Länderberichte
Die Unzufriedenheit über die wirtschaftliche Situation und über die Arroganz der politischen Elite ist hoch, die Kritik aus dem In- und Ausland über ausbleibende, bereits versprochene Reformen, wächst.
Fast wäre die Rechnung nicht aufgegangen, den Parteifreund Vujanovic entgegen den aktuellen Verfassungsvorgaben ein drittes Mal zum Präsidenten wählen zu lassen: Der Koalitionspartner SDP zog aufgrund von Verfassungsbedenken (doch offenbar mit dem Einverständnis der DPS) seine Unterstützung für den Kandidaten zurück. Das kostete Vujanovic fast den Wahlsieg, denn auch in der breiten Bevölkerung waren nicht alle mit dem jüngsten Verfassungsgerichtsurteil einverstanden, dass ihm aus dem Grund eine weitere Kandidatur erlaubte, weil er das erste Mal noch unter der Föderation mit Serbien (und unter der alten Verfassung) gewählt worden war.
Auch wuchs zuletzt die Empörung über die offenbar unzulässige Einflussnahme der Regierung zugunsten der DPS bei den Wahlen, die über in regierungskritischen Medien veröffentlichte Tonbänder ans Licht gekommen war. Die Regierung versuchte im Wahlkampf, diese Anschuldigungen zu ignorieren – und auch die doch nominell unabhängige Generalstaatsanwältin sah hier zuerst keinen strafrechtlichen Tatbestand. Darüber hinaus standen Anschuldigungen im Raum, ob die Polizei im vergangenen Jahr die Büros oppositioneller Tageszeitungen abhören ließ.
Vereinte Opposition
Die Opposition schlug im Wahlkampf mithilfe der einflussreichen regierungskritischen Medien aus der wachsenden Entrüstung Kapital. Dass ihr für die Parlamentswahlen vom Herbst geschmiedetes Bündnis der Demokratischen Front mit Ex-Diplomat Lekic einen gemeinsamen Gegenkandidaten zu Vujanovic aufstellen konnte, machte die Präsidentschaftswahlen erstmals zu einem wahrhaftigen politischen Wettbewerb, nachdem zuvor immer mehrere Oppositionskandidaten gegen die DPS angetreten waren. Doch die Anschuldigungen Lekics über schwerwiegende Wahlfälschungen müssen mit Skepsis gesehen werden, waren doch die Wahlverfahren transparenter als früher: Anträge zu Änderungen im Wählerverzeichnis konnten bis zu zehn Tagen vor Wahltermin eingereicht werden; in jedem Wahllokal waren oppositionelle Wahlbeobachter zugegen, die am Wahlabend – offenbar ohne Kritik - die Auszählprotokolle unterschrieben. Dass es Verbesserungen bei der Administration und Durchführung der Wahlen in Zukunft geben und die Einflussnahme der Regierung abnehmen muss, stellten auch internationale Wahlbeobachter fest. Doch für die konkrete Kritik der Opposition bleibt die Untersuchung der bis gestern einzureichenden offiziellen Klagen durch Wahlkommission und/oder zuständiges Gericht abzuwarten: das endgültige Wahlergebnis wird erst elf Tage nach der Wahl bekanntgegeben.
Jetzt heißt es an die Arbeit
Wie dem auch sei: die sich häufenden Enthüllungen über Missbrauch staatlicher Mittel bei Verwaltung und Polizei im Vorfeld der Wahlen verlangen eine umfassende Untersuchung. Sie werfen ein Schlaglicht auf die weiterhin gravierenden Mängel in Verwaltung und insbesondere Justiz, die für den Fortschritt der EU-Integration Montenegros dringend beseitigt werden müssen: Für die Öffnung der ersten Verhandlungskapitel Justiz und Inneres, die für nach der Sommerpause anvisiert sind, muss die Regierung noch eine für die Rechtsstaatlichkeit wichtige Verfassungsreform auf den Weg bringen und Ergebnisse im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität vorweisen. Doch ist hier die Ernsthaftigkeit der Regierung (und Unabhängigkeit der Gerichte) mit der kürzlichen Aufhebung der Urteile durch das Berufungsgericht über die beiden wichtigsten Fälle in diesen Bereichen, „Saric“ und „Savala“, wieder in Frage gestellt.
War also die im Ausland sich breit machende Skepsis über Djukanovics Rückkehr in die Politik nach den Parlamentswahlen vergangenen Herbst gerechtfertigt? Nach dem offiziellen Beginn der so vormals engagiert verfolgten Beitrittsverhandlungen vergangenen Sommer hat sich die politische Elite Montenegros fast ein ganzes Jahr mit Wahlen beschäftigt und darüber die notwendigen Reformen vernachlässigt. Die Bürger Montenegros - und die europäischen Partner – fordern jetzt endlich Resultate auf die im In- und Ausland gemachten Versprechen.