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Länderberichte

„Historischer“ Wahlsieg der Partido Popular in Andalusien

Der Partido Popular (PP) ist es erstmals seit Einführung der Demokratie in Spanien vor über 40 Jahren gelungen, in der bevölkerungsreichsten Autonomen Gemeinschaft Andalusien die absolute Mehrheit zu erzielen. Andalusien war seit Jahrzehnten fest in der politischen Hand der Partido Social Obrero Español (PSOE). Der PP ist es gelungen, auch symbolträchtige PSOE-Hochburgen wie Sevilla zu gewinnen. Deshalb wird das Wahlergebnis von den Beobachtern als „historisch“ bewertet. Dieser Erfolg verändert die politische Debatte im Hinblick auf die nationalen Abgeordnetenwahlen im kommenden Jahr 2023. Die PP sieht mit dem Ergebnis endgültig den Beginn vom Ende der linksgerichteten Regierung Sanchez eingeläutet, die wiederum die laufende Legislaturperiode zu Ende bringen und keine vorzeitigen Wahlen ausrufen möchte. Mit Blick auf die Einzelergebnisse der übrigen Parteien wie der eingebremsten rechtsgerichteten Vox, der aus dem Parlament ausgeschiedenen liberalen Ciudadanos oder der linken Parteien deuten sich tiefere tektonische Verschiebungen zunächst in Andalusien, möglicherweise im spanischen Parteiensystem insgesamt an.

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Fakten und Ergebnisse

Wahlergebnisse der Regionalwahlen in der Autonomen Gemeinschaft Andalusien 2018 und 2022

 [https://resultados.elpais.com/elecciones/2018/autonomicas/01/index.html, 21.06.2022]

 

Partido Popular (PP): Die PP legte im Vergleich zu den Wahlen von 2018 um 22,38% zu. Mit 43,13% erhält sie 58 von 109 möglichen Mandaten. Der Parteivorsitzende und Regierungspräsident Juan Manual Moreno Bonilla, der in der vorausgegangenen Regierungszeit mit der liberalen Ciudadanos koaliert hatte, kann nun eine Alleinregierung bilden. Moreno pflegte in Abgrenzung zur (noch) üblichen politischen Kultur der Polarisierung in Spanien einen dezidiert moderaten Stil im Wahlkampf und fokussierte sich in seiner Kampagne auf praktische Vorschläge in den Politikfeldern Arbeitsmarktpolitik, Wirtschaftswachstum, Familienförderung, Nachhaltigkeit, Kultur und Tourismus. Grundlegende Forderungen nach Reformen fehlten ebenso wie Zukunftsvisionen oder eine pointierte ideologische Kulturdebatte.

 

Ciudadanos C´s: Diese liberale Partei konnte aus ihrer geräuschlosen Mitarbeit in der Koalition mit Moreno (PP) keinen Vorteil ziehen. Im Gegenteil stürzte sie von 18,27 % in 2018 auf 3,29% ab und verfehlte den Einzug ins Parlament. Dabei wäre Moreno zur Fortsetzung der Koalition bereit gewesen. Es hat dieser Partei auch nichts genutzt, dass ihr Vorsitzender und stv. Ministerpräsident Juan Marín in den Wahlumfragen die höchsten Beliebtheitswerte unter den Wählern aufwies. Marín trat nach Bekanntwerden des Ausscheidens der Partei aus dem Regionalparlament von allen Parteiämtern zurück. 

 

Vox: Diese nationalkonservative rechtspopulistische Vox verfehlte ihr Ziel, entscheidenden Einfluss auf die andalusische Regierungsbildung zu nehmen. Zwar konnte sie mit + 2,49% auf nunmehr 13,46% zwei Mandate hinzugewinnen, blieb jedoch weit hinter ihren eigenen Erwartungen zurück. Die Spitzenkandidatin Macarena Olona hatte ihr Mandat in der spanischen Abgeordnetenkammer erst in der Wahlnacht niedergelegt und war ohne ein spezifisches Wahlprogramm für Andalusien angetreten. Ihre Kampagnenstrategie ging folglich kaum auf Politikthemen ein, die in Andalusien relevant sind und wurde generell als sehr „folkloristisch“ beurteilt. Viele Meetings waren zudem auf den nationalen Parteivorsitzenden Santiago Abascal ausgerichtet.

