Online-Seminar
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Bei der Eröffnung der Konferenz wies Norbert Beckmann-Dierkes, der Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Serbien, auf die Symbolik dieser Veranstaltung hin, die am Internationalen Tag der Arbeit stattfände und damit auf eine Kernidee der Sozialen Marktwirtschaft, der gemeinsamen Verantwortung von Unternehmen und Arbeiterschaft für eine erfolgreiche Wirtschaft. Er hob hervor, dass die aktuelle Krise, mit der sich die Welt nun auseinandersetzen muss, eine große Herausforderung sowohl für die Wirtschaft als auch für die Politik sei. Er betonte die Wichtigkeit solcher Online-Diskussionen, die dazu dienten, kleinen und mittelständischen Unternehmen Wege aufzuzeigen, die von der COVID-19-Pandemie hervorgerufenen aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu meistern. Er betonte, dass es zu unausweichlichen Veränderungen kommen werde, die diese Pandemie mit sich bringe und dass daher internationale Solidarität wichtiger als je zuvor sei und vor allem in Europa eine Schlüsselrolle hätte. Beckmann-Dierkes deutete an, dass jetzt nicht der Zeitpunkt für Unstimmigkeiten zwischen Wirtschaft, Politik und dem Zivilsektor wäre, sondern für konstruktive Dialoge. Daher sei er besonders erfreut, dass er wichtige Fachleute zu dieser Konferenz begrüßen könne.
Aleksandra Tomić, Mitglied des Parlaments (SNS), führte aus, dass die Serbische Nationalversammlung alle Verordnungen, insgesamt 44, die seit dem 15. März und der Ausrufung des Ausnahmezustandes bis heute verabschiedet wurden, bestätigt hat. Sie erläuterte, dass es sich hierbei um medizinische und um wirtschaftliche Maßnahmen handelt. Sie deutete an, dass Serbien im ersten Quartal dieses Jahres ein Wirtschaftswachstum von 5% aufweisen werde, während viele weiter entwickelten Staaten einen enormen Sturz aller Wirtschaftsparameter verzeichnen werden. Ihren Worten zufolge seien das Beweise für erfolgreiche Wirtschaftsreformen und fiskalische Konsolidierung, die 2014 in die Wege geleitet wurde. Sie erwähnte, dass Serbien 2019 ein Wachstum des Bruttoinlandproduktes in Höhe von 4,4% und 2018 von 4,2% hatte. Aleksandra Tomić betonte, dass die serbische Regierung rechtzeitig, bereits am 31. März, Maßnahmen für die Wirtschaft ankündigte und schon am 10. April eine ganze Reihe von wirtschaftlichen Maßnahmen verabschiedete, die die negativen Auswirkungen der Pandemie verringern sollen. Dafür seien 5,1 Milliarden Euro bzw. 11% des Bruttoinlandprodukts vorgesehen. Sie betonte, das so die wirtschaftliche Produktivität gesteigert werden solle, was sich auch in den optimistischen Prognosen des IWF widerspiegele, der einen 3%-igen Rückgang in Serbien prognostiziert, die Weltbank hingegen einen geringeren Rückgang von 2,5%, was im Vergleich mit anderen Industrieländern sehr wenig ist. Sie unterstrich, dass dieses geplante Haushaltsdefizit durch eines Konsens aller wichtigen staatlichen Institutionen und dem Präsidenten der Republik Serbien, den Banken und anderen relevanten Trägern, zustande gekommen sei. Mit Verordnungen zur Stundung von Steuern, direkter Unterstützung von Unternehmern, die dem Pauschalsteuersystem unterliegen, dem Moratorium der Serbischen Nationalbank von 90 Tagen für alle Kredite, zur Unterstützung aus dem Fond für Unternehmensentwicklung und für die Landwirtschaft, wurden konkrete Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft getroffen. Durch die Einberufung von zwei Krisenstäben, einem medizinischen und einem wirtschaftlichen, sei Serbien auch für eine mögliche zweite Welle gerüstet. Sie wies darauf hin, dass Serbien es geschafft habe, den Schutz der serbischen Wirtschaft und den Schutz der wichtigsten Ressource des Landes, seines Volkes, zu vereinen.
