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Länderberichte

Camelia Bogdan v. Rumänien: ein Fall willkürlicher Suspendierung einer Richterin

von Hartmut Rank, Stanislav Splavnic

EGMR urteilt: es bestand kein Rechtsmittel für Camelia Bogdan, die in Rumänien vom Richteramt suspendiert wurde

Der Fall der rumänischen Richterin „Camelia Bogdan v. Rumänien“ stellt eine weitere Etappe der Rechtsstreitigkeiten von Vertretern der rumänischen Justiz vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) dar. Dies steht im Kontext der Auseinandersetzungen der rumänischen Richterschaft mit der bis 2019 regierenden sozialdemokratisch geführten Koalition. Camelia Bogdan (die Beschwerdeführerin) wurde aus zweifelhaften Gründen vorübergehend von ihrem Amt suspendiert, ohne den entsprechenden Beschluss effektiv anfechten zu können. Dies ist nach einer Entscheidung des EGMR vom Oktober 2020 rechtswidrig. Verletzt wurde das Recht auf ein faires Verfahren (Artikel 6 Abs. 1 EMRK).

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Hintergrund der Suspendierung vom Richteramt

Die Beschwerdeführerin ist eine Bukarester Richterin, die im Rahmen ihrer Tätigkeit unter anderem im Jahr 2014 den rumänischen Politiker und Geschäftsmann Dan Voiculescu wegen Betrugs und Geldwäsche zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilte.

Im Jahr 2017 (übrigens dem gleichen Jahr, in welchem Voiculescu nach Verbüßen von weniger als drei Jahren seiner zehnjährigen Haftstrafe vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wurde) ist die Richterin Bogdan von ihrem Amt vorläufig suspendiert worden. Als Grund für diese Maßnahme wurde ihre Teilnahme als Expertin (gegen Zahlung eines Honorars) an einem Training für das rumänische Landwirtschaftsministerium im Jahr 2014 genannt. Dieser Experteneinsatz war ihr zuvor von ihrem Gerichtspräsidenten genehmigt worden. Eine entgeltliche Beratungstätigkeit war nach dem damals geltenden Richterrecht unzulässig. Später urteilte dieselbe Richterin in einer Rechtssache, an der das Ministerium als Partei beteiligt war.

Daraufhin begann die Justizinspektion 2016 ein Disziplinarverfahren gegen Richterin Bogdan. Als problematisch empfand die Justizinspektion, dass die gleiche Abteilung des Ministeriums der Beschwerdeführerin als Expertin ein Honorar gezahlt und später Partei in einem von ihr geleiteten Gerichtsverfahren gewesen ist. Nach Auffassung der Justizinspektion hätte die Richterin in Ausstand treten sollen, wobei ihre Abwesenheit am Arbeitsplatz während des Trainings „ungerechtfertigt“ war. Frau Bogdan versuchte erfolglos gegen das Disziplinarverfahren vorzugehen, mit der Begründung, dass das fragliche Training eine (zulässige) Bildungstätigkeit darstelle. Aufgrund des Beschlusses der Justizinspektion entschied der rumänische Oberste Rat der Magistratur (in der Folge „Oberster Justizrat“), die Beschwerdeführerin von ihrem Amt zu suspendieren.

Die Suspendierung dauerte vom 21. März bis 13. Dezember 2017. Dementsprechend wurde auch ihre Besoldung eingestellt. In einem von Richterin Bogdan angestrengten Verfahren urteilte das Oberste Gericht Rumäniens, die Suspendierung abzubrechen und die Richterin in das 400 km von Bukarest entfernte Berufungsgericht Târgu-Mureș (Neumarkt am Mieresch) zu versetzen. Das rumänische Verfassungsgericht teilte im verbundenen Verfahren die Ansichten des Obersten Justizrates, nämlich, dass die Leistungen gegen Vergütung ein Beratungsgeschäft darstellten, das im Falle der Beschwerdeführerin mit ihrer richterlichen Funktion unvereinbar war. Sie habe die richterliche Sorgfaltspflicht verletzt.

Was die schon angesprochene Einwilligung zu Frau Bogdans Teilnahme als Expertin am Training angeht, habe der Gerichtspräsident Medien zufolge über die Vergütung nichts gewusst. Daraufhin wurde die Beschwerdeführerin in einer Reihe von Medienberichten angegriffen, bevor das Bukarester Gericht eine offizielle Pressemitteilung veröffentlichte. Ihr wurden, laut Medienberichten, Korruption und Geldwäsche unterstellt. Der Justizrat weigerte sich, dazu Stellung zu nehmen.

Die Beschwerdeführerin rügte daraufhin im Verfahren vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg eine Verletzung (1) des Rechts auf einen fairen Prozess und (2) des Persönlichkeitsrechts. Im Wesentlichen handelt es sich dabei erstens um fehlende gerichtliche Verfahren in Disziplinarverfahren, nämlich, dass die Betroffene keinen effektiven Zugang zu einem Gericht hatte. Zweitens habe Frau Bogdan nach heftigen medialen Berichterstattung Reputationsverluste erlitten, die auf nationaler Ebene nicht behoben werden könnten.  

Zur ersten Frage hatte sich das rumänische Verfassungsgericht schon vor dem am 20. Oktober 2020 ergangenen EGMR-Urteil zugunsten der Beschwerdeführerin geäußert: das Parlament habe versäumt, ein Rechtsmittel gegen die Disziplinarmaßnahme der vorläufigen Suspendierung von Richtern bereitzustellen. Eine gerichtliche Überprüfung war damit ausgeschlossen. Zwar konnte der jeweilige Richter die entsprechende Maßnahme einmal anfechten, die 2017 geltende Rechtslage aber bot aber kein wirksames Mittel, sondern nur die Illusion eines Rechtsmittels.

Den vollständigen Länderbericht zum Fall der rumänischen Richterin „Camelia Bogdan v. Rumänien“ können Sie als PDF herunterladen.

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Dr. Pavel Usvatov

Dr. Pavel Usvatov

Leiter des Rechtsstaatsprogramms Südosteuropa

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12. Mai 2020
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