Am 15. August 2021 zur Mittagszeit nahmen die Taliban innerhalb weniger Stunden die Hauptstadt Kabul ein. Es war Sonntag und der erste Arbeitstag der Woche. Die Menschen waren an ihren Arbeitsplätzen, als die ersten Taliban-Kämpfer in der Stadt gesichtet wurden. Die afghanische Polizei auf den Straßen war verschwunden. Verkehrschaos brauch aus, als die Menschen in Panik nach Hause eilten, da Machtwechsel in Afghanistan selten friedlich verlaufen. Abgesehen von den chaotischen Wochen der Evakuierung verlief der eigentliche Machtwechsel erstaunlich reibungslos, denn er war im Vorfeld insgeheim zwischen dem damaligen Präsidenten Ashraf Ghani und der Taliban-Führung ausgehandelt worden.
Trotz der angespannten wirtschaftlichen und finanziellen Lage ist die Machtposition der Taliban mittelfristig gefestigt. Weder jihadistische Gruppen wie der IS-Ableger ISKP noch die Widerstandsgruppe National Resistance Front (NRF) um Ahmad Massoud können die neuen Machthaber derzeit ernsthaft herausfordern. Die verschiedenen Terrorgruppen, die weiterhin im Land sind, könnten jedoch das Taliban-Regime mit Gewalt und Terror empfindlich stören und zu einer spürbaren Bedrohung für die Nachbarstaaten werden.
Die Antiterror-Garantie der Taliban: Wie glaubwürdig?
Afghanistan war jahrzehntelang ein sicherer Zufluchts-, Ausbildungs- und Operationsort für lokale und transnationale Terror-Gruppen und ausländische terroristische Kämpfer. In den 1980er Jahren, nach der sowjetischen Invasion Afghanistans, hatten die Vereinigten Staaten zusammen mit Saudi-Arabien und Pakistan afghanische Mudschaheddin-Kämpfer gegen das kommunistische Regime unterstützt, aus denen später auch die Taliban-Bewegung hervorging. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurde das damalige Islamische Emirat zum ersten Ziel des von den USA geführten Krieges gegen den Terror, als die Taliban sich weigerten, al-Qaida-Führer Usama bin Ladin auszuhändigen. Am 31. Juli 2022 schien sich die Geschichte zu wiederholen, als al-Qaida-Führer Ayman al-Zawahiri durch einen US-Drohnenangriff in einem Privathaus im Zentrum Kabuls getötet wurde. Der Vorfall zeigt nicht nur, dass al-Qaida in Afghanistan prominent vertreten ist, sondern auch, dass es für die Taliban nahezu unmöglich sein wird, ihre Verbindungen zu al-Qaida abzubrechen. Die entscheidende Frage ist, ob die Taliban in der Lage und willens sind, die in Doha gegebene Garantie zu erfüllen, keine terroristischen Gruppen in Afghanistan zu beherbergen, die eine Gefahr für die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten darstellen. Gegenüber der internationalen Gemeinschaft und den Nachbarländern ist die Taliban-Führung bestrebt zu zeigen, dass sie die Dutzenden bewaffneten Gruppen im Land unter Kontrolle hat.
Das Doha-Abkommen vom 29. Februar 2020 zwischen den USA und der Taliban-Führung[1] schien die Taliban als neuen potenziellen Sicherheitsgaranten gegenüber jihadistischen Gruppen wie dem ISKP aufzuwerten. Für viele Beobachter bleibt jedoch die Glaubwürdigkeit der Versprechen von Doha fraglich. Beide Seiten beschuldigen sich wiederholt, das Abkommen zu verletzen. Jedoch haben weder die USA noch die Taliban das Abkommen aufgekündigt. Für die neue De-facto-Regierung der Taliban dürfte es schwerfallen, der internationalen Gemeinschaft glaubhaft zu machen, dass sie willens und in der Lage ist, transnationale Terror-Gruppen, allem voran Al-Qaida und al-Qaida-nahen Gruppen, Einhalt zu gebieten. Ernsthafte Zweifel an ihrer Bereitschaft rühren in erster Linie daher, dass sie ihre Verbindungen zu Al-Qaida und den in Afghanistan ansässigen Mitgliedern nie aufgegeben hat. Ganz zu schweigen davon, dass die Taliban-Bewegung keinen wesentlichen Wandel in ihrer politischen Ideologie erkennen lässt.[2] Zudem hat sich parallel dazu ein neuer Jihadismus in Afghanistan etabliert, der die Taliban-Machthaber herausfordert.
