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Veranstaltungsberichte

Bundespräsident Gauck in Tansania

Interreligiöser Dialog auf Sansibar

Im Rahmen seines Staatsbesuchs in Tansania vom 2. - 6. Februar 2015 kam der Präsident der Bundesrepublik Deutschland, Joachim Gauck, am 4. Februar 2015 zu einem Gespräch mit hohen Vertretern religiöser Gruppen auf Sansibar zusammen.

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Das Gesprächsforum stand im Zeichen des Interreligiösen Dialogs und wurde gemeinsam von der Deutschen Botschaft, dem Zanzibar Interfaith Centre (ZIC) und dem Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Tansania vorbereitet. KAS und ZIC arbeiten seit vielen Jahren mit den verschiedenen Religionsgruppen auf Sansibar und dem tansanischen Festland zusammen, um Frieden, religiöse Toleranz und interreligiöse Zusammenarbeit zu stärken.

Das Gesprächsforum war hochrangig besetzt. Bundespräsident Gauck wurde u.a. von Prof. Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt und ehemalige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Günther Nooke, Afrikabeauftragter der Bundesregierung, Prof. Ulrike Freitag, Direktorin des Zentrums Moderner Orient (ZMO), und den Prälaten der katholischen und evangelischen Kirche Deutschlands Dr. Karl Jüsten und Dr. Martin Dutzmann begleitet. Auf sansibarischer Seite nahmen die Mitglieder des interreligiösen Friedenskomitees sowie die Spitzenvertreter der verschiedenen Religionsgruppen an dem Gespräch teil, u.a. Sheikh Saleh Omar Kabi, Mufti von Sansibar, Augustine Shao, Bischof der katholischen Kirche Sansibars und Sheikh Fadhil Suleiman Soraga, Generalsekretär im Büro des Muftis. Letzterer war bei einem Säureattentat radikaler Gruppierungen im Dezember 2013 schwer verletzt worden.

KAS Programm-Koordinator Richard Shaba moderierte den Dialog.

Diskussionsverlauf

In seiner Begrüßung dankte Sheikh Omar Kabi, Mufti von Sansibar, Präsident Gauck für sein Kommen und sein Interesse am interreligiösen Dialog. Der Besuch sei ein ermutigendes Zeichen für diejenigen, sich für religiöse Toleranz und Zusammenarbeit zwischen den Religionen einsetzten, erklärte der Mufti. Präsident Gauck betonte in seiner Rede, dass er als Lernender, nicht als Wegweisender, nach Sansibar gekommen sei. Er wolle mehr über die Arbeit des Interreligiösen Friedenskomitees erfahren, das aus seiner Sicht ein großartiges Rollenmodell weit über Sansibar hinaus sei. Joachim Gauck verwies auf die Situation in Europa und Deutschland. Junge Menschen würden sich der Terrorgruppe ISIS anschließen; zugleich würden Populisten Ressentiments gegenüber dem Islam schüren und damit zu Misstrauen und Spannungen zwischen den Religionen beitragen. Um diesen Tendenzen zu begegnen, brauche man eine Kultur des Respekts und friedvollen Miteinanders. Mit Blick auf das konfliktgeladene Umfeld Tansanias und Sansibars, u.a. den Terroranschlägen auf die amerikanischen Botschaften in Nairobi und Dar es Salaam 1998, dem Völkermord in Ruanda und den Terrorakten der Al Shabab in Somalia und Kenia, erscheine das Wirken des Interreligiösen Friedenskomitees umso beeindruckender. Diese Initiative ermutige junge Menschen zu Frieden und Toleranz und verhindere, dass sie den einfachen und populistischen Botschaften von Fanatikern folgten, so der Bundespräsident. Aus europäischer Erfahrung kenne man die Eigendynamik kollektiver Gewalt nur allzu gut. Insofern sei es wichtig, dass man diesen Entwicklungen frühzeitig die Stimme der Vernunft und des Friedens entgegenstelle.

