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Veranstaltungsberichte

"25 Jahre Friedliche Revolution - 25 Jahre Mauerfall

Zeitzeugengespräch

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Da haben die Gäste der Veranstaltung des Bildungsforums Saarland am Abend des 14. Oktober nochmal Glück gehabt. Die Adenauer Stiftung lud zum Zeitzeugengespräch zur friedlichen Revolution im Jahr 1989 und der resultierenden Wiedervereinigung mit den Gästen Dr. Sabine Bergmann-Pohl und Werner Schreiber.

Treffend stellte Moderator Axel Buchholz, ehemaliger Chefredakteur des Hörfunks des Saarländischen Rundfunks und Dozent für Journalismus an der Universität Mainz, schon zu Beginn fest, dass „ein Hauch von Geschichte anweht“, wenn man den beiden Zeitzeugen gegenüber sitzt. Die über 80 aufmerksamen Gäste des Bildungsforums hatten insofern Glück, da Frau Dr. Bergmann-Pohl schon zu Beginn scherzte, dass sie nach 25 Jahren aufhören würde ihre persönliche Wahrnehmung der historischen Ereignisse zu schildern. Sollte es die letzte Möglichkeit gewesen sein, ihrer spannenden Lebensgeschichte folgen zu können?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (*1946) wurde in Eisenach geboren und wuchs als Tochter eines Arztes unweit des Stasigefängnisses Hohenschönhausen in Ostberlin auf. Das erste Mal, dass sich bei ihr Zweifel am Regime der DDR regten, war als sie mit dem Ziel in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten, aufgrund der geltenden 60/40-Regel (Arbeiterklasse / Intelligenzija) keinen Studienplatz für Medizin zugesagt bekam. Dennoch, nachdem sie zwei Jahre ein Praktikum in der Gerichtsmedizin absolvierte, war es für Bergmann-Pohl möglich ihr Medizinstudium zu beginnen und abzuschließen. Daraufhin praktizierte sie in Ostberlin als Lungenärztin mit Berlinweiter Verantwortlichkeit.

Werner Schreiber (*1941, Saarbrücken) kann auf eine eindrucksvolle politische Karriere zurückblicken. Nach dem erfolgreichen Studium der Sozialarbeit wurde er 1975 Landtagsabgeordneter des Saarlandes und von 1983 – 1990 Mitglied des Deutschen Bundestages. Nach der Wiedervereinigung wurde er erster Minister für Arbeit und Soziales im Land Sachsen-Anhalt.

Während Herrn Schreibers Vita darauf schließen lässt, dass er im politischen Prozess rund um die friedliche Revolution mitgewirkt haben könnte, stellt sich die Frage, wie Frau Dr. Bergmann-Pohl dazu kam, das letzte Staatsoberhaupt der DDR zu werden und entscheidend an den politischen Weichenstellungen, die zur Wiedervereinigung führten, mitzuwirken. Als ärztliche Direktorin der Bezirksstelle für Lungenkrankheiten und Tuberkulose in Ostberlin und der resultierenden Verantwortlichkeit, war es nur eine Frage der Zeit bis die SED Frau Dr. Bergmann-Pohl als Mitglied werben würde. Da sie allerdings dem System sehr kritische gegenüberstand lehnte sie ab und wurde 1981 Mitglied der Blockpartei CDU und engagierte sich in der Basis, die jedoch gleichwohl von Stasimitarbeitern durchsetzt war. Folglich musste Frau Dr. Bergmann-Pohl auch bei der Parteiarbeit darauf achten, was sie laut sagen und was sie lieber für sich behält. Die Antwort auf die Frage zu ihrer Position zum politischen System beschreibt die Situation äußerst treffend: „Wir lebten mit innerem Widerstand, bei äußerer versuchter Anpassung.“

Werner Schreiber suchte während seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter Kontakte zur Opposition in der DDR und reiste zu Diskussionen mit der Eppelmann-Gruppe nach Ostberlin. Schreiber musste überraschend feststellen, dass die Widerstandsgruppe in der DDR nicht ausnahmslos eine Wiedervereinigung anstrebte, sondern unter anderem auch eine DDR ohne Sozialismus. Ein darauffolgender Auftritt in den Westmedien bescherte ihm ein Einreiseverbot. Dennoch schaffte er es in darauffolgenden Jahren über Umwege wieder nach Ostdeutschland, allerdings nur unter strenger Bewachung.

