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Länderberichte

Die Königsmacher

von Jennifer Howe (geb. Schuster)

Bericht vom 24. Kongress der ANC Youth League in Midrand/Südafrika

Die ANC Youth League (ANYCL), die sich selber als einflussreichen, militanten, radikalen und revolutionären Ju-gendflügel des ANC versteht, beging vom 16. bis 20. Juni ihren 24. National Congress in Midrand bei Johannesburg. Über 5000 Delegierte versammelten sich um einen neuen ANCYL-Vorstand zu wählen. Bei nur einem Kandidaten für den Posten des Vorsitzenden fiel die Wahl leicht, Julius ‚JuJu‘ Malema wurde in seinem Amt bestätigt.

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Die viertägige Konferenz verlief, abgesehen von einigen zertrümmerten Hotelzimmern, recht friedlich ab. Neben den Wahlen zum neuen Vorstand waren die Feierlichkeiten zum südafrikanischen Jugendtag einer der Höhepunkte der Konferenz. Der „Youth Day“ wird jedes Jahr am 16. Juni in Erinnerung an die Proteste im Jahr 1976 in Soweto abgehalten, um den mutigen Schülern und Schülerinnen zu gedenken, die gegen die Einführung von Afrikaans als Unterrichts-sprache demonstrierten, was einige von ih-nen mit dem Leben bezahlten.

Damals kämpften die Jugendlichen für ihre Freiheit und wurden von dem Wunsch getrieben, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Heute kämpft die ANCYL für „total economic emancipation of the economically oppressed people of South Africa, Af-rica and the world”. Damit führte der National Congress die Debatte um die Nationalisierung von Minen, Banken und Land weiter. Denn laut Julius Malema könne die Ar-mut in Südafrika nur bekämpft werden, wenn ein Nationalisierungsprogramm implementiert würde. Es könne nicht akzeptiert werden, dass die Wirtschaft des Landes von weißen Männern bestimmt wird. Die Besitzverhältnisse müssen demnach umverteilt werden.

Die Formulierung von radikalen Positionen ist eines der Steckenpferde der ANCYL -besonders ihres alten und neuen Vorsitzen-den Malema. Neben dem Ruf nach Nationa-lisierung macht er fast täglich mit provokanten Äußerungen auf sich aufmerksam. Mal nennt er die Vorsitzende der DA, Hellen Zille, einen Affen, mal findet er sich wegen des erneuten – und trotz einer richterlichen Ent-scheidung, dies zu unterlassen – Singens von alten Freiheitskämpferliedern auf der Anklagebank wieder.

Dass Jugendorganisationen von politischen Vereinigungen durch medienträchtige Äußerungen auf sich aufmerksam machen wollen, ist zwar nichts Neues und wird überall praktiziert, bei der ANCYL und ihrem Vorsitzenden handelt es sich jedoch nicht nur um ungestüme Jungpolitiker, sondern um etablierte Jungprofis, die sich ihrer Macht und Stärke durchaus bewusst sind. Malema schreckt zum Beispiel nicht davor zurück, öffentlich gegen den Präsidenten des Landes, Jacob Zuma, Stellung zu beziehen, wenn dieser versucht den beunruhigten Farmern des Landes zu versichern, dass ihr Land nicht ohne Kompensierung nationalisiert wird, nachdem Malema dieses öffent-lich gefordert hatte und zur Politik des ANCYL erklärt hatte.

