Jan Hofmeyr, Leiter des Policy and Research Programme am IJR, eröffnete die Veranstaltung und erläuterte zunächst die Rolle des IJR als südafrikanischer Partner des Afrobarometers bei der Datenakquirierung und –auswertung. Darauffolgend begrüßte Christina Teichmann, KAS Programmbeauftragte, die Teilnehmer im Namen der Stiftung und erinnerte diese daran, dass die im kommenden Jahr anstehenden Wahlen 25 Jahre Demokratie in Südafrika markieren werden. Im Vergleich zu anderen Ländern sei die südafrikanische Demokratie zwar noch jung, dennoch seien viele Südafrikaner, darunter insbesondere die junge Generation der Wahlberechtigten, bereits desillusioniert und nicht daran interessiert, von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen. Laut Teichmann sei Demokratie weiterhin die präferierte Regierungsform, dennoch würden viele Menschen, insbesondere diejenigen, deren Lebensverhältnisse sich seit 1994 nicht merklich verbessert hätten, ihre Vorzüge nicht wahrnehmen. Dazu kommt, dass Korruptionsskandale und State Capture unter der Zuma Administration sowie eine anhaltend hohe soziale Ungleichheit, hohe Arbeitslosigkeit und eine angeschlagene Wirtschaft zu einem Vertrauensverlust der Bevölkerung gegenüber der Regierung geführt haben. Vor diesem Hintergrund, so Teichmann weiter, würden Meinungsumfragen wie das Afrobarometer nützliche Erkenntnisse über vorherrschende politische Einstellungen vor Ort liefern.
Methodologie des Afrobarometers
Bevor die Ergebnisse der diesjährigen repräsentativen Umfrage veröffentlicht wurden, stellte Anyway Chingwete, Senior Project Leader des Afrobarometers, die angewandte Methodik vor. Der Afrobarometer ist ein pan-afrikanisches, unparteiisches Forschungsnetzwerk, das Meinungsumfragen zu den Themen Demokratie, Regierungsführung, Wirtschaft und verwandten Schwerpunkten in Afrika durchführt. Seit 1999 wurden sechs Erhebungsrunden in bis zu 37 afrikanischen Ländern durchgeführt. Im Hinblick auf die fünfte Parlamentswahl in Südafrika, die voraussichtlich im August 2019 stattfinden wird, hat das Afrobarometer-Team in den letzten Monaten 1.800 erwachsene Südafrikaner befragt, um mehr über die parteipolitischen Präferenzen und Einstellungen der Wähler zu erfahren.
Zentrale Ergebnisse
Die Ergebnisse wurden von Jamy Felton, Data Quality Officer beim Afrobarometer, vorgestellt und untergliedern sich in folgende Schwerpunktthemen: Parteipräferenzen in Südafrika, unparteiische Wähler, Einstellungen zu den Wahlen und die Bereitschaft, das Wahlrecht für soziale Dienstleistungen aufzugeben. Die wichtigsten Ergebnisse waren die folgenden:
Parteipräferenzen der Wähler
Im Hinblick auf die Unterstützung der Parteien in Südafrika deuten die neuesten Daten des Afrobarometers darauf hin, dass fast die Hälfte (48%) der Südafrikaner für den African National Congress (ANC) stimmen würden, wenn morgen Wahlen stattfinden würden. Die Demokratische Allianz (DA) und die Economic Freedom Fighters (EFF) würden mit jeweils 11% den zweiten Platz belegen, während mehr als ein Viertel (27%) der Bürger nicht wissen, wie sie wählen würden, überhaupt nicht wählen oder die Antwort ablehnen würden. Die Daten zeigen auch, dass der ANC in ländlichen Gebieten (59%) deutlich stärker ist als in Städten (43%), während die DA ihren ländlichen Anteil (4%) in städtischen Gebieten (14%) mehr als verdreifacht. Die EFF hingegen weist ein Stadt-Land-Gleichgewicht auf (je 11%). Darüber hinaus äußern Männer und Frauen ähnliche Abstimmungspräferenzen, wobei der Anteil der Frauen, die die EFF-Partei wählen würden, signifikant geringer ausfällt als der Anteil der Männer. Nach Altersgruppen gegliedert scheint der ANC die schwächste Unterstützung unter den jüngeren Wahlberechtigten (43% der 18- bis 25-Jährigen) zu haben. Im Gegensatz dazu ist die Bereitschaft, die EFF zu wählen bei den jüngeren Befragten (17% der 18- bis 25-Jährigen) höher als bei älteren Wahlberechtigten.
Anstieg unparteiischer Wähler
Nach den neusten Ergebnissen des Afrobarometers ist der Anteil der unparteiischen Wähler enorm gestiegen. So geben mehr als die Hälfte (53%) der Südafrikaner an, dass sie sich keiner politischen Partei zugehörig fühlen, was der größte Anteil an parteilosen potenziellen Wählern seit dem Jahr 2000 ist. Unter Berücksichtigung der demographischen Aspekte wird zudem deutlich, dass die Mehrheit in städtischen Gebieten lebt, unter 35 Jahre alt ist und über eine sekundäre oder sogar postsekundäre Bildung verfügt. Laut Felton führt der signifikante Anteil von Menschen, die sich keiner Partei nahe fühlen, zu der Annahme, dass politische Parteien diese potenziellen Wähler durch ihre Parteikampagnen und/oder Politik noch beeinflussen könnten.
Vertrauen in die Wahlkommission
Eine detailliertere Auswertung der Einstellungen hinsichtlich der anstehenden Wahlen in Südafrika zeigt, dass mehr als zwei Drittel (69%) der Bürger der Meinung sind, dass die Wahlen frei und fair sind, wobei lediglich etwa die Hälfte (38%) äußert, dass sie der Unabhängigen Wahlkommission vertrauen. Damit erreicht die Kommission ihren niedrigsten Wert seit dem Jahr 2000. Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Wahlkommission drastisch gesunken ist. Felton stellte diesbezüglich jedoch klar, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit auch in andere Institutionen aufgrund einer Vielzahl von Korruptionsskandalen unter der Zuma-Administration zurückgegangen ist.
Generell halten sechs von zehn Südafrikanern regelmäßige, offene und faire Wahlen für die angemessenste Art, politische Ämter zu besetzen, unterstützen den Mehrparteienwettbewerb und lehnen eine Einparteienherrschaft sowie eine „one-man rule“ ab.
Eines der auffälligsten Ergebnisse ist, dass die Bereitschaft vieler Südafrikaner, ihr Wahlrecht im Austausch für Sozialdienstleistungen aufzugeben, hoch ist, obwohl sie klar eine allgemeine Präferenz für demokratische Wahlen zeigen. Sechs von zehn Südafrikanern (62%) erklären sich bereit, auf Wahlen zu verzichten, wenn eine nicht gewählte Regierung für Recht und Ordnung, Arbeitsplätze und Unterkunft sorgen könnte. Dieses Ergebnis könnte, so Felton zum Schluss, darauf zurückzuführen sein, dass lediglich ein Fünftel (22%) der Südafrikaner mit der Leistung der Regierung bei der Schaffung von Arbeitsplätzen zufrieden seien und weniger als ein Drittel (30%) mit deren Bemühungen, den Lebensstandard der Armen zu verbessern.
Am Ende der Präsentation hatte das Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Ein detaillierter Bericht über die Ergebnisse der Umfrage ist auf der entsprechenden Website abrufbar: http://www.afrobarometer.org/