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Mit einem Militärputsch im November 2017 hatte überraschend Mugabes Stellvertreter Emmerson Mnangagwa den Präsidentschaftssitz übernommen. Nun stehen Montag Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Simbabwe an. Die Oppositionspartei „Movement of Democratic Change“ (MDC) will ein Wort mitreden und hofft einen Richtungswandel. Doch schon bei den Wahlvorbereitungen scheint einiges nicht mit rechten Dingen zuzugehen. Unser Büroleiter David Mbae lebt und arbeitet in Harare und hat mit kas.de über die Stimmung im Land kurz vor der Wahl gesprochen.
Kas.de: Herr Mbae, mit den bevorstehenden Wahlen scheint Mnangagwa seine Stellung und die der regierenden ZANU-PF-Partei besiegeln zu wollen. Die Oppositionspartei MDC-T hält jedoch mit Kandidat Nelson Chamisa dagegen. Wie sehen die aktuellen Umfragewerte aus?
Mbae: Im Rennen um das Präsidentenamt sehen die Umfragen den aktuellen Amtsinhaber Mnangagwa mit 40 Prozent der Stimmen vor Chamisa mit 37 Prozent. Bei circa 20 Prozent Unentschlossener ist hier noch nichts entschieden. Die Regierungspartei ZANU-PF ist vor allem in ländlichen Regionen stark, während die Opposition traditionell in den Städten dominiert. Im Falle der Parlamentswahlen sehen die Umfragen ZANU-PF bei 41 Prozent, MDC-T/Alliance bei 36 Prozent. Auch hier sind noch etwa 20 Prozent unentschieden oder unwillig ihre Tendenz mitzuteilen. Die Parlamentswahlen gestalten sich für das Oppositionsbündnis schwieriger als die Präsidentschaftswahlen, da die Spaltung der MDC-T, Streitigkeiten um die Besetzung von Sitzen innerhalb der Allianz, sowie die grundsätzlich bessere Organisation der ZANU-PF im landesweiten Vergleich diese begünstigen könnte.
Kas.de: Haben die Oppositionspartei MDC-T und das Land eine Chance auf eine echte Erneuerung?
Mbae: Die Opposition hat in diesem Jahr die Chance, die absolute Mehrheit der ZANU-PF im Parlament zu brechen. Dies wäre ein positives Zeichen für die simbabwische Demokratie. Das Rennen um das Präsidentenamt ist eng. Die aussichtsreichsten Kandidaten, Präsident Mnangagwa und Nelson Chamisa, könnten beide im ersten Wahlgang die 50+1 Prozent erringen. Eine „echte“ Erneuerung, also ein Wandel, welcher neben wirtschaftlicher Erholung auch grundlegende politische und soziale Veränderungen nach sich zieht, ist aus meiner Sicht kurzfristig nicht absehbar. Unabhängig vom Ausgang der Wahlen, sollten alle politischen Kräfte in Simbabwe die kommenden Jahre dazu nutzen, sich selbst neu aufzustellen, zu professionalisieren und nach Möglichkeit gemeinsam die enormen Herausforderungen, denen sich das Land gegenübersieht, anzugehen.
Kas.de: Wer ist der MDC-Kandidat Nelson Chamisa?
Mbae: Nelson Chamisa galt als der Ziehsohn des verstorbenen Parteipräsidenten Morgan Tsvangirai. Er gilt mit seinen 40 Jahren als junger, dynamischer Mann der Zukunft, jedoch auch als politisch unerfahren, populistisch und skrupellos. Nach dem Tod Tsvangirais ergriff er als einer der zwei Vizepräsidenten der MDC-T seine Gelegenheit und erklärte sich zum neuen Vorsitzenden. Die daraus resultierende Spaltung des Oppositionslagers nahm er dabei billigend in Kauf. Sein Politikstil kann als Beispiel dafür gesehen werden, wie das „System Mugabe“ die politische Kultur des Landes nachhaltig negativ geprägt hat.
Kas.de: Die Opposition beklagt sich über Fehler, die die Wahlkommission mache, über zweifelhafte Wählerlisten und das nicht alles mit rechten Dingen zugehe. Welche Anzeichen gibt es dafür?