Ein neuer Jihadismus-Trend in Afghanistan
Im Januar 2015 wurde die Gründung des lokalen IS-Ablegers, Islamischer Staat Khorasan-Provinz (ISKP), proklamiert. ISKP konnte sich neben der Taliban-Bewegung als zweitstärkste bewaffnete Gruppe in Afghanistan etablieren und ist heute einer der aktivsten IS-Ableger weltweit. Anders als IS-Ableger in anderen Weltregionen bezieht ISKP seine Stärke nicht aus ausländischen Kämpfern, sondern stellt eine überwiegend afghanische Organisation dar.
Nach 2015 gewann ISKP insbesondere in den östlichen afghanischen Provinzen Kunar und Nangahar sowie in Kabul und den angrenzenden Provinzen rasch an Einfluss und Gebiete. Die afghanischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung durch US-Luftangriffe sowie Taliban-Kämpfer konnten ISKP bis 2018 deutlich zurückdrängen und viele der Führungskader töten. Nach dem vorübergehenden Machtverlust stieg ISKP ab Mitte 2020 zur schlagkräftigsten Terror-Gruppe auf und setzt seitdem seinen Terror gegen religiöse Minderheiten wie die schiitische Hazara-Gemeinschaft, gegen Religionsgemeinschaften, Zivilgesellschaft sowie staatliche und ausländische Ziele fort.[3]
In den letzten Jahren der afghanischen Republik verübte ISKP zahlreiche komplexe Anschläge gegen Zivilisten, Bildungseinrichtungen, Geistliche und die schiitische Minderheit sowie gezielte Angriffe auf Aktivistinnen und Aktivisten, Regierungsvertreter, Journalisten, Richterinnen und politische Persönlichkeiten.[4] Vor allem aufgrund steigender Anschläge durch ISKP blieb die Sicherheitslage nach der Unterzeichnung des Doha-Abkommens weiterhin unberechenbar und prekär.[5] Insbesondere die Hauptstadt Kabul und andere Großstädte waren von steigenden Anschlägen betroffen. Kabul wurde erneut als gefährlichste Hauptstadt der Welt eingestuft. [6]
Auch nach der Machtübernahme der Taliban verübt ISKP kontinuierlich Anschläge gegen Taliban-Mitglieder sowie gegen schiitische und ausländische Ziele. Die Anschläge richten sich nun auch gegen die Interessen der Nachbarstaaten, darunter chinesische und russische Interessen.[7] Diese Anschläge dienen in erster Linie dem Ziel, die Taliban als Regierung und Sicherheitsgaranten für die internationale Staatengemeinschaft zu delegitimieren.
Der salafistische Jihadismus befindet sich in Afghanistan im Aufwind. Die derzeitige desolate politische und wirtschaftliche Lage im Land bietet ISKP ein enormes Potenzial, neue Mitglieder anzuziehen. Schätzungen zur Anzahl der ISKP-Mitglieder in Afghanistan schwanken zwischen 1.000 und 4.000. Unabhängig von den jeweiligen absoluten Zahlen wurde ein allgemeiner Anstieg der ISKP-Mitglieder seit 2021 festgestellt. Eine größere Zahl von etwa 2.000 ISKP-Mitgliedern konnte während der Machtübernahme der Taliban im August 2021 aus afghanischen Gefängnissen entkommen. Ein UN-Bericht vom Februar 2022 geht davon aus, dass die Zahl der ISKP-Mitglieder in Afghanistan wieder eine Größenordnung von 4.000 erreichen könnte.[8] In Zukunft könnte ISKP von den Diskursen über lokale Missstände und der zunehmenden Ethnisierung der lokalen Debatten profitieren.