Die wohl aufregendste Zeit für die beiden Zeitzeugen begann mit den Demonstrationen in Leipzig und weiteren Teilen der DDR. Drau Dr. Bergmann-Pohl beschreibt die Zeit als „eine Reihe von Gefühlswechselbädern“. Trotz ständiger Angst vor Eskalation ahnte Frau Dr. Bergmann-Pohl, „dass ein Schritt hin zur Demokratie kommt, aber keiner rechnete mit der Wiedervereinigung“. Gott sei Dank, bliebe eine Eskalation der Lage aus und es kam zur historischen Pressekonferenz von Günter Schabowski am neunten November 1989, in der den Bürgern der DDR die Ausreise nach Westdeutschland gestattet wurde. Beide Zeitzeugen erinnern sich noch sehr gut daran, wie und wo sie dieses bahnbrechende Ereignis erlebten.

Herr Schreiber war auf einer Veranstaltung in Trier und wollte seinem Fahrer, der ihn über die Ereignisse in Kenntnis setzte zunächst nicht glauben. Nachdem sich die Information durch das Radio bestätigte, schossen ihm die Tränen in die Augen. Aufgrund seiner bestehenden Kontakte zur Eppelmann-Gruppe machte er sich kurz darauf auf nach Berlin zur Weichenstellung, immer mit der Überzeugung, dass die Zusammenführung von Ost und West von äußerster Wichtigkeit ist. Frau Dr. Bergmann-Pohl dagegen sah die Pressekonferenz und freute sich zunächst, dass sie Weihnachten zusammen mit ihren in Westdeutschland lebenden Verwandten verbringen können würde. Die Öffnung der Mauer am Abend verschliefen sie und ihr Ehemann und als ihr Sohn ihr mitteilte, dass Oma in der Nacht angerufen habe und sagte „Die Mauer ist auf“, kommentierte sie es mit „Oma spinnt“. Als sie dann doch realisierte, dass Oma wohl nicht spinnt, wurde der Rucksack gepackt und es ging zum Feiern in die Bornholmer Straße. Die Tatsache, dass „man uns vor ein paar Monaten hier vielleicht noch erschossen hätte“, löste Fassungslosigkeit in ihr aus.

Dennoch bis zu diesem Zeitpunkt wusste niemand, wie es politisch weitergehen sollte. Die freie Volkskammerwahl am 18. März 1990 sollte eine wegweisende sein für Frau. Dr. Bergmann-Pohl. Zwar war sie sehr interessiert an der zukünftigen Entwicklung, wollte aber eigentlich weiterhin ihren Job als Ärztin weiterführen. „Es kamen Leute zusammen, die sich kaum kennen und üben Demokratie“, so beschreibt Dr. Bergmann-Pohl die Kandidatenfindung für die Volkskammerwahl. Die Anfrage der Ost-CDU, ob sie denn als Kandidatin für das Amt der Volkskammerpräsidentin antreten möge, lehnte sie zunächst ab. Erst nach Überzeugungsarbeit der West-CDU ließ sie sich überreden. Und so kam es, dass Frau Dr. Bergmann-Pohl über Nacht zur Volkskammerpräsidentin und damit einhergehend zur Staatschefin der DDR wurde.

Im darauffolgenden Teil der Veranstaltung beschrieb sie, wie es in den nächsten

Monaten zum Beitrittsbeschluss zur BRD kam. Lauscht man, wie aufwendig und heikel

die Sondierungen zwischen allen Parteien abliefen, so kann man glauben, dass

es so schnell zum Beitritt der DDR zur BRD und somit zur Wiedervereinigung

Deutschlands kam. Als die Entscheidung zum Beitritt um halb drei in der Nacht von der

Volkskammer abgesegnet wurde, verspürte die Präsidentin unglaubliche Erleichterung.

Zum Abschluss an die detaillierte und lebendige Schilderung der Ereignisse um die

Jahre 1989 und 1990 folgte noch eine offene Fragerunde, in der die Zuhörer unter

anderem daran interessiert waren, wie die Bevölkerung den Wechsel der Systeme

wahrnahm und verkraftete und auch wie der Solidaritätszuschlag in Zukunft gehandhabt

werden soll.

Am Ende sind sich beide Zeitzeugen einig, dass weiterhin vorhandene Barrieren in den

Köpfen abgebaut werden müssen und das ständige Vergleichen der alten mit den

neuen Bundesländern zu nichts führe. Stattdessen sollte man sich um regionale Probleme kümmern, die es sowohl in West als auch in Ost gibt.

Abschließend und im Angesicht der jüngsten Spannungen zwischen dem Westen und

Russland, kommt auch Frau Dr. Bergmann-Pohl doch zu dem Schluss, dass die jüngere Geschichte Deutschlands weitergetragen werden muss und somit auch sie nach 25 Jahren nicht aufhören wird diese Erlebnisse zu schildern. Es wird wohl nicht das letzte

Mal gewesen sein.

Jan Wagner

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Kontakt

Helga Bossung-Wagner M.A.

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