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Länderberichte

Ein Jahr Regierung Cvetkovic: EU ist näher gerückt – die Krise auch

von Claudia Crawford
Seit einem Jahr ist die Regierung unter Mirko Cvetkovic (Demokratische Partei – DS) im Amt. Der Ministerpräsident wies auf Erfolge in zwei Prioritäten aus dem Regierungsprogramm: bezüglich der EU-Integration Serbien und im Kampf um das Kosovo. Unter den Umständen der globalen Finanzkrise sei ebenfalls effizient gearbeitet und das Notwendigste getan worden. Diese positive Einschätzung mag nicht von jedem geteilt werden.

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Nur wenige Minister nimmt man wahr. Das heißt, nur wenige haben sich profiliert und arbeiten sichtbar effektiv. Das spricht aber auch für eine relative Stabilität und weitestgehend skandalfreies Regieren. Cvetkovic selbst agiert als Technokrat und nicht als Politiker. Er ist loyal zum Präsidenten Tadic und hat ganz offensichtlich keine eigenen Ambitionen, eine politische Rolle zu spielen.

Das konzentrierte Arbeiten an der Sache hat seine Vorteile. Die Bemühungen einer besseren Zusammenarbeit mit dem internationalen Kriegsverbrechertribunal und Fortschritte bei der EU-Annäherung sind sichtbar. Der voraussichtliche Wegfall der Visapflicht ab 2010 ist ein deutliches Zeichen. Cvetkovic verbucht ebenfalls als Erfolg, dass weitere Anerkennungen der Unabhängigkeit Kosovos nur schleppend erfolgten und dass es nun dem Internationalen Gerichtshof obliegt zu begutachten, ob die Anerkennungen mit dem Völkerrecht vereinbar waren. Die Wirtschaftskrise zwang die Regierung, ihre Prioritäten neu zu formulieren. Statt den Lebensstandard der Bevölkerung zu steigern, ginge es jetzt darum, eine Verschlechterung zu verhindern. Reformen wurden deshalb lieber nicht in Angriff genommen.

Noch im Oktober 2008, als die Finanzkrise schon längst die Diskussionen in Amerika und Europa beherrschte, wurde seitens der Regierung der Eindruck vermittelt, dass Serbien von ihr kaum betroffen sein wird. Für diesen Optimismus gab es einige Gründe. Die strikten und unpopulären Auflagen der kompetent geführten Nationalbank Serbiens verhinderten, dass sich serbische Banken an den Spekulationsspielen auf internationalen Finanzplätzen beteiligten. Die Währungsreserven waren mit rund 10 Mrd. Euro im September 2008 solide, der Dinar hatte an Stärke gewonnen.

Übersehen hatte man, dass ausländische Kredite nur noch schwer zu bekommen sein würden und die Investitionszurückhaltung von Unternehmen gleichermaßen Serbien träfe. Von beidem hängt das Land in hohem Maße ab. Zudem kommen die eigenen strukturellen Probleme in Krisenzeiten besonders zum Tragen.

Die wirtschaftliche Entwicklung Serbiens ist seit Anfang des Jahres durch schnell schrumpfende Steuereinnahmen und einen rückläufigen Außenhandel, die Abnahme ausländischer Direktinvestitionen und eine geringe Kreditvergabe geprägt. Der Wert des Dinars verlor im Vergleich zu August 2008 rund 22%. Das erwartete Wachstum für 2009 korrigierte die Regierung von ca. 7% auf -2%. Im Zeitraum Januar-März 2009 betrug es -3,5% . Schmerzliche Folgen dieser Entwicklung sind wachsende Arbeitslosigkeit und Armut, vor allem der ländlichen Bevölkerung.

Investitionen, welche in der Vergangenheit zu den wichtigsten Wachstumstreibern gehörten, werden nach Schätzungen der Regierung dieses Jahr um 4,1% zurückgehen. Vor allem die dringend notwendigen ausländischen Direktinvestitionen (FDI) erleben einen Einbruch. Noch rechnet die serbische Regierung optimistisch mit FDI von durchschnittlich 2,2 Mrd. Euro jährlich für den Zeitraum von 2009 – 2011. Gesetzt wird dabei auf die Liberalisierung des Telekommunikationssektors und die noch zu privatisierenden Staatsunternehmen. Gegenüber früheren Schätzungen ist dies allerdings ein Rückgang um etwa die Hälfte.

Auch der serbische Außenhandel ist stark betroffen, da die meisten Handelspartner mit der Krise zu kämpfen haben. Die Regierung rechnet mit ca. 4,8% sinkenden Exportaufträgen. Der Rückgang von Januar bis Mai betrug allerdings rund 25%. Der Import ist gleichermaßen von der negativen Entwicklung getroffen. Die einseitige Anwendung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit der EU seitens Serbiens könnte dabei jedoch eine dämpfende Wirkung entfalten und durch billigere Einfuhren die Nachfrage steigern und nicht zuletzt das Investitionsklima verbessern.