Taliban vs. Salafisten: Gemeinsamkeiten und Konflikte
Der Salafismus ist kein neues Phänomen in Afghanistan. Salafistisches Gedankengut kam in den 1980er Jahren aus Saudi-Arabien, Kuwait und anderen arabischen Golfstaaten nach Afghanistan und etablierte sich vor allem in den nordöstlichen Provinzen Nuristan, Kunar, Nangahar und Badakhschan.[9] Heute hat der Salafismus in der östlichen Provinz Kunar seine Hochburg und verfügt über einen starken Rückhalt in Nangahar und Nuristan sowie über Zellen in Kabul und den umliegenden Provinzen.
Zuweilen werden die Taliban aufgrund ihrer ultrakonservativen Moralvorstellungen fälschlicherweise als Salafisten eingeordnet. Auch wenn zwischen Salafisten und Taliban-Mitgliedern viele persönliche und ideologische Verbindungen und Überschneidungen bestehen,[10] verfolgen Anhänger des afghanischen Salafismus und der Taliban-Bewegung unterschiedliche ideologische Konzepte und politische Ziele und geraten dadurch zunehmend auch in einen gewaltsamen Konflikt.
Die Taliban und die salafistisch-jihadistische Terrorgruppe ISKP rekrutieren ihre Anhänger aus unterschiedlichen Milieus. Die paschtunische Taliban-Bewegung hat ihre traditionelle Hochburg in der südlichen Provinz Kandahar, wo sie entstanden ist, sowie in den östlichen Provinzen des afghanisch-pakistanischen Stammesgürtels. Die Kernmitglieder der 1990er Jahre rekrutierten sich hauptsächlich aus Studenten lokaler Moschee-Schulen (Hujras) in afghanischen Dörfern und radikal-sunnitischer (Deobandi) Madrassas in Pakistan.[11]
Ein Grund für den bemerkenswerten Erfolg der Taliban-Bewegung liegt in ihrem Aufbau landesweiter Strukturen einer "Schattenstaatlichkeit".[12] Das Netzwerk kontrollierte teils die staatlich geförderten Schulen und Behörden, erhob eigene Steuern und bot Dienstleistungen für die ländliche Bevölkerung an, wie etwa ein mobiles Gerichtssystem oder Anlaufstellen für Witwen und Kriegsopfer. Die Schattenregierung der Taliban füllte die Lücke, die ein korrupter oder abwesender Staat hinterlassen hatte.
Der soziale Zuspruch, den die Taliban in weiten Teilen der Gesellschaft erfuhren, beruhte weniger auf der Attraktivität ihrer religiös-ideologischen Weltanschauung, sondern auf ihrem Image als anti-elitäre Bewegung der unterprivilegierten Menschen “ohne Stimme”. Diese Darstellung wurde durch ein weit verbreitetes Misstrauen gegenüber den liberalen und sich selbst bereichernden Eliten in Kabul befördert. Von vielen traditionell-konservativen Menschen, die vom Wiederaufbau ausgeschlossen waren oder familiäre Verluste durch Kämpfe und Drohnenanschläge erlitten hatten, erhielten die Taliban Zuspruch.[13]
Heute, da die Taliban wieder an der Macht sind, hat die De-facto-Regierung Schwierigkeiten, die staatlichen Institutionen zu verwalten und der Bevölkerung eine grundlegende Daseinsvorsorge zu garantieren. Die meisten Ministerien und die oberste Staatsverwaltung werden von männlichen Mullahs oder Mawlawis[14] geleitet, die außer einer religiösen Koran- und Scharia-Ausbildung keine weitere Ausbildung genossen haben.[15]
Die in ländlichen Moscheeschulen ausgebildete, paschtunisch-dominierte und im Stammesrecht sozialisierte Taliban-Bewegung wird nicht jene Teile der jungen Generation anziehen, die mit lokalen Stammestraditionen und oder mit ethnischen und familiären Loyalitäten gebrochen haben. Die jihadistische Gruppe ISKP bietet eine egalitärere Teilhabe jenseits ethnischer, stammesbezogener oder großfamiliärer Loyalitäten, kombiniert mit einer sehr radikalen und als "rein" proklamierten islamistischen Lehre. Dies macht sie potenziell attraktiv unter Teilen der jungen, nicht-paschtunischen Gesellschaft, die Sinn und Zugehörigkeit in festen religiösen Regeln und Lebenskonzepten suchen.
