Veranstaltungsberichte
Es ist noch früh an diesem Sonntagmorgen, als rund 200 Interessierte den Weg ins Saarbrücker Schloss gefunden haben. Sie alle wollen hören, wie es um die Zukunft Frankreichs nach den Wahlen bestellt ist – so jedenfalls der erwartungsvolle Titel der Diskussionsrunde. Diesem Titel voraus geht der Ausruf „Allez les Bleus“, ursprünglich stammend aus der Französischen Revolution, heute Schlachtruf der Anhänger der französischen Nationalmannschaft „Equipe Tricolore“. Ganz ähnlichen Klang hat der Name einer neuen politischen Bewegung in Frankreich nach den letzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen: „La République en Marche“. So nennt sich die Partei des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron selbstbewusst. „Die Republik in Bewegung“ lautet die etwas sperrige deutsche Übersetzung. Worin besteht dieses propagierte Vorwärtskommen? Klarheit schaffen sollte eine deutsch-französisch besetzte Runde auf dem Podium. Zur Einstimmung lauschten die Gäste aber zunächst dem Chansonier Wolfgang Winkler. Er besang „Schulze Kathrin“ – so wird sie jedenfalls landläufig genannt. Dahinter steckt Katharine Weißgerber, die im Deutsch-Französischen Krieg verwundete Soldaten der beiden verfeindeten Armeen versorgte. Durch dieses Chanson wurde die schwierige Vergangenheit beider Länder deutlich, ohne jedoch die Verbindungen, die schon immer über die Grenzen hinweg bestanden, aus dem Auge zu verlieren.
Die Podiumsdiskussion wurde von Lisa Huth, Journalistin beim Saarländischen Rundfunk, moderiert. Stephan Toscani, saarländischer Minister für Finanzen und Europa, zeigte sich sehr optimistisch über den Ausgang der letzten Wahlen in Frankreich. „Die Regierung um Emmanuel Macron ist Deutschland sehr zugewandt. Dies sollten wir als Chance für Europa, die deutsch-französische Freundschaft und das Saarland mit seinen Nachbarregionen verstehen.“ Die von Macron aufgezeigte europäische Vision solle von deutscher Seite nicht unbeantwortet bleiben, sondern er erhoffe sich ebenso ambitionierte Ideen diesseits der Grenze. Wie die Verständigung über die deutsch-französische Grenze auf kurzem Weg funktioniert, zeigt Dr. Christophe Arend, Abgeordneter in der französischen Nationalversammlung, auf humorvolle Art. Der Forbacher Politiker von „La République en Marche“ entschuldigte sich für sein (nur) seiner Meinung nach schlechtes Deutsch und meinte, notfalls würde er einfach auf Dialekt antworten. Das verstünden sowohl Lothringer als auch Saarländer gleichermaßen. Hierauf musste er nicht zurückgreifen, der Franzose zeigte, dass das Beherrschen beider Sprachen eine Bereicherung für das Zusammenleben und Zusammenwachsen der Grenzregionen ist. „Was in Frankreich im vergangenen Jahr passiert ist, ist nicht weniger als eine parteipolitische Revolution“, so Dr. Nino Galetti, Leiter des Auslandsbüros Frankreich der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Paris. Häufig müssten Kontakte zu den neuen Akteuren erst noch geknüpft werden. Die Partei des Staatspräsidenten lasse sich nicht so einfach in das in Frankreich in der Vergangenheit doch recht starre Links-Rechts-Schema einordnen. Vor diesem Hintergrund erklärt Minister Toscani, warum diese Partei sowohl den Staatspräsidenten als auch die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung stellt. Die konservativen „Les Républicains“ seien nach rechts, die „Parti Socialiste“ nach links gerückt und hätten in der Mitte breiten Raum dem europafreundlichen Macron gelassen, den dieser geschickt gefüllt hätte. „La République en Marche“ sei eine Partei aus der Mitte der Gesellschaft, so der Abgeordnete Dr. Arend.
In ihr engagierten sich Menschen aller Berufe und Bevölkerungsschichten. Sie sei nah an den Menschen und setze auf Pragmatismus statt Idealismus. So wolle man sich Ideen aller politischen Strömungen zunutze machen, wenn sie denn gut seien. Was gut für Frankreich ist, liegt in den Händen aller Franzosen. Lisa Huth versuchte noch mit folgendem Satz zu provozieren: „Es wäre alles so einfach, wenn die Deutschen ein bisschen so wären wie die Franzosen und die Franzosen ein bisschen so wären wie wir.“ Diesem Satz folgte sogleich ein „Ja, aber...“ der Podiumsteilnehmer. Man solle doch tunlichst vermeiden, aus deutscher Sicht mit dem erhobenen Zeigefinger den Franzosen zu erklären, wie wirtschaftlicher Erfolg funktioniert. Und so fasste es auch Rafael Wolter, Student des deutschen sowie französischen Rechts und Teilnehmer an der Veranstaltung nach der Podiumsdiskussion zusammen: „Es ist wichtig, dass man die positiven Eigenschaften des jeweils Anderen erkennt und gemeinsam offen an Lösungen arbeitet, ohne die unterschiedlichen kulturellen Identitäten außer Acht zu lassen.“ Die kulturelle Vielfalt Europas bietet die Chance, in Unterschiedlichkeit geeint zu sein.