Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. November 2021 (101/2021) fasst den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. November 2021 (Az.: 1 BvR 781/21, 1 BvR 889/21, 1 BvR 860/21, 1 BvR 854/21, 1 BvR 820/21, 1 BvR 805/21, 1 BvR 798/21) zusammen. Der Beschluss beschäftigt sich mit den äußerst umstrittenen Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im Rahmen der COVID-Gesetzgebung, der Bundesnotbremse. Viele hatten dagegen in Deutschland protestiert, die Verhältnismäßigkeit wurde allseits diskutiert. Das Bundesverfassungsgericht wies die Verfassungsbeschwerden allesamt zurück – und schreibt gleich zu Beginn der Pressemitteilung:
„Die beanstandeten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen waren Bestandteile eines Schutzkonzepts des Gesetzgebers. Dieses diente in seiner Gesamtheit dem Lebens- und Gesundheitsschutz sowie der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems als überragend wichtigen Gemeinwohlbelangen. Die Maßnahmen griffen allerdings in erheblicher Weise in verschiedene Grundrechte ein. Das Bundesverfassungsgericht hat die Maßnahmen anhand der allgemein für sämtliche mit Grundrechtseingriffen verbundenen Gesetze geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen geprüft. Danach waren die hier zu beurteilenden Kontakt- und selbst die Ausgangsbeschränkungen in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie mit dem Grundgesetz vereinbar; insbesondere waren sie trotz des Eingriffsgewichts verhältnismäßig.“
Ob der Relevanz der Pandemie für alle Länder weltweit haben wir uns entschieden, die Presseerklärung ins Arabische zu übersetzen.
Anbei finden Sie den Link zur offiziellen Webseite des BVerfG.
Über diese Reihe
Überwindung der Sprachbarrieren im Rechtsbereich
Die Rechtsstaatlichkeit war dem Grunde nach schon seit jeher, insbesondere jedoch seit den Volksaufständen von 2011, die zur Reform von Institutionen in mehreren Ländern der Region wie Tunesien, Ägypten, Jemen und Libyen führten, ein wichtiges Thema in der arabischen Welt. Gesetze und Urteile geben die Normen vor, nach denen sich die Gesellschaft zu richten hat. In vielen Ländern der Region werden jedoch zahlreiche Gesetze nicht oder nur selektiv umgesetzt oder sind gar nicht umsetzbar. Parallel zum langsamen sozioökonomischen Wachstum, mit dem diese Länder insbesondere aufgrund der anhaltenden Krise in der gesamten Region konfrontiert sind, haben sich die Gesellschaften in der Region Naher Osten & Nordafrika bis zu einem gewissen Grad immer noch nicht an die Bedeutung von Gesetzen und Regeln für die Organisation ihrer Gesellschaften gewöhnt.
Aufgrund der dunklen NS-Vergangenheit Deutschlands hat das Grundgesetz von 1949 einen hohen Stellenwert in der Bevölkerung, die es als Zeichen des Nationalstolzes betrachtet. Die Mitglieder des Verfassungsrates, die das Grundgesetz erarbeiteten, formulierten darin die wesentlichen Lehren für den Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates, der die Menschenwürde gegen alle denkbaren künftigen Bedrohungen schützt. Das Grundgesetz schuf einen rechtlichen Rahmen für eine stabile und nachhaltige Demokratie und verpflichtete Exekutive, Legislative und Judikative, sich an diese Regeln und das Prinzip der Gewaltenteilung zu halten. Im Laufe der Zeit haben Gesetze und Rechtsprechung diesen Rahmen gefestigt und konkretisiert, in dem die Gesellschaft und die öffentlichen Institutionen gleichzeitig zusammenarbeiten, um die Rechte des Einzelnen zu wahren.
In den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas haben sich das Recht und die Rechtssysteme stetig weiterentwickelt, wobei das Ergebnis eine Mischung aus westlichen, „modernen“ Elementen und teilweise beibehaltenen traditionellen Werten ist. Westliche Rechtsmethoden haben bei der Modernisierung der Gerichts- und Rechtspraxis und für die Verbreitung der Demokratie in der Region einen wichtigen Beitrag geleistet. Im Rahmen dieser Reihe übersetzt das Rechtsstaatsprogramm Naher Osten & Nordafrika Gerichtsentscheidungen und Gesetze aus dem Deutschen ins Arabische. Hierdurch werden junge Wissenschaftler in die Lage versetzt, die Bedeutung der gesetzgeberischen und gerichtlichen Arbeit für die Entwicklung eines nachhaltigen demokratischen Systems zu untersuchen.
Beirut, 2023; von Philipp Bremer, Ahmad Jenzarli und Claudia Heinthaler
Philipp Bremer
Leiter des Rechtsstaatsprogramms Naher Osten und Nordafrika