Zwar versuchen hochrangige ANC-Mitglieder immer wieder Malema unter ihre Kontrolle zu bringen und verhängten mehrere interne Disziplinarstrafen, wie zum Beispiel den Be-such einer „politischen Schule“, letztendlich versammeln sich aber die Kräfte im ANC durchaus hinter dem ANCYL-Vorsitzenden. Eine der größten Unterstützerinnen ist Winni Madikizela-Mandela, aber auch Jacob Zuma und der Generalsekretär des ANC, Gwede Mantashe, stärken ihm im Zweifel den Rücken. Denn letztendlich besitzt die ANCYL eine große Hausmacht innerhalb des ANC und fungierte 2007 in Polokwane als Königsmacher, die Zumas Kandidatur zum ANC-Vorsitzenden unterstützen und dem damaligen Präsidenten und ANC-Vorsitzenden Thabo Mbeki die Gefolgschaft aufkündigten. Malema lies verlauten, dass er und die ANCYL bereit wären „to kill for Zuma“ und der damalige ANCYL-Vorsitzende Fikile Mbalula rief während des ANC National Congress in Polokwane die ANC-Mitglieder dazu auf Zumas Kandidatur zu unterstützen , nachdem die Youth League bereits vor den Wahlen ihre Unterstützung für Zuma öffentlich machte.

Ein Jahr vor dem nächsten ANC National Congress in Mangaung sieht es aber so aus, als hätte Zuma die Unterstützung der Youth League verloren – die ausschlaggebend für seine mögliche Wiederwahl zum ANC Präsidenten 2012 und damit für eine zweite Amtsperiode als Präsident des Landes wer-den könnte. Immer häufiger kritisiert Male-ma Entscheidungen Zumas, besonders die Zustimmung des Landes zur UN-Resolution 1973 im UN-Sicherheitsrat, die auf die verschärfte Situation in Libyen reagierte. Damit kann die Wiederwahl Malemas auch Auswirkungen auf das Machtgefüge und das Kandidatenkarussel innerhalb des ANCs und ih-re politischen Entscheidungen, besonders im Bereich der Nationalisierung von Minen und Farmen, haben. Deswegen scheint es nicht überraschend, dass im Vorfeld der Wahlen Gerüchte zu vernehmen waren, dass Zuma versucht hatte einen Kandidaten gegen Ma-lema für den ANCYL-Vorsitz aufzubauen. Der politische Analyst Elvis Masoga meinte dazu, dass es nicht weiter erstaunlich sei, wenn die ANC-Führung ein großes Interesse an der Nachfolgefrage innerhalb der ANCYL hätte, betrachtet man die historische Tatsa-che, dass die ANCYL bislang immer ein be-stimmender Faktor der ANC-Führung war.

Der ANCYL-Vorsitzende der Provinz Gauteng Lebogang Maile wollte sich der Herausforderung stellen gegen Malema anzutreten, zog seine Kandidatur aber zurück, nachdem deutlich wurde, dass er nicht die nötige Un-terstützung der Delegierten für eine Nomi-nierung während des Kongresses erhalten würde, nachdem er bereits in den neu ein-geführten Vorwahlen in den Provinzen scheiterte. Maile ist dafür bekannst, dass er gute Beziehungen zu der Führungsriege des ANC pflegt. Ein ANCYL-Vorsitzender Maile hätte sich wahrscheinlich mit Personalfragen innerhalb des ANCs zurückgehalten und sowohl eine erneute Kandidatur Zumas als auch die des Generalsekretärs Gwede Mantashe unterstützt. Die Malema-Anhänger haben hingegen nicht nur ihren Unmut über Zuma verlauten lassen, sondern wollen auch Mantashe mit dem ehemaligen ANCYL-Vorsitzenden Mbalula bei den anstehenden Wahlen 2012 ersetzen.

Für viele Außenstehende ist die Anzie-hungskraft Malemas und damit sein politi-scher Erfolg nicht nachzuvollziehen. Die „Malemaphobie“ greift um sich in den Kreisen der südafrikanischen Elite. Das politische Geschäft erlernte er bereits in jungen Jahren, 1995 wurde er zum Regionalvorsit-zenden der ANC Youth League gewählt, 1997 übernahm er den Vorsitz des Congress of South African Students der Provinz Limpopo, 2001 wurde er nationaler Präsident der Vereinigung. Seit 2008 ist Malema Prä-sident der ANC Youth League.

