Veranstaltungsberichte
Mit der Ernennung einer Technokratenregierung unter Führung des ehemaligen EU-Kommissars Dacian Ciolos im November 2015 fand die politische Dauerkrise in Rumänien, die infolge einer Brandkatastrophe und anschließender Großdemonstrationen einen Höhepunkt erreicht hatte, zunächst ein Ende. Ferner bot der Rücktritt des wegen Korruptionsverdachts strafverfolgten sozialdemokratischen Premierministers Victor Ponta dem im November 2014 gewählten deutschstämmigen Staatsoberhaupt Klaus Iohannis die Möglichkeit, eine produktive Kooperation zwischen Präsidialamt und Kabinett aufzubauen und somit die gut zehn Monate währende „Kohabitation“ zu überwinden.
Gleichwohl zeichnet sich nun die Chance für die politischen Parteien in Rumänien ab, sich inhaltlich und personell im Vorfeld der anstehenden Kommunal- und Parlamentswahlen (Juni bzw. Herbst 2016) neu aufzustellen. Über diese Herausforderungen sprachen im Rahmen einer Kooperationsveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Deutsch-Rumänischen Gesellschaft Sven-Joachim Irmer, Leiter des Auslandsbüros Rumänien und Republik Moldau der KAS, und Tanase Stamule, Dozent der Wirtschaftsakademie Bukarest.
Sven-Joachim Irmer betonte, dass sich bereits mit der Wahl von Klaus Iohannis ein neuer Politikstil in Rumänien behaupten konnte. Iohannis habe sich zum Ziel gesetzt, das Vertrauen der Bevölkerung in die in Verruf geratene politische Elite wieder herzustellen. Es sei eine Öffnung des Staatsoberhauptes gegenüber berechtigten Forderungen aus der Zivilgesellschaft zu verzeichnen, die erstmals auch bei der Regierungsbildung vom Präsidenten angehört wurde und die Gelegenheit erhielt, konstruktive Policy-Vorschläge auf höchster Ebene zu unterbreiten.
Iohannis habe zudem im Laufe des Jahres mehrfach seine Unterstützung für die intensivierte Bekämpfung der Korruption signalisiert und vor allem die Haltung des Parlaments kritisiert, das sich mehrfach als „Schutzschild“ für hochrangige Amtsträger herausgestellt habe. Trotz der Verweigerung der Legislative, der Aufhebung der strafrechtlichen Immunität von Spitzenpolitikern zuzustimmen, sei es der Nationalen Antikorruptionsbehörde (DNA) gelungen, Erfolge gegen ehemalige Minister oder Abgeordnete aller Parteien zu erzielen.
Irmer unterstrich jedoch, dass mit den Antikorruptionsbestrebungen nur ein Teil der Erwartungen der rumänischen Bevölkerung erfüllt worden sei. Die Technokratenregierung sei eine vorläufige Lösung, die aber flankiert werden müsse von einer Modernisierung und Neuaufstellung der politischen Parteien in Rumänien. Insbesondere das bürgerliche Spektrum sei gefordert, den 2014 erfolgten Zusammenschluss zwischen Liberalen und Liberal-Demokraten, die sich nun in der Nationalliberalen Partei (PNL) zusammengefunden haben, in politisches Kapital umzuschlagen. Dies sei nur möglich, wenn die Partei neben der organisatorischen Erneuerung auch in der inhaltlichen Arbeit aktiver werde, um ein kohärentes Profil und Programm den Wählern zu bieten. Neben der Herausforderung, der insbesondere in der rezenten Vergangenheit mit „Wahlgeschenken“ in Form von Erhöhungen von Gehältern und Renten punktierenden Sozialdemokratischen Partei (PSD) eine Alternative zu bieten, müsse die PNL auch eine programmatische Antwort auf den zunehmend rechtskonservativen Diskurs der Partei des ehemaligen Präsidenten Traian Basescu, der Volksbewegung (MP), vorlegen.
Über die Wirtschaftslage referierte Tanase Stamule von der Wirtschaftsakademie Bukarest. Er ging sowohl auf die neue Steuergesetzgebung ein, die Erleichterung für Unternehmer vorsehe, wie auch auf die langfristigen Perspektiven des Finanz- und Wirtschaftssektors ein. Anschließend fand eine lebhafte Fragerunde unter der Moderation von Marianne Theil, Vorstandsmitglied der Deutsch-Rumänischen Gesellschaft, statt.