Žarko Malinović aus der Serbischen Wirtschaftskammer bezog sich auf die wirtschaftlichen Maßnahmen und deren Umsetzung in die Praxis. Er betonte, dass die Serbische Wirtschaftskammer gemeinsam mit Wirtschaftsvertretern an der Erarbeitung der Maßnahmen beteiligt war, man aber täglich versuche neue Ansätze zu finden, um den Verlust von Arbeitsplätzen zu verhindern. Er vertritt die Meinung, dass es in der nächsten Zeit nicht zur Stagnierung von Investitionen, vor allem im Privatsektor käme, denn dort würde die größte Wertschöpfung erfolgen. Malinović betonte, dass Serbien viel besser vorbereitet war, als viele andere europäische Staaten, vor allem in Bezug auf die Belieferung von Lebensmittelgeschäften. Er fügte hinzu, dass die Grundnahrungsmittel für die Bevölkerung immer zur Verfügung standen und es keine Engpässe gab. Auch die Versorgung mit Schutzausrüstung habe sich dank guter bilateraler Beziehungen, vor allem mit Staaten wie China, schnell stabilisiert. Er fügte hinzu, dass die Serbische Wirtschaftskammer regelmäßige Online-Treffen mit Unternehmern durchführe, um ein Schutzsystem zu deren Sicherheit zu verbessern und um ihnen bei der Anpassung ihrer Geschäftsmodelle an die neuen Umstände zu helfen. Weiterhin würden Händler und Gastwirte, die ihre Geschäftsmodelle anpassten und ihre Mitarbeiter nicht entließen, den größten Nutzen von dem Rettungspaket in Höhe von 5 Milliarden Euro haben. Er betonte, dass die Arbeitgeber, die die Anzahl ihrer Belegschaft um mehr als 10% reduziert haben, den größten Teil der vorgesehenen wirtschaftlichen Maßnahmen nicht ausschöpfen könnten. Nach Bekanntgabe der staatlichen Maßnahmen seien ca. 9000 Arbeiter an ihre Arbeitsplätze zurückkehrt bzw. von ihren Arbeitgebern wiedereingestellt worden, erklärte Malinović. Weiterhin wies er darauf hin, dass auch Lebensmittelgeschäfte langfristig Einnahmeeinbrüche verzeichneten, was vor allem auf die Kurzarbeit zurückzuführen sei. Als Beispiel für Einnahmeeinbußen führte er den Handel und die Produktion von alkoholischen Getränken an, die aufgrund der aktuellen Lage um 90% gesunken sind. Er fügte hinzu, man habe auch die kleinen Landwirte nicht vergessen und dass sich eine Online-Verkaufsplattform als erfolgreiches Modell für die Versorgung der Bürger gezeigt hätte. Die ganze Gesellschaft müsse an dem Dialog über qualitativ eine hochwertige wirtschaftliche Produkten teilnehmen, auch sei die Solidarität innerhalb der Gesellschaft von größter Wichtigkeit.
Ljubica Tomić von der Rechtsanwaltskanzlei TSG betonte, dass die wichtigsten Klienten ihrer Kanzlei vor allem ausländische Investoren aus Deutschland seien, wonach dieses Thema für sie von größter Wichtigkeit sei. Sie sagte, dass es zwischen dem 15. März und dem 10. April ein rechtliches Vakuum in Bezug auf das Vorgehen mit Arbeitnehmern gab, fügte aber hinzu, dass die Regierung sehr früh Signale gegeben hätte, in welche Richtung es gehen werde, was der Entlassung einer größeren Anzahl von Beschäftigten vorgebeugt hätte. Sie erwähnte die Verordnungen zu Beschäftigtenverhältnissen bzw. der Erhaltung von Arbeitsplätzen. Sie wies darauf hin, dass das gewünschte Ziel erreicht sei und die ergriffenen Maßnahmen erfolgreich seien. Eine offene Frage wäre die Frage laufender Mietverträge, vor allem in Einkaufszentren, was zu einer geringen rechtlichen Unsicherheit führe. Sie fügte hinzu, dass die Verordnungen innerhalb kürzester Zeit verfasst wurden und daher nicht immer eindeutig seien. Die Serbische Wirtschaftskammer hätte aber sehr schnell reagiert und die Aufmerksamkeit auf Unklarheiten gelenkt, so dass diese behoben worden sind.
