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Länderberichte

Vorgezogene Wahlen in Serbien

von Norbert Beckmann-Dierkes, Ognjen Gogic, Steffen Kawohl

Akteure und Themen

Bereits zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren wählen die Serben am 24. April ein neues Parlament. Premierminister Aleksandar Vucic bat Präsident Tomislav Nikolic um die Auflösung des Parlamentes und darum, Neuwahlen bereits in diesem Jahr anzusetzen, da er für die tiefgreifenden Reformen auf dem Weg zum Beitritt der Europäischen Union von den Bürgern ein volles vierjähriges Mandat einholen möchte.

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Aleksandar Vucic verfügt derzeit über eine Mehrheit von 202 der insgesamt 250 Parlamentsabgeordneten. Meinungsumfragen zeigen, dass die Unterstützung der Parteien der Regierungskoalition in der Bevölkerung unverändert hoch ist. Die Parlamentswahlen wurden schließlich für den 24. April angesetzt.

An diesem Tag finden gleich drei Urnengänge statt. Denn neben den vorgezogenen Parlamentswahlen finden in ganz Serbien turnusgemäß Kommunalwahlen statt und die Bürger der autonomen Provinz Vojvodina wählen darüber hinaus an diesem Tag die Abgeordneten des Parlamentes der Vojvodina.

Die Wähler können bei der vorgezogenen Wahl zum nationalen Parlament zwischen 20 verschiedenen Wahllisten wählen. Das serbische Wahlsystem erlaubt es, dass verschiedene Parteien bei der Wahl mit einer gemeinsamen Liste antreten. So tritt die Serbische Fortschrittspartei (SNS) von Premierminister Aleksandar Vucic, die in Meinungsumfragen von allen Parteien die größte Zustimmung erhält, bei dieser Wahl gemeinsam mit acht weiteren Parteien mit einer gemeinsamen Wahlliste an.

Beim Blick auf die Meinungsumfragen werden wohl neben den Parteien der nationalen Minderheiten, für die die 5%-Hürde nicht gilt, folgende Parteien und Koalitionen ins serbische Parlament einziehen:

  • Serbische Fortschrittspartei (SNS)
  • Demokratische Partei (DS)
  • Sozialistische Partei Serbiens (SPS)
  • Demokratische Partei Serbiens (DSS)
  • Serbische Radikale Partei (SRS)
  • Sozialdemokratische/Liberaldemokratische Partei (SDS/LDP)
Themen des Wahlkampfs

Während die Parlamentswahlen in der Vergangenheit durch außenpolitische Themen geprägt waren, stehen in diesem Wahlkampf innenpolitische Fragen im Vordergrund. Die Parteien greifen dabei vor allem die ökonomischen und sozialen Probleme des Landes auf. Die Fragen zum Kosovo und zum Beitritt zur Europäischen Union prägten bisher das politische Leben in Serbien, in diesem Wahlkampf kommen diese Aspekte jedoch nicht sonderlich zur Sprache.

Auch Ereignisse der Geschichte Serbiens spielen im Wahlkampf eine Rolle, denn in die Zeit des Wahlkampfes fielen gleich zwei bedeutende Jahrestage: Der elfte Todestag des ehemaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic am 11. März und der 12. März, an dem sich die Ermordung des ehemaligen serbischen Premierministers Zoran Djindjic zum 13. Mal jährte. Anlässlich dieser Jahrestage veröffentlichte der Außenminister und Vorsitzende der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS), Ivica Dacic, einen Artikel, in dem er erklärte, dass die ersten zehn Jahre des neuen Jahrtausends in Serbien neben dem tragischen Ende von Zoran Djindjic auch durch den Tod Slobodan Milosevics geprägt seien. Dadurch wurde die Regierungszeit des ehemaligen Präsidenten Milosevic zu einem grundlegenden Thema im Wahlkampf der SPS, deren Gründer und langjähriger Parteichef Slobodan Milosevic war.

Auch die Urteilsverkündung des Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag gegen den ehemaligen Anführer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, fiel ebenfalls in die Zeit des Wahlkampfes. Das Urteil von 40 Jahren Haft wurde am 24. März verkündet, ebenfalls ein bedeutender Tag für Serbien, denn am 24. März 1999 begannen die Bombenangriffe der NATO auf Serbien. Auch der in der darauffolgenden Woche für viele unerwartete Freispruch des Anführers der Serbischen Radikalen Partei (SRS), Vojislav Seselj, vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wurde im Wahlkampf thematisiert.

Obwohl die beiden Urteile vor dem Tribunal in Den Haag negative Reaktionen in Kroatien und Bosnien-Herzegowina hervorriefen, besuchte Aleksandar Vucic die Eröffnung der Internationalen Wirtschaftsmesse in Mostar. Dort traf er am 12. April die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic sowie Bakir Izetbegovic, den bosniakischen Vertreter im bosnischen Staatspräsidium. Nach Ansicht von Teilnehmern herrschte bei beiden Treffen eine versöhnliche Atmosphäre, dennoch konnte keine Übereinstimmung hinsichtlich der offenen Fragen in den Beziehungen mit Kroatien (Blockade des Kapitels 23) und mit Bosnien-Herzegowina (Genozid-Klage) erzielt werden.

Bis auf die beiden rechtsorientierten Parteien, Demokratische Partei Serbiens (DSS) und Serbische Radikale Partei (SRS), die beide bei der letzten Wahl 2014 den Einzug ins Parlament verpasst haben, sprechen sich alle Parteien in Serbien für einen Beitritt zur Europäischen Union aus.

Ökonomische und soziale Themen dominieren auch die Kampagnen weiterer Parteien. So fokussiert die Demokratische Partei (DS) ihren Wahlkampf auf eine Erhöhung der Renten und Gehälter im öffentlichen Sektor, die im Jahr 2014 durch die amtierende Regierung im Rahmen einer Finanzreform reduziert worden waren. Auf der Agenda der Koalition aus Demokratischer Partei (DS), Sozialistischer Partei Serbiens (SPS) und Sozialdemokratischer/Liberaldemokratischer Partei (SDS/LDP) stehen die Abwanderung junger Menschen ins Ausland, soziale Gerechtigkeit und Solidarität sowie bessere Zugänge zum Gesundheitssystem, zu Bildung und Subventionen für die Landwirtschaft.

Insgesamt sind keine klar konturierten Wahlprogramme erkennbar, viele Wahlaussagen entstehen aus tagespolitischen Situationen.

Umfragen zufolge ist die Regierungsmehrheit von Premierminister Aleksandar Vucic nicht gefährdet, wohl aber die Beteiligung des ehemaligen Premierministers Dacic und jetzigen Außenministers Serbiens und seiner SPS an einer neuen Regierungskoalition. Trotz einer laut Umfragen deutlichen Mehrheit strebt Premierminister Aleksandar Vucic auch in einer kommenden Regierung eine möglichst große Koalition an, damit der EU-Integrationsprozess auf einem möglichst breiten Fundament steht.

Der Wahlkampf in den Medien

In den Medien fokussiert sich der Wahlkampf vor allem auf die Vertreter der Regierung. Sowohl private wie auch öffentliche Einrichtungen und Sender konzentrieren sich auf die Berichterstattung über einzelne Persönlichkeiten und es ist auffällig, dass es nur wenige Diskussionssendungen mit Vertretern unterschiedlicher Parteien gibt.

Lesen Sie den Länderbericht inkl. Grafiken im pdf.

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