Paradoxerweise wirkte die Wählermobilisierung von PSOE und weiterer Linksparteien gegen Vox dieses Mal zugunsten der PP, da die Chancen auf einen Sieg des (glaubwürdig) moderaten Moreno Bonillas durch die Wähler so hoch eingeschätzt wurden, dass diejenigen Wähler der politischen Mitte, die eine starke Rolle von Vox verhindern wollten, ihre „nützliche Stimme (voto útil)“ für die PP abgaben und nicht für die PSOE. In diesem Sinne hatte Moreno zum Wahlkampfende bei den Wählern darum geworben, durch die Wahl von PP „Geschichte zu schreiben“ und den Einfluss von Vox zu verhindern. 

 

Partido Social Obrero Español (PSOE): Diese gefühlt ewige Regierungspartei erlebte ein Wahldesaster. Zwar mutet der Rückgang um 3,8% auf 24,09 % auf den ersten Blick nicht dramatisch an. Die PP hat jedoch nahezu doppelt so viele Mandate errungen. Für die PSOE ist es ein weiterer Rückschlag in einer langen Serie von Rückschlägen, die in Andalusien seit 2008 zu einem Stimmenrückgang von 2,2 Mio. auf nunmehr ca. 884.000 Wählerstimmen führte. Zudem erzielte erstmals seit der demokratischen Transition die PP ein besseres Ergebnis in Andalusien als die PSOE. Die PSOE regierte von 1977 bis 2019 ununterbrochen in der Region. Der vom spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez persönlich eingesetzte Herausforderer Juan Espada (PSOE) ist seit sieben Monaten Generalsekretär der andalusischen Sozialisten. Er konnte die Hoffnungen seiner Partei auf einen Wahlsieg nicht erfüllen. Die PSOE hat unter ihrem Ministerpräsidenten Sánchez nach Madrid und Castilla y León nunmehr in Andalusien mittlerweile den dritten Wahlverlust in Folge hinnehmen müssen.

 

Adelante Andalucía: Diese linkspopulistische Gruppierung, die 2018 noch 17 Mandate holen konnte, zersplitterte aufgrund von internen Streitigkeiten vor der Wahl 2022 in zwei Formationen, die daraufhin miteinander im Wettbewerb standen. Adelante Andalucía trat mit der Spitzenkandidatin Teresa Rodríguez an, einer ehemaligen Parteiführerin der linkspopulistischen Podemos Andalucía, die mittlerweile einer Bewegung von linksautonomen Antikapitalisten angehört und mit nur zwei erreichten Mandaten nicht überzeugen konnte. 

Por Andalucía: Demgegenüber bestand diese Wahlkoalition aus Podemos, der Vereinigten Linken (IU) und Más País. Dieses Bündnis wurde von der stellvertretenden spanischen Ministerpräsidentin Yolanda Díaz gefördert, die Mitglied der Kommunistischen Partei Spaniens ist. Da sich Díaz als natürliche Nachfolgerin von Pablo Iglesias und damit als neue Führungsperson der linkspopulistischen Bewegungen in

Spanien sieht, kann sie das Ergebnis von nur fünf Mandaten nicht zufriedenstellen. 

 

 

Erst-Analysen der Parteien, Medien und Experten /-innen

Sowohl Juanma Moreno von der PP als auch sein Herausforderer Juan Espada von der PSOE pflegten einen moderaten Umgang miteinander im Wahlkampf. Damit wich Espada deutlich von der Tonlage ab, die in der nationalen Parteizentrale der Sozialisten in Madrid gegenüber der PP gepflegt wird und die in der PP bis zur Wahl von Alberto Nuñez Feijóo auch der Stil der PP gegenüber der PSOE gewesen ist. Die unterschiedlichen Reaktionen der beiden großen Parteien sind nachvollziehbar:

Die PP sieht im Wahlergebnis den Beginn vom Ende der PSOE-geführten Regierung unter Sanchez und sich selbst auf einer fast unweigerlichen Siegerstraße Richtung Regierungsübernahme bei den Kongresswahlen im kommenden Jahr 2023. Ein „Feijóo-Effekt“ ist zwar nicht unmittelbar messbar, doch dürfte sich seine Leistung, eine Partei, die noch vor 80 Tagen vor dem Kollaps stand, in ruhigeres Fahrwasser geführt zu haben, positiv ausgewirkt haben. 

Nach einhelliger Meinung hat die integrierende Persönlichkeit von Moreno den Ausschlag gegeben. Auch als Regierungspräsident sei er der Typ „Bürgermeister für jeden“ gewesen. Seine gemäßigte Art hätten ihn auch für ehemalige PSOE-Wähler wählbar gemacht. Feijóo ermahnte seine Partei, sich jeglichen Triumphalismus zu enthalten und hart für die nächsten Wahlen zu arbeiten.