Auf die Frage, wie die Gesundheit der Menschen und die Bedürfnisse der Wirtschaft in Einklang zu bringen seien antwortete Aleksandra Tomić, dass die Politik in Serbien Expertenrat annehme und die Gesundheit der Bürger in den Vordergrund stelle. Sie wies darauf hin, dass im Jahr 2019 die Staatsverschuldung Serbiens unter 50% des BIP lag. Die Vorgaben des Staates seien, dass man die 60%-Grenze nicht überschreiten dürfe, was den Maastricht-Kriterien entspreche. Die einmalige Auszahlung von 100 Euro jedem volljährigen Bürger diene dazu, über 60 Milliarden RSD in den Verbrauch zu pumpen, wobei mindestens 20% der Summe durch die MwSt. wieder an den Staat zurückginge, was das Wirtschaftswachstum stimuliere. Sie fügte hinzu, dass der Privatsektor der wichtigste Motor des Wirtschaftswachstums sei und das dieser beim kontinuierlichen Haushaltswachstum die größte Rolle spiele. Daher müsse gerade dieser Sektor unterstützt und geschützt werden. Außerdem wies sie darauf hin, dass das neue Maßnahmenpaket Mittel für eine mögliche zweite Pandemiewelle enthielte, wobei es von größter Wichtigkeit sei, die Wirtschaft auf ein ähnliches Niveau wie vor dem Ausbruch der Pandemie zu bringen. Die Abgeordneten seien während der schlimmsten Tage der Pandemie aus Solidarität mit den 500 Beschäftigten in der Nationalversammlung nicht zusammengekommen, um sie nicht in Gefahr zu bringen.
Auf die Frage von Saša Hadžiahmetović wie weit die Serbische Wirtschaftskammer in der Lage sei die Unternehmerstimmen zur schnellen Wiederaufnahme wirtschaftlicher Aktivitäten auf die Nationalversammlung zu lenken, antwortete Herr Malinović, dass die Serbische Wirtschaftskammer die Interessen der gesamten Wirtschaft vertritt und daher einzelne Initiativen, durch das Prisma der gesamtwirtschaftlichen Interessen sieht. Er betonte, dass die Serbische Wirtschaftskammer schon zu Beginn der Pandemie eine Analyse anstellte, welche Wirtschaftsbereiche am schwersten betroffen werden würden. Daraufhin organisierte sie ein Treffen mit Regierungsvertretern, um mögliche Maßnahmen zur Eindämmung der negativen Auswirkungen zu diskutieren. Malinović fügte hinzu, dass die Wirtschaftszweige, die am meisten betroffen sind, große Solidarität bekundeten, indem z.B. viele Hotels ihre Zimmer und Räumlichkeiten für medizinisches Pflegepersonal und für gefährdete Bürger zur Verfügung stellten. Er betonte die Bereitschaft des Privatsektors, dem Staat in dieser Situation hilfreich zur Seite zu eilen, um eigene Produktionsketten auf Ware von größerer Wichtigkeit auszurichten, wie z.B. Desinfektionsmittel. Diese Krise hätte gezeigt, wie wichtig die heimische Lebensmittelindustrie sei. Über 80% der Lebensmittel in den Geschäften seien serbische Produkte. Die Krise weise darauf hin, wie wichtig stabile Institutionen und ein stabiler Rechtsstaat für die inländische Wirtschaft seien. In die Verarbeitungs- und Nahrungsmittelindustrie solle man investieren, aber auch in Innovationen und den IT-Sektor. Daher halte er es für wichtig, dass die Übergangsregierung in Priština die Einfuhrgebühren für Ware aus Serbien aufgehoben hat. Wichtig sei die Einbindung des gesamten Westbalkan in Bezug auf die EU-Mitgliedschaft, da somit zukünftige Herausforderungen leichter überwunden werden können.