Maßnahmen seitens der Regierung, um der Krise entgegenzuwirken, kamen und kommen immer noch zögerlich. Reformen im strukturellen Bereich sind oft unpopulär und bringen erst mittelfristig Einsparungen. Dazu gehören beispielsweise der Personalabbau in den Ministerien und Behörden und die Reform der sozialen Sicherungssysteme. Kurzfristig bedeuten Maßnahmen in diesen Bereichen sogar Kaufkraftentzug – ebenfalls nicht förderlich, um die Konjunktur am Leben zu erhalten. Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist auch so schon dramatisch. Monatlich haben 10.000 Beschäftigte ihre Arbeit durch die Wirtschaftskrise verloren. Mittlerweile sind rund 768.000 (Stand Ende Mai) Menschen ohne Arbeit und ab Mitte des Jahres könnten monatlich noch mehr Menschen ihren Job verlieren. Dies verschärft ein schwerwiegendes Problem, das Serbien auch unabhängig von der Krise aufgrund seiner ungünstigen Demographie zu stemmen hat: die ca. 2,5 Millionen abgabenpflichtigen Erwerbstätigen müssen für ca. 5 Millionen Arbeitslose, Rentner und Kinder aufkommen.

Die wichtigste Maßnahme, die Serbien bislang getroffen hat, ist die Subvention von Krediten. Durch Firmen- und Verbraucherkredite soll die Binnennachfrage gestärkt, aber vor allem die Liquidität von Unternehmen und die Handlungsfähigkeit der Exportfirmen erhalten werden. Die Regierung versucht, mit 3 Mrd. Dinar aus dem Staatshaushalt, sowie mit Garantien für Investitionskredite und Darlehen ausländischer Finanzunternehmen bzw. Regierungen eine zusätzliche Liquidität von 122 Mrd. Dinar für die Wirtschaft zu erlangen. Allerdings agieren die serbischen Banken trotz all der staatlichen Unterstützung weiterhin sehr zögerlich.

Um dem negativen Trend auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken, gibt der serbische Staat weitere 3 Mrd. Dinar für öffentliche Tätigkeiten, Umschulungen, Zuschüsse für Stellenschaffungen bzw. für Selbständigkeit und umfassende Fortbildungen (IT, Sprachen) aus.

Darüber hinaus sollen in den nächsten 4 Jahren 4 Mrd. Euro für Infrastrukturmaßnahmen bereitgestellt werden. Wichtige Maßnahmen sind der Weiterbau der Autobahn und der Neubau einer Eisenbahnlinie entlang des sogenannten „Korridor 10“, der eine Verbindung von der ungarischen zur bulgarischen Grenze schafft.

Der Haken bei allen diesen Maßnahmen ist, dass sie dem Staat Geld kosten. Im laufenden Haushalt wird mit einem Defizit um die 100 Mrd. Dinar gerechnet. Um handlungsfähig zu bleiben, begann Serbien im März mit erfolgreichen Verhandlungen mit dem IWF über einen Kredit von 3 Mrd. Euro. Rund 800 Millionen Euro davon wurden im Mai ausgezahlt. Die Vertragsunterzeichnung war allerdings mit der Auflage verbunden, genau dieses drohende Haushaltsdefizit mittels geeigneter Sparmaßnahmen zu verhindern. Die vielen Überlegungen, die allesamt unpopulär waren, angefangen von Steuererhöhungen, über Lohnkürzungen der Angestellten im öffentlichen Dienst bis hin zur Reduzierung der Anzahl der Ministerien, haben sich inzwischen im Nichts verloren. Vielmehr will Ende August Serbien mit dem IWF in Neuverhandlungen treten, um ein größeres Haushaltsdefizit genehmigt zu bekommen.

Wie dramatisch die wirtschaftliche Entwicklung wirklich ist, zeigt sich an der Börse. Noch im Mai 2007 markierte der serbische Index Belex mit seinen 15 bestbewerteten Unternehmen ein Hoch von über 3.300 Punkten. Danach setzte eine lange Talfahrt ein, die im März 2009 bei 347,46 Punkten ihren Tiefpunkt erreichte. Im Mai lag der Belex immerhin bei 540 Punkten, was etwas Hoffnung verspricht.

In den Bereichen Gesetzesimplementierung und Kampf gegen Korruption sind im ersten Regierungsjahr von Cvetkovic keine wesentlichen Fortschritte erreicht worden. Noch immer haben einflussreiche Tycoone ausreichend Zugang zur Poliltik und Medien, noch immer gehören die Parlamentsmandate den Parteien. Serbien befindet sich nach wie vor im Transformationsprozess, der durch die Kriese erschwert wird. Aber die politische Stabilität des letzten Jahres und die Aussicht, dass es 2009 voraussichtlich keine Parlamentswahlen geben wird, tun dem Land gut.

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