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Länderberichte

Vorgezogene Parlamentswahlen in Serbien

von Norbert Beckmann-Dierkes, Evelyn Haefs
Der serbische Premierminister Aleksandar Vučić hat am 17. Januar gegenüber dem Parteivorstand der Progressiven Partei (SNS), deren Vorsitzender er ist, vorgezogene Parlamentswahlen für das Frühjahr angekündigt.

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Sie sollen gleichzeitig mit den kommunalen und lokalen Wahlen abgehalten werden. Das genaue Datum steht noch nicht fest, nach Medienberichten ist aber von einem Termin Ende April auszugehen. A. Vučić schlug gleichzeitig vor, die für den 13. Februar geplanten Vorstandswahlen in der SNS bis Mai aufzuschieben, da er, sollten die Parlamentswahlen für die SNS erfolglos sein, seiner Partei die Möglichkeit geben wolle, einen neuen Vorsitzenden zu wählen. Nach den letzten, ebenfalls vorgezogenen, Wahlen im März 2014 hält die Regierungskoalition 208 von 250 Sitzen im Parlament; die SNS hat davon 135 Sitze.

Die Nachricht kam nicht ganz überraschend, Medien hatten schon Ende 2015 von möglichen vorgezogenen Wahlen berichtet. Der Premierminister hatte bis zur Ankündigung am Wochenende die Möglichkeit zwar nicht ausgeschlossen, aber darauf bestanden, dass er diese Option nur wählen werde, wenn er sicher sein könne, dass damit Serbiens wirtschaftlichem Aufschwung nicht geschadet würde.

Einen Tag nach der Ankündigung sank der Kurs der Landeswährung Dinar um 0.14 Prozent gegenüber dem Euro. Ein von Reuters zitierter Händler sagte dazu, man könne nicht „von Stabilität sprechen und dann Neuwahlen anordnen. Investoren mögen das nicht.“

Die Gründe, die A. Vučić zur Ankündigung der Neuwahlen motiviert haben, werden kontrovers diskutiert. Der Premierminister selber begründete den Schritt mit der Notwendigkeit für Stabilität in den nächsten vier Jahren, damit Serbien 2020 der EU beitreten könne. Der Berichterstatter für Serbien des Europäischen Parlaments, David McAllister, hatte bei seinem Besuch in Belgrad im Dezember den Zeitraum 2019 bis 2024 als mögliches Beitrittsfenster genannt. A.Vučić sagte, er wolle die Serben erneut zur der Richtigkeit des pro-europäischen Kurses befragen. Wenn sich diese für seinen Weg aussprächen, könnte er so auch die Zweifler in seiner eigenen Partei befrieden und eine langwierige Kabinettsumbildung verhindern.

Die Regierung muss in diesem Jahr große Staatsbetriebe, Überbleibsel aus jugoslawischer Zeit, privatisieren und schmerzhafte Reformen im öffentlichen Dienst durchführen, da der Staat ein gewaltiges Defizit abbauen muss, um seinen Verpflichtungen dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Union gegenüber nachzukommen. Es wird damit gerechnet, dass die Entlassung vieler Arbeiter aus Betrieben und Angestellter aus dem öffentlichen Dienst sich negativ auf das nächste Wahlergebnis der SNS auswirken könnte.

Die relativ schwachen Oppositionsparteien, allen voran die Demokratische Partei, hatten ebenfalls nach vorgezogenen Wahlen verlangt, um aus diesen gestärkt hervorzugehen. Dies ist aber nicht absehbar. In einer von Ipsos Strategic Marketing im Dezember 2015 durchgeführte Meinungsumfrage kam die SNS auf rund 50 %, die Sozialistische Partei (SPS) von Außenminister Ivića Dačić auf rund 12 % und die Oppositionsparteien auf jeweils zwischen fünf und acht Prozent.

Die meisten Medienberichte geben die Erklärung ab, dass A.Vučićs, die Entscheidung getroffen habe, da Serbien eine stabile Regierung für eine volle Amtszeit von vier Jahren brauche, um den von ihm eingeschlagenen Weg der Reformen beizubehalten. Danach werde es keine Möglichkeit zur Umkehr auf dem pro-europäischen Weg mehr geben.

Neben Kommentaren von Vorsitzenden anderer Parteien, die meist die Erfolgschancen ihrer eigenen Parteien beinhalten, finden sich in einigen Berichten auch Einschätzungen von Analysten. Der Soziologe Vladimir Vuletić attestiert dem Premierminister die Entschlossenheit, ein „anständiges Land aus Serbien zu machen“, wozu eine starke Regierung vonnöten sei. Momentan gebe es aber innerhalb der SNS keinen Konsens über die zukünftige Richtung, weswegen Wahlen sinnvoll seien. Der Analyst Dragomir Andjelković betonte, die Zusammenlegung mit lokalen und kommunalen Wahlen sei gut gewählt, da so weder die Stabilität des Landes noch das Budget über Gebühr beansprucht würden. Der Politologe Djordje Vukadinović hingegen drückte seine Sorge aus, dass erneute Wahlen zu Spannungen in der Gesellschaft führen könnten. Er schätzt die Opposition etwas stärker ein als bei den letzten Wahlen, sieht sie aber trotzdem nicht in der Lage, die dominante SNS um einen ähnlichen großen Wahlerfolg wie 2014 zu bringen.

Der Premierminister muss Staatspräsident Tomislav Nikolić nun offiziell über die Auflösung seiner Regierung informieren. Die Neuwahlen müssen vom Staatspräsidenten angeordnet und dann innerhalb von 45 bis 60 Tagen durchgeführt werden. Nikolić hatte sich der Zeitung Blic gegenüber allerdings noch am 31. Dezember 2015 positiv über A.Vučićs damalige Entscheidung geäußert, keine Neuwahlen abzuhalten, wenn sich die Lage nicht dramatisch verschlechtere. Er bezeichnete zu diesem Zeitpunkt Neuwahlen als unnötig.

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