Wie Serbien zum Umgang mit den weiteren wirtschaftlichen Folgen der Pandemie gerüstet sei, stellte Saša Hadžiahmetović zur Diskussion.
Aleksandra Tomić antwortete, dass der Staat eine große Bereitschaft im Kampf gegen die Pandemie gezeigt habe. Solidarität hätte es von freiwilligen Helfern und durch die schnelle Ausrichtung in der Produktion auf Ware von größter Wichtigkeit in dieser schweren Situation gegeben. Tomić zufolge zeige die in Serbien begonnene Chloroquin-Produktion als mögliches Medikament gegen dieses Virus und die Gründung von Produktionsstätten für Antikörper-Tests, dass alle wichtigen Bereiche erfolgreich zusammenarbeiten.
Auf die Frage aus dem Online-Publikum über den Einfluss des veränderten politischen Narratives auf die wirtschaftlichen Beziehungen Serbiens zu den EU-Ländern bzw. ob Serbien auch weiterhin mit der EU zusammenarbeiten werde wie vor der Pandemie, sagte Žarko Malinović, dass die EU auch weiterhin der wichtigste Außenhandelspartner Serbiens sei. Er betonte, dass die EU bezüglich der Solidarität zwischen den Staaten selbst großen Problemen ausgesetzt war, dass diese aber überwunden worden sind. Er bestätigte, wie wichtig es sei, dass Serbien auf seinem europäischen Weg bleibe, gleichzeitig aber auch die eigene Wirtschaft stärken müsse. Er betonte, dass die Europäische Kommission konstruktiv die Teile des Acquis communautaire öffnete, die sich auf staatliche Hilfe beziehen, um schnell die notwendigen Maßnahmen in die Tat umzusetzen.
Aleksandra Tomić fügte hinzu, dass 66% des gesamten serbischen Außenhandels mit der EU getrieben wird, daher sei es sehr wichtig, dass die EU so schnell wie möglich ihre Probleme löst. Sie betonte, dass die EU am Anfang der Krise nur mit finanziellen Mitteln helfen konnte, da die EU-Staaten selbst verschiedene Wege suchten, um medizinische Ausrüstung zu besorgen. Die EU habe für die Länder des Westbalkan Kredite in Höhe von 3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, Serbien sei aber noch nicht bereit, diese Mittel zu beantragen. Es müsse zuerst schauen, wie es sich in den nächsten Monaten wirtschaftlich erholen werde. Sie betonte, dass die EU ein wichtiger Partner Serbiens sei, sowohl wirtschaftlich als auch in Bezug auf die europäische Integration.
Abschließend wies Saša Hadžiahmetović auf einige Fakten hin, wie z.B., dass alle deutschen Unternehmen während der Krise bei ihren Investitionsprojekten in Serbien geblieben sind und die geplanten Investitionen erhöht werden sollen. Dabei sollte man nicht vergessen, dass die größte Anzahl der deutschen Investoren aus der Automobilbranche kämen, die ohnehin schon von der Krise schwer getroffen wurde. Serbien kann als attraktives Investitionsland sogar größeres Interesse seitens potentieller Investoren erwarten. Dafür sei es notwendig, dass es in der EU wieder zu Wirtschaftswachstum und zur Erholung der Wirtschaft komme. Trotz restriktiver Maßnahmen ist das Interesse an serbischen Produkten in Deutschland nicht zurückgegangen. Serbien wird mit Hilfe der Serbischen Wirtschaftskammer und der Serbischen Entwicklungsagentur die Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen aus Deutschland fortsetzen. Da wegen der Pandemie viele Messen abgesagt wurden, haben deutsche Messeveranstalter schon B2B-Treffen auf digitalen Plattformen organisiert.
Norbert Beckmann-Dierkes und Saša Hadžiahmetović