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Das diesjährige XXIX. Jahrestreffen der lateinamerikanischen Verfassungsgerichte und -kammern in Peru

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Für drei Tage, vom 25. bis zum 27. September, erlebten wir eine der wichtigsten Veranstaltungen des Rechtsstaatsprogramms Lateinamerika der Konrad-Adenauer-Stiftung: das XXIX. Jahrestreffen der lateinamerikanischen Verfassungsgerichte und -kammern, welches dieses Jahr in Peru stattfand. Diese Veranstaltung wurde in Zusammenarbeit mit dem peruanischen Verfassungsgericht organisiert; an ihr nahmen Delegationen aus Deutschland, Guatemala, Honduras, Costa Rica, Panama, Kolumbien, Ecuador, Uruguay, Paraguay, Brasilien und Bolivien teil. In vier zentralen Podiumsdiskussionen wurden Themen wie Unternehmen und Menschenrechte, die nationale Sicherheit, Wahlgerichtsbarkeit sowie die Rolle der Künstlichen Intelligenz in der Justiz behandelt.
 

Das Programm begann mit der Vorstellung des Jahrbuchs für lateinamerikanisches Verfassungsrecht 2023, unserer jährlichen Publikation, in der sich verschiedene Expertinnen und Experten mit den dringendsten Herausforderungen und Trends für das Verfassungsrecht in der Region befassen. Hartmut Rank, Leiter des Rechtsstaatsprogramms Lateinamerika der Konrad-Adenauer-Stiftung, betonte die Bedeutung des Jahrbuchs als wichtigen Raum für Debatten und Reflexion.

Felipe Franco, Projektkoordinator, hob hervor, dass das Hauptziel dieser Publikation darin bestehe, die Verbreitung von Forschungsprozessen, die die Schnittstelle zwischen Verfassungsrecht und anderen Bereichen wie dem Strafrecht, Arbeitsrecht, Umweltrecht und weiteren Disziplinen wie der Wirtschaft zu untersuchen. Er kündigte an, dass die nächste Ausgabe sich auf das verfassungsrechtliche Verfahrensrecht, den Umweltschutz und die Rechte der Natur konzentrieren wird, und lud die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein, selbst Themen vorzuschlagen.

Im Anschluss daran fand ein Eröffnungsvortrag statt, welche sich mit juristischem Aktivismus und dessen Auswirkungen auf die Region befasste. An dieser Diskussion nahmen Carlos Enrique Arévalo, Dekan der Fakultät für Rechts- und Politikwissenschaften der Universität La Sabana (Kolumbien), Fabio Enrique Pulido Ortiz, Direktor des Doktoratsstudiengangs und der Masterstudiengänge in Verfassungsrecht derselben Fakultät, Luis Castillo Córdova, Professor für Verfassungsrecht und ehemaliger Dekan der rechtswissenschalftlichen Fakultät der Universität Piura (Peru), sowie Gustavo Gutiérrez Ticse, Richter des peruanischen Verfassungsgerichts, teil. Moderiert wurde der Vortrag von Trilce Valdivia, Professorin für Verfassungsrecht und Menschenrechte an der Fakultät für Rechts- und Politikwissenschaften der Universidad Católica San Pablo in Arequipa (Peru).

Fabio Pulido betonte, dass juristischer Aktivismus, insbesondere in den Vereinigten Staaten, in den letzten 30 Jahren ein umstrittenes Thema war. In Lateinamerika, und vor allem in Kolumbien, wird er jedoch tendenziell positiv gesehen. Trotz dieser positiven Wahrnehmung wies er darauf hin, dass es keinen eindeutigen Konsens über die Definition des Konzepts des „juristischen Aktivismus´” gibt, was die Debatte weiter erschwert. Er schloss damit, dass juristischer Aktivismus weder an sich positiv noch negativ sei, sondern sein Wert davon abhänge, wie und in welchem Kontext er angewendet wird.

Luis Castillo argumentierte, dass juristischer Aktivismus ein nützliches Instrument zur Behebung struktureller Mängel sei, insbesondere im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, vorausgesetzt, die Richterinnen und Richter nehmen eine kollaborative und schrittweise Haltung ein.