Erhebungen haben gezeigt,[16] dass ISKP seine Mitglieder vor allem aus der städtischen, gebildeten Mittelschicht sowie aus ehemaligen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte rekrutiert. In seiner Gründungsphase rekrutierte ISKP seine Mitglieder vor allem aus Überläufern der pakistanischen Taliban Tehrik-e Taliban Pakistan (TTP), die vor den pakistanischen Militäroperationen in den pakistanischen Stammesgebieten flohen.[17]
Im Gegensatz zur paschtunischen Taliban-Bewegung setzt sich die ISKP weitgehend aus afghanischen Tadschiken sowie einigen süd- und zentralasiatischen Mitgliedern zusammen. Auch weibliche ISKP-Mitglieder spielten eine aktive Rolle bei der Verbreitung radikaler Ideen. In der Vergangenheit hatten salafistische Glaubensschwestern an öffentlichen Universitäten missioniert und Mitglieder rekrutiert.
Während des Doha-Friedensprozesses ab 2018 wurde wiederholt argumentiert, dass die Taliban anerkennen müssen, dass sich die afghanische Gesellschaft in den letzten zwanzig Jahren verändert und modernisiert hat. Die junge afghanische Generation ist global vernetzt und informiert, hat eine säkulare Schul- und Universitätsausbildung genossen. Afghanistan hat eine der jüngsten Gesellschaften der Welt. 40 Prozent der afghanischen Bevölkerung ist unter 15 Jahre alt, 60 Prozent unter 25 Jahre alt.
Der Erfolg von ISKP zeigt jedoch auch, dass junge, städtische, gebildete und global vernetzte Menschen nicht unbedingt liberalen und kosmopolitischen Idealen folgen. Die junge Generation könnte sowohl von der internationalen Gemeinschaft, die dem Land den Rücken gekehrt hat, als auch von den neuen Taliban-Machthabern, die nicht in der Lage sind, wirtschaftliche und berufliche Perspektiven zu bieten, tief enttäuscht sein. Teile dieser neuen Generation könnten sich alternativen, radikaleren Idealen zuwenden.
Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban: Perspektiven für die Bekämpfung von Extremismus, Radikalisierung und Ethnisierung
Nach dem Abzug der NATO Resolute Support Mission (RSM) und der US-Operation Freedom's Sentinel (OFS) könnte Afghanistan wieder zu einem "blinden Fleck" für westliche und internationale Nachrichtendienste werden. Für Deutschland, Europa und seine NATO-Verbündeten besteht derzeit keine konkrete Terror-Gefahr von in Afghanistan ansässigen Gruppen. Dies könnte sich jedoch innerhalb weniger Jahre ändern, falls Afghanistan als Ausbildungsstätte für ausländische Kämpfer oder radikalisierte Einzeltäter sowie als Rückzugsort für international operierende Terrororganisationen attraktiv werden sollte.
Die Nachbarstaaten Afghanistans sind hingegen unmittelbar von den Entwicklungen in Afghanistan betroffen. Ein instabiles Afghanistan hat zahlreiche Auswirkungen auf die Nachbarn wie irreguläre Migration, Drogenhandel und die Infiltration organisierter terroristisch-krimineller Netzwerke. Die süd- und zentralasiatischen Nachbarländer wie Pakistan, Iran, China, Usbekistan oder Indien befürchten zur direkten Zielscheibe des transnationalen Terrorismus zu werden. Vor allem jedoch befürchten die Nachbarländer Radikalisierungseffekte innerhalb ihrer eigenen muslimischen Bevölkerungsgruppen.