Etwas Entspannung bringt das Wahlergebnis bei der für die PP kritischen Frage, wie mit der rechtspopulistischen Partei Vox umzugehen sei. Die PP-Regierung von Castilia-León koaliert offiziell mit Vox. In Andalusien ist es nicht nur gelungen, den Aufstieg von Vox abzubremsen, sondern sie vor allem von der Regierungsbeteiligung fernzuhalten. Das unterstreicht wiederum die Strategie von Feijóo, die PP eher in der Mitte des politischen Spektrums zu navigieren und sich nicht der politischen Argumentation von Vox anzuschließen, um deren Wählerschaft zurück zu gewinnen.

Nachvollziehbar weichen die Interpretationen der PSOE und der ihnen nahestehenden Zeitungen davon ab. Die stv. PSOE-Generalsekretärin Adriana Lastra hatte sich am Wahlabend geweigert, Juanma Moreno zu seinem Wahlsieg zu gratulieren. Sie begründete dessen Wahlsieg „mit den europäischen Fördermitteln, die Ministerpräsident Pedro Sánchez an Andalusien überwiesen habe“. Sanchez selbst lehnte jede Mitverantwortung für die Wahlniederlage ab führte ins Feld, dass in der Pandemie immer die Amtsinhaber die Wahlen gewonnen hätten. Der PSOE sei es nicht gelungen, ihre Wählerschaft zu mobilisieren – ein in Anbetracht der fast unveränderten Wahlbeteiligung unverständliches Argument. Es gab (noch) keinen Hinweis auf irgendeine Form der Selbstkritik. Der negative Einfluss der Madrider Regierung auf das Wahlergebnis ist ebenfalls schwer zu messen, doch ist die Unzufriedenheit mit der Regierung Sanchez in nahezu allen Politikfeldern groß.

Politische Analysten sehen in Andalusien die Tendenz zur Zersplitterung des Parteiensystems gestoppt, warnen aber zugleich davor, in simpler Extrapolation diesen Trend auch für die nationale Ebene als gegeben hinzunehmen. Die Wähler in Andalusien wollten keine Ideologie, keinen Kulturkampf, keinen Revanchismus, keine Minderheitenthemen, sondern eine Berücksichtigung ihrer Alltagssorgen um Arbeitsplätze, Pandemiefolgen oder Preissteigerungen. Moreno habe dem zugewandten, pragmatischen Politikertypus am ehesten entsprochen.

In der PSOE wird der Druck seitens einiger „Baronen“ größer, sich von den Duldungspartnern Podemos und den kleineren Regionalparteien zu befreien, um dem Abwärtsstrudel zu entgehen. Das lehnt Sanchez dezidiert ab. Im Mai 2023 stehen weitere 12 Wahlen in den Comunidades Autónomas an, von denen derzeit 9 von PSOE Regierungspräsidenten angeführt werden. 

 

Fazit vor allem im Hinblick auf die Partnerpartei PP

  • Der Einfluss Andalusiens in der PP ist gestiegen. Feijóo teilt ähnliche Grundüberzeugungen wie Moreno. Beide wollen mit einem Kurs der Mitte in 2023 eine absolute Mehrheit erreichen. Vor den Regionalsiegen von Ayuso und Moreno galt dies als illusorisch. Zwar hat sich die Illusion in der PP-Perzeption in eine realistischere Möglichkeit gewandelt, doch wird eine absolute Mehrheit aufgrund der höheren Zersplitterung des nationalen Parlamentes schwer zu erreichen sein. 
  • Eher von den Medien befeuert als innerhalb der PP selbst wird nun diskutiert, ob der moderate Stil von Feijóo oder Moreno als Strategie für die landesweiten Wahlen in 2023 erfolgversprechender sei als das aggressive, kulturkämpferische Vorgehen der Regierungspräsidentin von Madrid, Isabel Ayuso. Der vermeintliche Gegensatz zwischen dem moderaten und dem offensiv aggressiven Stil dürfte von Feijóo in der Form abgemildert werden, dass er beide Stile zulässt. Denn beide waren für sich genommen erfolgreich und gelten als komplementär. Feijóo scheint die PP zu einer Partei umbauen zu wollen, die transversal angelegt ist und vielfältige Wählergruppen mit regionalen Schwerpunkten und Themen von nationaler Bedeutung zugleich erreichen will. Also eine Art Volkspartei eigener Prägung oder eine Art „PP à la carte“.
  • Der laut einem Vorstandsmitglied „wichtigste jemals errungene Regionalsieg der PP“ nur wenige Monate nach der tiefsten Krise der PP erzeugt Optimismus, sogar Enthusiasmus. 

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