Länderberichte
Der umstrittene ANC-Chef sprach Anfang Januar vor rund 80.000 Menschen im voll gepackten Sportstadion in East London zu seinen Anhängern – und versprach ihnen wieder einmal das Blaue vom Himmel herunter. Neue Häuser für die Armen, mehr Arbeitsplätze, kostenlose Schulbildung, staatliche Eingriffe in die Wirtschaft und eine Gesundheitsversorgung für jeden Südafrikaner: dies sind die Themen, mit denen der ANC die zuletzt unter Thabo Mbeki vernachlässigte Masse der armen Wähler für sich gewinnen will.
Konkret nennt das ANC-Programm fünf Schwerpunkte für die kommende Regierungsperiode: die Schaffung von Arbeitsplätzen, den Ausbau des Gesundheitssystems, Bildung, Nahrungsmittel-Sicherheit und ländliche Entwicklung sowie den Kampf gegen Korruption und Verbrechen. „Die Schaffung von anständigen Arbeitsplätzen steht im Mittelpunkt unserer Wirtschaftspolitik. Wir werden eine umfassende staatlich geführte Wirtschaftspolitik implementieren, die unsere öffentlichen und privaten Investitionen bei der Schaffung von Arbeitsplätzen unterstützt und die wirtschaftliche Transformation erweitert“, versprach Zuma. In diesem Zusammenhang sprach Zuma auch von der Schaffung eines neuen „Superministeriums“, das als eine Art zentraler Planungsstab fungieren und die Regierung überwachen soll. ANC-Sprecher Carl Niehaus widersprach am Sonntag zwar Berichten, denen zufolge ein solches „Superministerium“ die Autorität anderer Ministerien untergraben und ihre Entscheidungen verwerfen könnte. Doch er bestätigte Pläne zur Schaffung einer zentralen Einheit in der Regierung, die aller Voraussicht nach im Präsidialamt beheimatet sein wird. Mit einem solchen Planungsstab geht der ANC auf seinen Allianzpartner, die South African Communist Party (SACP) zu. Die SACP hatte bereits vor Monaten die Schaffung einer solchen Einheit gefordert. Zentralistische Konzepte, die mit der Einigung auf die 1996 in Kraft getretene Verfassung bereits als erledigt betrachtet wurden, könnten so in Zukunft neuen Aufwind gewinnen und wieder auf der Tagesordnung erscheinen. Wie die staatlichen Eingriffe in die Wirtschaft konkret aussehen sollen, ist allerdings noch unklar.
Ebenso unklar ist auch, wie Zuma seine weiteren Wahlversprechen einlösen will. Kostenlose Schulbildung für Kinder und Jugendliche aus verarmten Bevölkerungsschichten, Kampf gegen das Analphabetentum und eine umfassende Verbesserung der Unterrichtsqualität, vor allem auf dem Land, sind kostspielig und in der Vergangenheit unter anderem an der mangelnden Zusammenarbeit der verschiedenen Regierungsebenen gescheitert. Zuma versprach außerdem, die Neuansteckungsrate mit dem HI-Virus durch eine „aggressive Vorbeugungs-Kampagne“ um 50% zu reduzieren sowie für mindestens 80% aller Infizierten die medizinische Versorgung sicherzustellen – ein weiteres Thema, das auf dem Land auf offene Ohren stößt und unter Thabo Mbeki eklatant vernachlässigt wurde.
Bei den ANC-Partnern in der Tripartite Alliance hat aber vor allem das Versprechen nach staatlichen Interventionen für Zustimmung gesorgt. Sowohl die Kommunistische Partei SACP als auch der Gewerkschaftsverband Cosatu äußerten sich erfreut über den Linksruck in der Regierungspartei. Gemeinsam mit SACP und Cosatu regiert der ANC das Land seit 1994. Während die ehemalige Befreiungsbewegung ihren Zuspruch in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausbauen konnte, droht bei den kommenden Wahlen der Verlust der 2/3-Mehrheit. Die nach dem Sturz von Mbeki gegründete Oppositionspartei COPE (Congress of the People) könnte dem ANC einen Teil der Wähler streitig machen. Mit dem jetzt präsentierten Programm versucht die Partei um Jacob Zuma nun, dem entgegen zu wirken. Der ANC hat vorgelegt – jetzt muss COPE nachziehen und in seinem Wahlprogramm darstellen, wo die Unterschiede zur Regierungspartei liegen. Es wird erwartet, dass sich die neue Opposition mehr in der Mitte des politischen Spektrums zu etablieren versucht, mit wirtschaftsfreundlichen Konzepten, die sich an den bisher unter Mbeki umgesetzten Strategien orientieren werden. Gleichzeitig will COPE aber ebenfalls die enttäuschte Unterschicht für sich gewinnen. Genau wie der ANC stützt sich die neue Partei auf die 1955 ins Leben gerufene Freedom Charter und verspricht ebenfalls „ein besseres Leben für alle“. Wie dieser Balanceakt zwischen klarer Abgrenzung zum ANC und gleichzeitigem Bezug auf die Wurzeln des Befreiungskampfes gelingen soll, muss die COPE-Führung unter dem ehemaligen Verteidigungsminister Mosiuoa Lekota am 24. Januar erkären. Dann steht die Präsentation des COPE-Programms an – ebenfalls im Eastern Cape. Der Kampf um die Stimmen der Armen Südafrikas ist voll entfacht.
Verfahren gegen Zuma
Während Jacob Zuma am Samstag vor seinen Anhängern noch einen umfassenden Kampf gegen Korruption versprach, hatte das Oberste Berufungsgericht in Bloemfontein am Montag zu entscheiden, ob diverse Korruptions-Verfahren gegen Zuma selbst neu aufgerollt werden. In einem historischen Urteil, das den Auslöser zum Sturz Thabo Mbekis vom Amt des Staatspräsidenten gab, hatte Richter Chris Nicholson vom Obersten Gerichtshof am 12. September 2008 entschieden, das Verfahren gegen Zuma aufgrund von Verfahrensfehlern einzustellen. Nicholson warf Mbeki politische Einflussnahme der Justiz vor – der Weg für Zuma zum höchsten Staatsamt schien frei.
Die Nationale Anklagebehörde (NPA) gab sich mit dem Urteil aber nicht zufrieden und legte Berufung ein – erfolgreich. Richter Louis Harms entschied am Montagmorgen, dass sein Kollege Nicholson seine Befugnisse überschritten hat und der Fall Zuma neu aufgerollt werden muss. „Die Frage der politischen Einflussnahme war keine, die das Gericht zu entscheiden hatte“, so Harms. Nicholson habe die Spielregeln einseitig geändert und die eigentliche Frage – die nach der Schuld oder Unschuld Jacob Zumas – aus den Augen verloren. Für Thabo Mbeki, der aufgrund der Nicholson Entscheidung zum Rücktritt gezwungen worden war, sind diese Worte eine späte Genugtuung.
Doch so schnell gibt Jacob Zuma sich nicht geschlagen: Schon vor der Entscheidung des Gerichts in Bloemfontein hatte der ANC-Präsident angekündigt, im Falle eines Urteils gegen Nicholsons Richterspruch, vor das Verfassungsgericht zu ziehen. Die unendliche Geschichte der Verfahren gegen Jacob Zuma geht also weiter. Ein Urteil wird nicht vor den Wahlen erwartet. Das endgültige Datum der Wahlen steht noch nicht fest – Medienberichten vom Montag zufolge wird aber der 15. April anvisiert.