Nach der Machtübernahme durch die Taliban sehen die Aussichten für die Bekämpfung von Extremismus, Radikalisierung und ethnischen Spaltungen düster aus. Frühere Programme zur Wiedereingliederung ehemaliger afghanischer Kämpfer hatten keinen nachhaltigen Erfolg gezeigt. Die internationalen Wiederaufbaubemühungen hatten es weitgehend versäumt, das religiös-konservative Establishment in den lokalen Gemeinden wie Mullahs, Imame, Moscheeführer oder Gemeinderäte als Reformpartner einzubeziehen. Der religiöse Diskurs wurde weitgehend den Taliban oder radikalen Salafisten-Predigern überlassen.
Die stärkste ideologische Herausforderung für die Taliban kommt heute von nicht-paschtunischen Salafisten-Gemeinden. Maßnahmen der Taliban gegen mutmaßliche ISKP-Sympathisanten in den tadschikischen und salafistischen Gemeinschaften wie Hausdurchsuchungen und nächtliche Razzien haben Misstrauen geschaffen. Wiederholt wurde von außergerichtlichen Tötungen, Vertreibung von Familienangehörigen mutmaßlicher ISKP-Mitglieder oder der Schließung von salafistischen Koranschulen berichtet. Der ISKP nutzt das Vorgehen der Taliban, um sich als Beschützer der Salafisten-Gemeinschaft in Afghanistan zu präsentieren. Die jüngsten Entwicklungen sowie die Gewalt von ISKP gegen die schiitische Hazara-Gemeinschaft haben zu einer zunehmenden Ethnisierung der afghanischen Gesellschaft beigetragen.
Die Taliban-Machthaber verstehen sich als Tugendhüter, nicht als Dienstleister für das Volk. Für sie hat der Schutz der öffentlichen Moral Priorität gegenüber dem wirtschaftlichen Wohlergehen des Volkes. Wirtschaftliche und berufliche Perspektiven, politische Einbindung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und nationale Versöhnung sind jedoch Voraussetzung für nachhaltigen Frieden und Entwicklung und zugleich eine wichtige Prävention gegen Radikalisierung und Gewalt. Unter den neuen Taliban-Machthabern stehen die Chancen dafür schlecht.
[1] Agreement for Bringing Peace to Afghanistan (sogen. “Doha-Abkommen”), https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/Agreement-For-Bringing-Peace-to-Afghanistan-02.29.20.pdf.
[2] Das Islamische Emirat seit August 2021 bietet fast keine Beteiligung für andere ethnische, religiöse oder politische Gruppen und verleiht dem Führer (Amir al-mu’minin) absolute Macht. Individuelle Freiheits- und Bürgerrechte, darunter die Medien- und Meinungsfreiheit wurden beschnitten, Maßnahmen zur Geschlechtertrennung ausgeweitet und die Bewegungsfreiheit von Frauen und Mädchen erheblich eingeschränkt. Frauen wurden aus öffentlichen Parks und Restaurants verbannt und benötigen eine männliche Begleitung (mahram) für Reisen. Seit April 2022 sind Mädchen und Frauen von der Schulbildung ab der 7. Klasse ausgeschlossen. Seit Dezember 2022 sind Frauen von Universitäten sowie von ihren Arbeitsstätten in NGOs verbannt.
[3] Siehe auch Jadoon, Amira/Sayed, Abdul/Mines, Andrew: The Islamic State Threat in Taliban Afghanistan: Tracing the Resurgence of Islamic State Khorasan, in: CTC Sentinel, Vol. 15, No. 1, Januar 2022, https://ctc.westpoint.edu/the-islamic-state-threat-in-taliban-afghanistan-tracing-the-resurgence-of-islamic-state-khorasan, S. 35-37.
[4] Zu den verheerendsten Anschlägen von ISKP zählen der Anschlag auf eine Hazara-Hochzeit in Kabul im Jahr 2019 mit über 90 Todesopfern, der Anschlag auf eine Geburtsklinik in Kabul im Mai 2020 mit fast 60 Todesopfern, der Anschlag auf die Universität Kabul im August 2020 mit fast 40 Todesopfern, der Anschlag auf eine Schule in einem Hazara-Viertel in Kabul im Mai 2021 mit über 90 Todesopfern, oder der Anschlag auf den Flughafen Kabul im August 2021, in dem knapp 170 Menschen starben.