Malema, der aus der Provinz Limpopo aus ärmlichen Verhältnissen stammt, ist kein Intellektueller und auch kein Visionär. Seinen Schulabschluss erreichte er erst mit 21 Jahren. Dennoch begeistert er die Jugend des Landes.

Er wird als politischer Führer betrachtet, der die einfachen Menschen versteht und ihre Sprache spricht. Jemand von ihnen, der aus dem nichts gekommen ist und – dank zahlreicher Staatsaufträge für seine Firmen – den sozialen Aufstieg geschafft hat. Die un-gewisse Zukunft mit der sich viele Jugendlichen konfrontiert sehen, führt zu Wut und zum Verlust des Vertrauens in das politische System. 20,5 Prozent der Südafrikaner sind zwischen 15 und 24 Jahre alt , mit einer Jugendarbeitslosigkeit von knapp über 50 Pro-zent stellen sie eine Masse von zukünftigen, aber frustrierten Wählern dar. Es scheint, als nutze Malema dies, um seine eigene Popularität auszubauen. Er adressiert Themen, die Jugendliche belangen und fordert Gerechtigkeit für die kommenden schwarzen Generationen. Dies erweckt den Anschein, dass er der einzige ist, der sich für die Jugendlichen einsetzt. Er selbst profiliert sich als kritische Stimme der südafrikanischen Jugend. Er nennt die Probleme, wie z. B. das Bildungssystem, die hohe Ju-gendarbeitslosigkeit, Alkoholismus unter Jugendlichen und HIV/Aids, beim Namen. „You only vote for those who speak to your aspiration“, erinnerte Malema seine Anhän-ger am Ende des National Congresses.

Im Gegensatz zu den Jugendlichen, die Malema als ihren legitimen Vertreter verstehen, zeigen sich südafrikanische und inter-nationale Unternehmen in Südafrika eher besorgt. Seine Äußerungen zu Fragen der Nationalisierung haben einen negativen Ein-fluss auf Investitionen in das Land. Zusätz-lich befürchten Investoren ein Auseinanderdriften innerhalb des ANCs, da die Youth League nach mehr Macht innerhalb der Allianz strebt, was die politische Stabilität und den Transformationsprozess gefährden könnte. Jedoch sind alle Parteien innerhalb des ANCs an einem Machterhalt interessiert, weswegen eine Zersplitterung in naher Zu-kunft wohl eher unwahrscheinlich ist.

Dennoch sehen einige Führungskräfte – auch innerhalb des ANCs - die erstarkende ANCYL durchaus kritisch und zwar nicht nur für ihre eigenen politischen Aspirationen. Der Generalsekretär des Gewerkschaftsverbandes Cosatu, Zwelinzima Vavi, schrieb in einem internen Dokument, was der Presse jedoch in die Hände fiel, dass Südafrika sich zu einer „Bananenrepublik“ entwickeln könnte, wenn die Youth League an ihren Plänen festhält, Gwede Mantashe als ANC-Generalsekretär absetzen zu wollen. Weiterhin beschrieb Vavi das Verhältnis zur ANCYL als kompliziert.

Zudem stellt Malema die nicht-rassistische Politik des ANCs in Frage und spaltet damit nicht nur die Bevölkerung der sogenannten Regenbogen-Nation Südafrika, sondern auch den fragilen Zusammenhalt innerhalb des ANCs. Kritische Stimmen befürchten, dass er durch seine Äußerungen die zer-brechliche Einheit Südafrikas destabilisieren könnte.

Letztendlich ist Malema ein Populist, der die Massen von desillusionierten Jugendlichen hinter sich vereinigt und seine polemischen Äußerungen finden Zustimmung bei der ländlichen und ärmeren Bevölkerung. Malema wird durchaus als zukünftiger „political leader“ geführt und „der Mann fürs Grobe“ sollte nicht unterschätzt werden. Seine Äu-ßerungen sollten ernst genommen werden, denn durch die Unterstützung der Jugend könnte Malema eines Tages die Zukunft des Landes bestimmen und gestalten.

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