Abschließend betonte das Gremium, wie wichtig es sei, dass die Richterinnen und Richter ihre Rolle als Hüter der Verfassung wahrnehmen, ohne ihre Kompetenzen zu überschreiten. Es betonte die Notwendigkeit, Instrumente wie die Ermahnung und die Aufsicht einzusetzen, um einen ausgewogeneren und kooperativen juristischen Aktivismus zu fördern, der die Gewaltenteilung nicht gefährdet und den Zugang zur Justiz und die Rechte der Bürgerinnen und Bürger verbessern soll.

Generationenübergreifende Gerechtigkeit

Die Eröffnungskonferenz der Tagung trug den Titel „Dialog zwischen Richtern: Generationenübergreifende Gerechtigkeit und Schutz der Rechte künftiger Generationen“. In diesem Rahmen definierte Dr. Peter Frank, Richter am Bundesverfassungsgericht, generationenübergreifende Gerechtigkeit als die Garantie, dass künftige Generationen ihre Bedürfnisse mit den gleichen Möglichkeiten befriedigen können wie heutige Generationen.

In diesem Sinne umfasst der Ansatz Schlüsselbereiche wie Staatsverschuldung, Investitionen in Bildung, Infrastruktur und insbesondere Klima- und Umweltschutz. Der Richter verwies auf ein einschlägiges Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021. Dieses stellte fest, dass das Bundes-Klimaschutzgesetz zwar mit den Zielen des Pariser Abkommens übereinstimmt, aber nicht streng genug war, um die Freiheiten zukünftiger Generationen zu schützen, da der vorgeschlagene Plan das Emissionsbudget vor 2030 aufbrauchen könnte und somit stärkere Einschränkungen für zukünftige Generationen zur Folge hätte. Das Gericht entschied, dass der Staat eine positive Verpflichtung hat, einen schnellen und wirksamen Übergang zu einer klimaneutralen Produktion zu gewährleisten und dabei die Auswirkungen auf zukünftige Freiheiten zu antizipieren.

Dr. César Landa, ehemaliger Präsident des peruanischen Verfassungsgerichts, erklärte seinerseits, dass die Grundrechte nicht nur auf die heutigen Generationen beschränkt sein dürfen, sondern auch auf künftige Generationen übertragen werden müssen, da es wichtig sei, die natürlichen Ressourcen und die Umwelt zu schützen, um deren Bestand zu gewährleisten.

Landa betonte die Notwendigkeit, verfassungsrechtliche Interpretationsmethoden anzuwenden, die nicht nur rückwärtsgewandt sind, sondern einen zukunftsorientierten Ansatz verfolgen. Er verwies auf den Gedanken, dass die Rechte künftiger Generationen von den Entscheidungen abhängen, die wir heute treffen, was eine Verantwortung gegenüber der Zukunft bei der Auslegung der Rechte impliziert.

Er fügte hinzu, dass die Öffnungsklauseln der Verfassungen, die internationale Verträge einbeziehen, eine grundlegende Rolle für den Schutz künftiger Rechte spielen, da sie eine flexible Auslegung ermöglichen, die sowohl hard law als auch soft law fördert. Schließlich verband er diese Themen mit den Zielen der UN-Nachhaltigkeitsagenda (SDGs), die staatliche Verpflichtungen zur Gewährleistung nachhaltiger Entwicklung und eines wirksamen Schutzes wesentlicher natürlicher Ressourcen wie Wasser und sauberer Energie festlegen.

Der Richter Francisco Morales Saravia des peruanischen Verfassungsgerichts erklärte, dass das Prinzip der zukünftigen Generationen als nachhaltige Entwicklung betrachtet werden sollte, die von den Vereinten Nationen in den 1970er Jahren eingeführt wurde: „Das ist etwas Modernes, aber es hat schon immer existiert, denn seit es Menschen auf diesem Planeten gibt, haben sie in gewisser Weise immer an die Zukunft derer gedacht, die noch kommen (...).

Möglicherweise werden die neuen Verfassungen spezifische Regeln für die Verpflichtungen der Zukunft festlegen. Die erste Verpflichtung ist die gegenüber der Umwelt, aber sie ist nicht die einzige, wie zum Beispiel das kulturelle Erbe, das historische Erbe, das immaterielle Erbe und die alternde Weltbevölkerung. Heute leben die Menschen länger, und sie werden noch länger leben. In den nächsten 50 Jahren wird der Anteil der Menschen unter 18 Jahren der gleiche sein wie der Anteil der Menschen über 60 Jahren. Was tun wir dafür? Wie wird die Zukunft derjenigen aussehen, die heute jung sind und in Zukunft alt sein werden? "Der intergenerationale Dialog stellt eine große Herausforderung dar, bei der die Verfassungsgerichte eine entscheidende Rolle spielen, um Prinzipien und Interpretationen festzulegen, die dazu beitragen“, sagte der Richter Morales.