[5] Nach dem Doha-Abkommen griffen die Taliban keine internationalen Kräfte und Einrichtungen mehr an, verstärkten jedoch ihre Angriffe auf die afghanische Regierung und afghanische Sicherheitskräfte. Für einige komplexe Angriffe in Kabul wurde weiterhin das extremistische Haqqani-Netzwerk der Taliban verantwortlich gemacht.
[6] 2018 erreichten die zivilen Todesopfer in Afghanistan mit über 1.700 Opfer den höchsten Stand des Jahrzehnts. Die folgenden Jahre blieben auf einem ähnlich hohen Niveau. Insbesondere war die Hauptstadt Kabul betroffen. Siehe https://unama.unmissions.org/civilian-casualties-set-hit-unprecedented-highs-2021-unless-urgent-action-stem-violence-%E2%80%93-un-report.
[7] Im September 2022 verübte ISKP einen Anschlag auf die russische Botschaft in Kabul, in dem über zehn Menschen, darunter russische Diplomaten, ums Leben kamen. Im Dezember 2022 reklamierte ISKP den Anschlag auf das von Chinesen geführte Longan Hotel in Kabul.
[8] Siehe auch Steinberg, Guido/Albrecht, Aljoscha: Terror Against the Taliban. Islamic State Show’s New Strength in Afghanistan, SWP Comment, No. 12, Februar 2022, S. 3-4.
[9] Für einen Überblick zum frühen Verhältnis zwischen Salafismus, Arabischem Wahhabismus und dem sunnitischen Hannafi-Islam in Afghanistan ab den 1990er Jahren siehe auch Peter Tomsen: The Wars of Afghanistan. Messianic Terrorism, Tribal Conflicts, and the Failures of Great Powers, Public Affairs, New York 2011, S. 367.
[10] Das extremistische Haqqani-Netzwerk der afghanischen Taliban wird von salafistisch-jihadistischen Ansichten inspiriert. Viele Taliban-Mitglieder teilen eine "moderne" salafistische Ideologie. Einige von ihnen sind zum IS-Ableger ISKP übergelaufen.
[11]Siehe Anand Gopal, Anand/van Linschoten, Alex Strick: Ideology in the Afghan Taliban, Afghanistan Analyst Network, Juni 2017, S. 11.
[12] Siehe auch Schetter, Conrad/Mielke, Katja: Die Taliban. Geschichte, Politik, Ideologie, München, 2022, S. 72 ff.
[13] Siehe auch Stellungnahme von Ellinor Zeino vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags am 22.09.2022, https://www.bundestag.de/resource/blob/909650/c43988eb7f0315833266675436d65f80/20-27-104_stellungnahme_zeino-data.pdf.
[14] Mullah bezeichnet einen (sunnitischen oder schiitischen) Moscheevorsteher. Mawlawi sind islamische Gelehrte, die eine islamische Regionsschule (Madrassa) oder ein islamisches Seminar (darul uloom) durchlaufen haben. Sie sind der Lage, religiöse Rechtsgutachten (fatawa) zu erlassen.
[15] Einen genaueren Überblick über das neue Kabinett der Taliban-Regierung bietet Joseph Mohr: Who are the Taliban?, in: KAS/CEP Report: The Taliban’s Takeover in Afghanistan - Effects on Global Terrorism, Berlin, December 2022, S. 9 ff.
[16] Siehe Osman, Borhan: Bourgois Jihad. Why Young Middle-Class Afghans Join the Islamic State, United States Institute of Peace (USIP), Juni 2020, S. 13-14. https://www.usip.org/sites/default/files/2020-06/20200601-pw_162-bourgeois_jihad_why_young_middle-class_afghans_join_the_islamic_state.pdf.
[17] Siehe Zahid Hussain: No-Win War. The Paradox of US-Pakistan Relations in Afghanistan’s Shadow, Oxford University Press, Karachi 2021, S. 247.