Veranstaltungsberichte
Dr. Dickow gab zum Auftakt einen Überblick über die Geschichte Südafrikas von der „Wiege der Menschheit“ bis zum Ende der Apartheid. Dabei ging sie besonders auf die wesentlichen Eckpunkte des Apartheid-Systems wie die Rassentrennung, die Homeland-Politik und die Bildungspolitik ein. Sie zeigte auf, wie das System in der Mentalität und im Bildungsdefizit der armen Schichten bis heute nachwirkt.
Anschließend lieferte der Film „Tsotsi“ einen Blick auf das heutige Südafrika. Die Verfilmung eines südafrikanischen Romans über einen jungen Mann im Township Soweto veranschaulichte die zentralen Probleme, mit denen Südafrika heute konfrontiert ist: soziale Ungleichheit, Armut, Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Aids.
Auf diese Probleme ging Dr. Dickow in ihrem Vortrag über die heutige Situation in Südafrika ein. Aus dem Konflikt zwischen Schwarz und Weiß sei heute ein Konflikt zwischen Arm und Reich geworden.
Zum Verständnis des heutigen Lebens in Südafrika müsse man die Frage nach dem christlichem Erbe Südafrikas stellen. Dr. Dickow betonte, dass Südafrika ein zutiefst religiös geprägtes Land ist. Ähnlich wie in den USA oder Israel – kann man von einer „civil religion“ sprechen: Religion sei ein politischer Faktor. So habe die Religion, etwa in der Institution der Wahrheitskommission unter Desmond Tutu, zur Überwindung und Verarbeitung der Apartheid beigetragen. Am Beispiel der aufstrebenden charismatischen Kirchen zeigte Dr. Dickow auf, dass sich nun die Frage stellt, ob die Kirchen sozialer Kit oder Sprengstoff werden.
Martin Adelmann referierte über Südafrikas Außenpolitik und seine Rolle in Afrika und der Welt. Zunächst gab er einen Überblick über die Entwicklung von der Isolierung während der Zeit der Apartheid über die idealistische Außenpolitik Mandelas hin zu der realistischen, (wirtschafts-)interessenorientierten Außenpolitik von heute. Dabei stehe Südafrika grundsätzlich in einem schwierigen Spagat zwischen Afrika und der Ersten Welt. In Afrika engagiert sich die größte Wirtschafts- und Militärmacht des Kontinents sowohl diplomatisch und mit Friedenstruppen und konnte sich bei der Gründung der Afrikanischen Union (AU) mit seinen Vorstellungen einer Organisation nach Vorbild der EU durchsetzen. Dennoch wird Südafrika in Afrika nicht als Vorbild und Führungsmacht anerkannt, weil es oftmals als „unafrikanisch“ empfunden wird. Für den Rest der Welt bleibt Südafrika jedoch der wichtigste Ansprechpartner in Afrika: Gemeinsam mit Brasilien und Indien vertritt es den Süden im Nord-Süd-Konflikt. In der Diskussion um eine Reform des UN-Sicherheitsrates gilt Südafrika als Anwärter auf einen Platz als afrikanischer Vertreter. Auf Nachfrage der Teilnehmer wurde die Rolle Chinas als „neue Kolonialmacht“ in Afrika diskutiert.
Die Bedeutung der Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika stand zum Schluß auf dem Programm. Sport – insbesondere Rugby und Fußball – sei Teil südafrikanischer Nationalidentität, seit die Erfolge der 90er Jahre zum Nationbuilding nach der Apartheid beigetragen haben. Die Vergabe der WM nach Südafrika habe im Land die Hoffnung entfacht, nun als moderner und gleichwertiger Partner anerkannt zu sein. Die tendenziös negative Berichterstattung über die Vorbereitungen der WM - besonders in deutschen Medien - hält Adelmann für ungerechtfertigt. Der Ausbau der Stadien und Infrastruktur sei abgeschlossen und Südafrika seit Jahren an einen blühenden Tourismus gewöhnt. Auch die Frage der Nachhaltigkeit und dem Nutzen für den armen Teil der Gesellschaft habe sich bereits beantwortet, weil Südafrika eines der wenigen Länder sei, dass durch die Vorbereitungen auf die WM im Zuge der Weltwirtschaftskrise kein Konjunkturprogramm auflegen musste.
Jakob Katzmann