Einzeltitel
Der Empfang war überschwänglich und über das normale Maß deutlich hinausgehend.
Die Vorbereitungen für diesen Besuch liefen seit Tagen, einige Straßen wurden extra für
den hohen Gast gesperrt. Sein Besuch wurde von etwa 5000 serbischen Polizisten
und 1000 russischen Sicherheitsexperten abgesichert. Der russische Präsident war
der erste ausländische Politiker, der eine Rede im serbischen Parlament halten durfte.
Das Interesse an diesem Besuch war dabei von beiden Seiten sehr hoch. Medwedjew
wurde von einer rund hundertköpfigen Delegation begleitet, unter anderem vom
Gazprom-Chef und dem Lukoil-Vorsitzenden sowie den Direktoren der Russischen
Eisenbahn und verschiedener Banken. Moskauer Diplomaten hatten zuvor betont,
Serbien werde in Zukunft der wichtigste Partner Russlands auf dem Balkan sein.
Und so standen denn auch die Wirtschaftsfragen im Mittelpunkt. Russland
hat Serbien einen Kredit in Höhe von einer Milliarde Dollar (668 Mio. Euro) gewährt.
Laut einheimischen Medien sind davon 200 Millionen Dollar für das Staatsbudget
bestimmt, der Rest soll an Infrastrukturprojekte gehen, an denen sich
russische Unternehmen beteiligen werden. Nach früheren Angaben des russischen
Zivilschutzministers Sergej Schoigu sind dies vor allem die Finanzierung von
Bauvorhaben der serbischen Eisenbahn. Serbischen Regierungsvertretern zufolge
wird es dabei unter anderem um die Fertigstellung eines neuen Bahnhofes in
Belgrad, aber auch um den U-Bahn-Bau gehen.
Insgesamt wurden sieben bilaterale Abkommen unterzeichnet, darunter auch
eine Vereinbarung über die Bildung eines gemeinsamen Unternehmens des russischen
Gasriesen Gazprom und des serbischen Gaslieferanten Srbijagas zum Bau und
Betrieb der Gas-Fernleitung „South Stream“. Die zu 51 Prozent Gazprom
gehörende „South Stream Serbia AG“ soll bis 2015 das Teilstück zwischen Bulgarien
und Ungarn fertigstellen. Gazprom unterstützt zudem mit 25 Mio. Dollar den
Bau eines unterirdischen Gasspeichers in Serbien.
Dem einen oder anderen Politiker in Serbien dürfte es bei soviel wirtschaftlichem
Engagement Russlands mulmig werden. Denn dass sich damit der östliche Bruder
auch Einfluss sichert, ist ohne Zweifel. Aber es scheint der einfachere Weg zu sein, die
klamme Haushaltslage zu verbessern. Serbien benötigt dringend das Geld. Der
Haushalt für 2010 lässt sich derzeit nicht ausgleichen und zu drastischen
Sparmaßnahmen ist das Land nicht bereit. Die finanziellen Hilfen vom Westen und dem
IWF sind an Konditionen geknüpft, die allesamt der serbischen Politik kein Vergnügen bereiten.
Aber es gibt noch ein anderes Interesse Serbiens, sich auf das Geschäft mit
Russland einzulassen. Medwedjew hat Serbien nachdrücklich seine weitere
Unterstützung „beim Beharren auf seiner Souveränität und territorialen Integrität“
versichert. Russland wird weiterhin die Souveränität des Kosovo nicht anerkennen.
Und diese Zusage hat für Serbien ein außerordentliches Gewicht. Die
Unabhängigkeitserklärung Kosovos vor bald zwei Jahren bezeichnete der russische
Präsident als «rechtliche Willkür». Er erwähnte dabei natürlich nicht die
völkerrechtswidrige Anerkennung von Abchasien und Südossetien durch Moskau.
Der serbische Präsident, Boris Tadic, dankt es dem Freund. Er betonte noch einmal die
Nicht-Anerkennung des Kosovo als "Grundlage serbischer Politik". Er sieht das
nicht als Widerspruch zu seinem erklärten Ziel der EU-Integration Serbiens. Vielmehr
betont er gegenüber seinem Gast, dass Serbien auch in der EU der "beste Freund
Russlands" sein werde. Die Reaktion von Medwedjew, "Russland respektiert Serbiens
Entscheidung für die Europa-Integration", klingt bescheidener, als sie wirklich gemeint
sein dürfte. Denn die Vorstellung, einen Vertreter russischer Interessen in der EU zu
haben, ist Russland sicherlich einiges Wert.