht erkennbar bestehende Probleme hinsichtlich der Aufnahme einer derart großen Zahl von Flüchtlingen vielfach nicht an- oder ausgesprochen wurden. „Realitäten müssen erkannt und ohne Rücksicht auf Political Correctness besprochen werden“, mahnte der CDU-Politiker, „denn der Zusammenhang von Zuwanderung und Sicherheit ist wichtig.“

Die polizeiliche Kriminalstatistik weise für einige Deliktfelder eine Zunahme der Straftaten für die Personengruppe der Flüchtlinge und Asylsuchenden aus, jedoch seien diese Zahlen nüchtern und differenziert zu betrachten und zu analysieren. Dringend notwendig seien Maßnahmen im präventiven und integrativen Bereich, die den zu uns Kommenden entsprechend Regeln und Konsequenzen aufzeigten. „Auch die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, um der Überzahl an Straftätern aus diesem Bereich Herr zu werden, muss erwogen werden“, so Herber.

Für die Prävention von terroristischen Anschlägen müsse zudem der Identitätsmissbrauch stärker als bisher vereitelt werden. Eine weitere notwendige Maßnahme zur Bekämpfung der Zuwandererkriminalität sei, so der ehemalige Polizist, die konsequente Rückführung von Straffälligen und die Ausweisung von Gefährdern: „Hier lässt Ministerin Spiegel uns im Stich, da der gestalterische Wille fehlt“. Herbers abschließender Appell lautete daher: „Wenn die Bereitschaft zur Aufnahme in der Bürgerschaft aufrechterhalten werden soll, dann muss man Reglements und Grenzen aufzeigen und setzen.“

Wie wichtig im Zusammenhang mit gelingender Integration auch die Integration in den Arbeitsmarkt ist, erläuterte die Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Mainz. Arbeit sei die Basis für Integration, der aber die noch sehr viel grundlegendere Vermittlung der deutschen Sprache vorgeschaltet sei, so Heike Strack. Das Gros derjenigen, die zu uns kämen, sei sehr integrationswillig und habe hohe Bildungsambitionen, rund ein Viertel davon wolle gar einen akademischen Abschluss erwerben. „Dass dies nicht ohne weiteres möglich ist und viele der Vorstellungen, die an uns herangetragen werden, nicht erfüllbar sind, das ist oft nur schwer zu vermitteln“, erläutert Strack. Und mit Blick auf die tägliche Beratungstätigkeit ihrer Mitarbeiter in der Agentur für Arbeit erklärt sie weiter: „Wir zerstören hier jeden Tag Träume“. Am Fall Syriens ließe sich dies besonders gut erkennen: Noch zu Beginn des Bürgerkriegs kamen meist Akademiker, heute kommen vorwiegend bildungsferne Menschen, die überhaupt erst alphabetisiert werden müssten.

Aus diesem Grund sei gegenwärtig ein Löwenanteil der während der Flüchtlingskrise nach Deutschland gekommenen in Sprach- und Integrationskursen, deren Ziel mindestens eine Qualifikation des B1-Sprachniveaus, also eine selbständige Sprachverwendung, sei. In Rheinland-Pfalz seien dies 15.000 Menschen. „Wichtig hierbei ist die Möglichkeit, sehr schnell Folgeangebote zu ermöglichen, um die Sprachfähigkeit zu erhalten. Erfahrungsgemäß ist hierbei ein Sprachkurs gepaart mit einem Praktikum eine Konstellation mit Klebeffekt“, so Starck. Die Arbeitsmarktintegration sei zwar zeitaufwendiger als andere Aspekte der Integration, die Zeit aber sei gut genutzt: „Vor allem auch, um das demografische Gap zu schließen. Integration ist also demnach eine Herausforderung für die Gesellschaft als Ganzes“.

Die im Anschluss an die Statements der einzelnen Referenten von Walter Janson moderierte Podiumsdiskussion bot die Gelegenheit, einzelne zuvor angesprochene Aspekte zu vertiefen. Die Runde wurde durch die Polizeikommissarin im gehobenen Dienst, Verena Wilhelm, ergänzt. Die Schutzpolizistin berichtete von ihrer während der Hochphase der Flüchtlingskrise verrichteten Tätigkeit bei der rheinland-pfälzischen Bereitschaftspolizei. Hier erlebte sie vor allem in den Erstaufnahmeeinrichtungen die Austragung ethnischer Konflikte, welche die Geflüchteten aus ihren Heimatländern mitgebracht hätten. Auch den teils respektlosen Umgang mit weiblichen Beamten beschrieb sie, erklärte aber, diesem mit dem Aufzeigen klarer Grenzen und Regeln gewinnbringend begegnen zu können.

Tobias Meyer betonte noch einmal, wie dringend wichtig es sei, einen landesweiten Lösungsansatz für Problemfälle zu kreieren: „Wir benötigen dringend den politischen Willen zu einer Zentralisierung der Fälle. Derzeit geht unser Gang mehr in Richtung der Ansprache der SPD, da bei den Grünen die Ansprache auf Landesebene derzeit schwierig ist“. Heike Strack vertiefte den zweischneidigen Aspekt der Integration: „Flüchtlinge werden gleichsam Lösung und Teil des Problems des demografischen Wandels werden. Dabei ist es unabdingbar wichtig, dass die entsprechenden Qualifizierungslevels erreicht werden, um eine nachhaltige Integration zu gewährleisten.“

Zunehmend ziehe sich das Ehrenamt aus der Betreuung von Flüchtlingen zurück, vor allem auch wegen des Unverständnisses gegenüber politischen Entscheidungen, erläuterte Landrat Schartz seine Auffassung. „Daher müssen wir schnell diejenigen, die man behalten will, von denen trennen, die man abschieben will.“ Und auch gegen eine Abschaffung der Residenzpflicht sprach er sich aus: „Diese darf nicht aufgehoben werden, denn nur so können verbindliche Integrationseinheiten geschaffen werden, die Wohnauflage ist daher auch ein Schutz vor dem Abtauchen einzelnen Migranten und somit auch vor unübersehbaren Gefährdungslagen.“

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Karl-Heinz B. van Lier

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