Mbae: Es spricht einiges dafür, dass auch diese Wahl nach europäischem Verständnis nicht als uneingeschränkt frei und fair gelten kann. Dazu ist beispielsweise der Zugang zu den staatlichen Medien zu einseitig. Die Nachrichten um 20 Uhr am Abend sind kaum von den Wahlwerbespots der ZANU-PF zu unterscheiden, für die die Nachrichten stets unterbrochen werden.
Die Mehrheit der Bevölkerung betrachtet die Wahlkommission nicht als unabhängig. Jedoch attestieren alle Beobachter signifikante Fortschritte im Vergleich zu den letzten Wahlen im Jahr 2013. Dies ist also auch eine Frage des Maßstabs, welchen wir zur Bewertung anlegen.
Die Opposition steckt in einem Dilemma. Die „Anzeichen“ reichen in vielen Fällen für den Weg zu den Gerichten nicht aus und nun fehlt zudem noch die Zeit. Hätte man bereits im November 2017 eine konsolidierte Opposition gehabt, hätte man die Monate bis heute dazu nutzen können, die kritischen Fragen zu adressieren. Man war jedoch zu sehr damit beschäftigt, sich gegenseitig zu diskreditieren. Noch bis vor wenigen Tagen sprachen Vertreter der Opposition von Boykott. Doch nun, wo gar ein Sieg möglich scheint, will man davon nichts mehr wissen. Chamisa sagt dazu: „Winners don’t quit“. Dies deutet an, dass alles in Ordnung und vergessen ist, wenn man gewinnt, und wenn man verliert, dann war es Betrug. Diese Argumentation ist unglaubwürdig.
Kas.de: Mit welchen 3 stärksten Problemen hat das Land Simbabwe zu kämpfen?
Mbae: Die aus meiner Sicht gravierendsten Probleme des Landes sind miteinander verknüpft: Wirtschaft, Politik und sozialer Zusammenhalt. Die wirtschaftliche Lage kann sich nur dann verbessern, wenn ein uneingeschränkter politischer Wille dazu besteht. Die politische und militärische Elite bestimmt auch in wirtschaftlicher Hinsicht die Geschicke des Landes. Diese Elite ist, wie in vielen Ländern Afrikas, gänzlich entrückt von der Lebenswirklichkeit der einfachen Bevölkerung und es existiert in den meisten Fällen kein Sinn für das Gemeinwohl. Entscheidungsträger sehen die Politik weniger als Dienst am Bürger, als in der Erreichung persönlichen Wohlstands, der beinahe automatisch mit einem politischen Amt einhergeht. Diese Zustände haben 38 Jahre Vetternwirtschaft und Korruption in Simbabwe hinterlassen. Nur ein Sinneswandel der Elite in Verbindung mit der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft kann mittelfristig das wichtigste Anliegen der Bevölkerung erfüllen: Genug zu Essen und einen bezahlten Job, der einem die Schulausbildung der Kinder ermöglicht.
Kas.de: Jahrzehnte lang steuerte das Land einem wirtschaftlichen Niedergang entgegen. Eine kürzlich veröffentlichte Erhebung des Afrobarometers spiegelt die Stimmung des Landes wider. Darin sind sich 62 Prozent der Befragten sicher, dass Simbabwe einen falschen Weg eingeschlagen habe. Wie nehmen Sie die Stimmung im Land wahr?
Mbae: Der Mehrheit der Simbabwer geht es wirtschaftlich sehr schlecht. In 2018 sind Schätzungen zufolge bis zu 1,5 Millionen Menschen von Nahrungsmittelhilfen abhängig. Das sind mehr als 10 Prozent der Bevölkerung. Leider merkt man jedoch, dass dies mittlerweile zu einem Dauerzustand geworden ist, so dass die Menschen wenig klagen, was nach unserem Verständnis kaum zu begreifen ist. Seit den Ereignissen des November 2017 gibt es jedoch die große Hoffnung, dass die Regierenden ihre Fehler eingestehen und beschließen, es von nun an richtig zu machen. Die Stimmung ist im Vergleich zu 2017 deutlich verbessert, da die Angst vor Repressalien und staatlicher Verfolgung deutlich zurückgegangen ist. Angesichts des politischen Führungspersonals, welches bereits unter Mugabe präsent war, ist jedoch weiterhin eine gesunde Skepsis zu beobachten.
Kas.de: Herr Mbae, Danke für das Interview!