Die vier Hauptpanels: Unternehmen und Menschenrechte, nationale Sicherheit, Wahlgerichtsbarkeit und die Rolle der Künstlichen Intelligenz in der Justiz 

Im ersten der vier zentralen Panels des  XXIX. Jahrestreffen der lateinamerikanischen Verfassungsgerichte und -kammern diskutierten die teilnehmenden Richterinnen und Richter über den Zugang zu verfassungsrechtlichen Wiedergutmachungen in Bezug auf Unternehmen und Menschenrechte. In der ersten Runde präsentierten die Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer relevante Fälle, die in ihren jeweiligen Gerichtsbarkeiten behandelt wurden, und kamen zu dem Schluss, dass Unternehmen Verpflichtungen gegenüber der Einhaltung von Menschenrechten haben und Konsequenzen drohen sollten, wenn sie diese nicht einhalten. Einige der vorgebrachten Fälle betrafen die Entlassung einer Person mit HIV, die Regulierung von Transportunternehmen und die Einrichtung von Mautstellen. Zudem wurden die Erfahrungen der jeweiligen Länder mit der Figur der „Umkehr der Beweislast“ bei der Feststellung der Verantwortung von Unternehmen in Bezug auf Menschenrechte besprochen. 

Das zweite und dritte Panel fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. In diesen Sitzungen reflektierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Spannungen zwischen öffentlicher und privater Ordnung und wie diese unter besonders komplexen Umständen, wie etwa bei Fällen transnationaler organisierter Kriminalität, bewertet werden können. Darüber hinaus diskutierten sie über die verfassungsrechtliche Rechtsprechung im Bereich der Wahlgerichtsbarkeit und die Rolle, die die verfassungsmäßige Ordnung bei der Lösung von Wahlstreitigkeiten spielt.

Im letzten Panel erörterten die Richterinnen und Richter die Einsatzmöglichkeiten und Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Verfassungsgerichtsbarkeit und tauschten ihre Erfahrungen aus. Das Hauptpanel wurde von Carolina Villadiego, Leiterin des Lateinamerika-Teams der Internationalen Juristenkommission, moderiert.

Amaury A. Reyes, Richter am Verfassungsgericht der Dominikanischen Republik, erklärte, dass beim Einsatz von künstlicher Intelligenz eine menschliche Überprüfung wichtig ist und dass der Einsatz von KI umso mehr untersagt werden sollte, je weniger juristisches Wissen der Beamte/die Beamtin über das Thema hat, für das er oder sie künstliche Intelligenz einsetzt.

Ana María Ramos, stellvertretende Richterin des kolumbianischen Verfassungsgerichts, berichtete von den Erfahrungen des Gerichts mit dem Projekt „Pretoria“ und hob hervor, dass KI genutzt werden könnte, um den Bürgern den Zugang zur Justiz zu erleichtern, etwa durch Chatbots, die Fragen beantworten, oder zur Erstellung rechtlicher Dokumente.

Dina Josefina Ochoa, Richterin des guatemaltekischen Verfassungsgerichts, erinnerte daran, dass das Kriterium des Nicht-Ersatzes der menschlichen Vernunft ebenso beachtet werden muss wie die Pflichten der Transparenz, der Verantwortung und der Privatsphäre.

Den Abschluss des Treffens bildete eine Gesprächsrunde zu den Herausforderungen und Bedrohungen der Verfassungsgerichtsbarkeit. An diesem Austausch, welcher von Felipe Franco moderiert wurde, nahmen Luz Imelda Pacheco Zerga, Präsidentin des peruanischen Verfassungsgerichts und Hartmut Rank teil.
 

Vielen Dank, dass Sie an diesem großartigen Event teilgenommen haben! Wir freuen uns, dass wir im nächsten Jahr das 30. Treffens der Verfassungsgerichte und -kammern Lateinamerikas feiern werden – ein Jubiläum, das, wie Hartmut Rank sagte, ein Beweis für das fortwährende Engagement der KAS zur Stärkung der Verfassungsgerichtsbarkeit und zur Förderung eines starken Rechtsstaats in Lateinamerika ist.

Weitere Informationen zu der Veranstaltung finden Sie auf der Webseite: www.kas-encuentrotribunales.com

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