Veranstaltungsberichte
Von den Schwierigkeiten des Wahlkampfes in Zeiten der globalen Wirtschaftskrise berichtete der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte in seinem kurzweiligen Vortrag an der Universität Freiburg. An die 200 Gäste waren der Einladung des Colloquium Politicum und der Konrad-Adenauer-Stiftung Freiburg gefolgt.
Die Krise habe alle Gewissheiten kräftig durcheinandergewirbelt und bei den Regierenden einen Zustand der „ratlosen Ruhe“ hinterlassen. Angesichts dieser „Ungewissheit in Permanenz“ befänden sich die Politiker in einem Beschreibungsnotstand.
Bei den Bürgern hinterlasse das Jonglieren mit Milliardenbeträgen, die jede menschliche Vorstellungskraft übersteigen, eine ohnmächtige Wut, die aber keinen Adressaten finde. Die Wählerinnen und Wählern reagierten auf die unwägbaren Risiken der Krise mit einem neuen „Sicherheitskonservativismus“. Zwar erlebe auch die soziale Gerechtigkeit eine Renaissance, im Zweifel schlage aber die Sicherheit die Gerechtigkeit.
Nachdem sich die große Koalition zu lange in einer „Schritt für Schritt-Politik“ sowie im „Dissensmanagement“, in der „Ausklammerung von Minenfeldern“, geübt habe, biete die Krise nun die Chance, politische Führungsstärke zu beweisen. Gefragt sei eine „Rhetorik der Krise“. Wer in der Lage sei, die Ursachen der Krise zu erklären, ohne die eigene Ungewissheit zu verschleiern, wer Glaubwürdigkeit ausstrahle und Vertrauen in die eigene Lösungskompetenz vermitteln könne, habe gute Chancen, siegreich aus den Wahlen hervorzugehen. Die Krise müsse begrifflich umzäunt werden. Die Sprache sei das wichtigste Instrument der Politik. Sprachgewinn bedeute Machtgewinn.
Korte beschrieb einige Paradoxien der gegenwärtigen Situation.
„Wer nicht mobilisiert, verliert“ habe sich bei den Wahlen zum Europäischen Parlament wieder einmal gezeigt. Nie war es allerdings schwieriger, das Wahlvolk zu mobilisieren.
Der Koalitionsmarkt im Fünf-Parteien-System gleiche einer Lotterie. Der Wähler könne sich bei den nach der Schließung der Wahlurnen zu erwartenden Farbenspielen nicht mehr sicher sein, zu welcher Regierungskonstellation seine Stimme beitragen wird.
Da die große Koalition weder ein Wunschkind der Wähler noch der beteiligten Politiker sei, entfalle ein weiteres wichtiges Wahlmotiv der Demokratie, nämlich der Wunsch eine Regierung abzuwählen.
Erstaunlicherweise habe ausgerechnet die FDP als Vertreterin einer neoliberaler Wirtschaftspolitik von der Finanzkrise profitiert, währen Die Linke, die sich in harscher Kapitalismuskritik übt, stagniere. Reiner Populismus habe sich ebenfalls nicht ausgezahlt.
Die Zeit der großen Helden sei vorbei. Die Führungsfiguren der Koalition, Merkel und Steinmeier, beschrieb er als typische Vertreter einer „post-heroischen Ära“. Ihr nüchterner, wenig charismatischer, pragmatischer Politikstil, der von einer „Verzichtsethik“ geprägt sei, komme bei den Bürgern gut an und sei möglicherweise auch der Krise angemessen.
Der Wähler wünsche sich, wie die Wahlen in Hessen gezeigt haben, zwar Wahrhaftigkeit, wolle es auf der anderen Seite aber nicht zu genau wissen. Eine „souveräne Unschärfe“ sei daher Kennzeichen eines Politik-Profis, während politische Dilettanten zu klar redeten.
Auch die „Sehnsucht der Bürger nach Unterscheidbarkeit“ bliebe bei den Bundestagswahlen unerfüllt, die politischen Lager seien „weichgespült“. Ein Lagerwahlkampf sei eine bloße Inszenierung. Die Union werde zwar als die Partei mit der größeren ökonomischen Kompetenz wahrgenommen, habe sich aber etwa in der Familienpolitik stark gewandelt, so dass es zunehmend schwer falle, auf den Punkt zu bringen, wofür die Union stehe.
Korte prophezeite einen langweiligen Wahlkampf: „Wer eine Pointierung wagt, wird abgestraft“. Der Ausgang der Wahlen sei ungewiss. Welchen Verlauf wird die Wirtschaftskrise nehmen? Welches Echo werden die drei Landtagswahlen haben, werden sich Wechselwähler durch das Fernseh-Duell zwischen Merkel und Steinmeier, die ja gemeinsam die Politik der großen Koalition verantworten, beeinflussen lassen? Welcher Partei gelingt es am Ende, ihre Wähler zu mobilisieren?
Bei aller Kritik an der Politik der großen Koalition. Im internationalen Vergleich stehe das deutsche Regierungssystem, das jahrelang wegen der Hürden des Föderalismus für seine Ineffektivität gescholten worden war, in der globalen Wirtschaftskrise gar nicht so schlecht dar. „Die Krise adelt unser Regierungssystem, in dem man eben nicht einfach durchregieren kann.“