Die südafrikanische Parteipolitik befindet sich in einem Wandel, der durch einen allmählichen Rückgang der Unterstützung für den Afrikanischen Nationalkongress (ANC), die Regierungspartei, gekennzeichnet ist. Obwohl der ANC seit 1994 ununterbrochen Wahlen gewonnen hat, ist sein Stimmenanteil stetig gesunken und erreichte bei den nationalen Wahlen 2019 ein Rekordtief von 57,5 %. Die abnehmende Unterstützung für den ANC hat zu einer Debatte über den Prozentsatz der Stimmen geführt, die er bei den nationalen Wahlen 2024 erhalten könnte, wobei Umfragen darauf hindeuten, dass er unter 50 % fallen könnte. Diese Entwicklung wirft die Frage nach der Möglichkeit einer Regierungskoalition auf nationaler Ebene auf, und welche Parteien daran beteiligt sein könnten. Da Südafrika nicht auf eine lange Geschichte der Koalitionsbildung zurückblicken kann, gibt es Bedenken hinsichtlich der Stabilität einer solchen Regierung. Insbesondere das durch die ANC praktizierte "cadre deployment" als eine Praxis, bei der Personen aufgrund ihrer Loyalität gegenüber der Partei und nicht aufgrund ihrer Kompetenz in Schlüsselpositionen auf Regierungsebene berufen werden, kann als weitere Ursache für die weit verbreitete Korruption und Misswirtschaft bewertet werden. Diese Politisierung des öffentlichen Dienstes hat die bereits komplizierte Verknüpfung von Regierungsführung und Verwaltung im Zusammenhang mit der Koalitionsbildung weiter verschärft.
Die Debatte um dieses "komplexe politisch-administrative Dilemma" wurde von der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Masterclass "Coalition Governance Leadership in South Africa" aufgegriffen, die am 7. und 8. November 2023 in Kapstadt stattfand. Die Veranstaltung brachte verschiedene Politiker auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene sowie diverse Oppositionsparteien zusammen, um die verschiedenen Aspekte und möglichen Vorteile funktionierender Koalitionen zu beleuchten. Durch die Analyse verschiedener Fallstudien und aktueller Beispiele aus der südafrikanischen Politik wurde ein praktischer Bezug hergestellt. Darüber hinaus war der Workshop so konzipiert, dass er eine intensive Diskussion unter den Teilnehmern ermöglichte, um so die wichtigsten Erkenntnisse aus den Diskussionen herauszuarbeiten.
Nach der Begrüßung durch den Leiter des Auslandsbüros für Südafrika, Gregor Jaecke, folgten ein Input und eine Erläuterung des Schwella Führunsmodells von Prof. Erwin Schwella, sowie Diskussionsrunden mit verschiedenen Arbeitsblättern zu rechtlichen Rahmenbedingungen, Interessen der Koalitionspartner, Verhandlungen in Koalitionen und gegenseitigen Vorteilen. Ambrose du Plessis von der University of the Free State lieferte mit seinem Vortrag eine wichtige Analyse der politisch-administrativen Schnittstelle in einer koalitionsgeführten Stadtverwaltung. Für den legislativen und politischen Kontext bewertete Karel van der Molen von der Universität Stellenbosch ethische Praktiken in Koalitionen im Zusammenhang mit der Frage, "was richtig, was gut und was angemessen ist“ um ein gemeinsames Ziel zu erreichen.
Der Workshop endete mit einem Plenarfeedback zu den Präsentationen, einer interessanten Diskussion der verschiedenen Teilnehmer und Schlussworten der Organisatoren. Zu den wichtigsten Erkenntnissen gehörten die Bedeutung einer guten Regierungsführung als Grundlage für eine erfolgreiche Koalitionsbildung und den Möglichkeiten von Parteipolitik als Haupttriebkraft in der Systemdynamik, zusammengefasst mit den Worten eines Teilnehmers: "Koalitionen können Gutes, aber auch Schlechtes bewirken". Die Masterclass konnte einen wichtigen Beitrag zum Thema Koalitionsbildung in Südafrika leisten, insbesondere im Hinblick auf die Rolle von Führung und Verhandlungen in Koalitionen und einer politischen Arbeit, die den Menschen im Mittelpunkt sieht. Das Ziel, Selbstvertrauen für effektive Führung in Koalitionen aufzubauen, das Bewusstsein für Koalitionen in der politischen Kultur zu schärfen und die gute Regierungsführung im demokratischen System Südafrikas weiter zu stärken, wurde erreicht. Die Ergebnisse unterstreichen auch, wie wichtig es ist Koalitionen in der südafrikanischen Parteienlandschaft genauer zu betrachten, denn wie der Referent Ambrose du Plessis feststellt: "Wenn sich die politischen Köpfe und die Verwaltung uneins sind, zahlen die Bürger den Preis".
Das Thema "Koalitionsregierung" wird am 5. und 6. Dezember 2023 mit CiviNovus und Prof. Erwin Schwella in einer Konferenz darüber weiter diskutiert, wie die Zivilgesellschaft und die Bürger den Übergang zu Südafrikas koalitionärer Zukunft unterstützen und die liberale Demokratie des Landes bewahren können. Die Veranstaltung ist öffentlich, eine vorherige Anmeldung ist erforderlich.
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