Nach der Rede des Bundespräsidenten stellte Sheikh Soraga im Namen des Interreligi- ösen Friedenskomitees die Geschichte der christlich-muslimischen Beziehungen auf Sansibar und die Arbeit der Friedensinitiative vor. Dabei betonte er auch die Rolle der Politik, die bisweilen zu religiösen Konflikten beitrage. Insbesondere in Wahljahren bedienten sich Politiker häufig der Religion in der politischen Auseinandersetzung. Nachdem es bei den Wahlen im Jahr 2000 zur gewaltsamen Niederschlagung von Protesten mit mehreren Toten und Verletzten gekommen war, hatten Vertreter der verschiedenen religiösen Gruppen Gespräche mit Politikern aufgenommen, um das Risiko der Eskalation von Gewalt für die Zukunft zu vermindern. Im Vorfeld der Wahlen 2005 habe sich schließlich das interreligiöse Friedenskomitee gegründet, um zu einem friedlichen, transparenten und fairen Wahlprozess beizutragen, erklärte Soraga. Seitdem habe sich die Initiative verstetigt. Inzwischen gebe es eine ganze Reihe von Projekten, um Frieden, Toleranz und interreligiöse Zusammenarbeit auf Sansibar zu stärken. Im Fokus stünden dabei insbesondere junge Menschen.

Bundespräsident Gauck erkundigte sich anschließend nach der Zusammensetzung der lokalen Friedenskomitees, von denen Sheikh Soraga berichtet hatte. Der Prälat der EKD, Dr. Martin Dutzmann, verwies seinerseits auf interreligiöse Initiativen in Deutschland, z.B. gemeinsame Friedensgebete etc., und merkte an, dass man aber noch Defizite im theologischen Dialog habe. Er sei daher neugierig, inwiefern die Auslegung der heiligen Schriften oder ethische Fragen auf Sansibar diskutiert würden.

Damas Mfoi, Priester der Katholischen Kirche Sansibars, erklärte, dass man auch auf Sansibar die Auslegung der Bibel oder des Korans zu bestimmten Fragen nicht gemeinsam diskutiere, sondern sich im Interreligiösen Friedenskomitee auf die Beispiele und Textstellen in den heiligen Büchern konzentriere, die zu Frieden und Toleranz gegenüber dem anderen aufriefen. Diese würde man dann auch gemeinsam in der Öffentlichkeit vertreten. Lusungu Mbilinyi, Priester der evangelischen Kirche Sansibars und Jugendkoordinator des Zanzibar Interfaith Centres (ZANZIC) fügte hinzu, dass man die heiligen Schriften durchaus gemeinsam diskutiere, allerdings nicht, um Gemeinsamkeiten aufzuspüren, sondern vielmehr, um die Unterschiede besser zu verstehen. Man müsse vorsichtig sein, weil sich die Mitglieder des Komitees schnell dem Vorwurf des Synkretismus aussetzten, der besonders von den Angehörigen der christlichen und muslimischen Gemeinde geäußert würde, die dem interreligiösen Dialog skeptisch gegenüber stünden. Man arbeite auch in anderen Bereichen zusammen, z.B. Umweltfragen, HIV-Prävention oder der Frage der Familienplanung aus christlicher und muslimischer Perspektive. Der Schwerpunkt der Arbeit des Interreligiösen Friedenskomitees liege jedoch eindeutig im Bereich friedlicher Konfliktlösung und Gewaltprävention, so Mbilinyi.

Dr. Karl Jüsten, Prälat der Katholischen Kirche, verwies darauf, dass religiöse Spannungen häufig mit sozialen Spannungen einhergingen oder von diesen mit ausgelöst würden. Insbesondere die Frage von Bildungschancen sei in diesem Zusammenhang wichtig. Analog zu den bestehenden christlichen Initiativen gebe es in Deutschland daher Bestrebungen, einen muslimischen Wohlfahrtsverband aufzubauen. Allerdings habe man dabei festgestellt, dass Konzepte nicht einfach übertragbar seien. Vor diesem Hintergrund interessiere er sich für die Erfahrungen mit gemeinsamen Sozialprojekten.

Bischof Shao bestätigte diese Einschätzung. Auch auf Sansibar seien soziale Missstände und mangelnde Bildungschancen dafür verantwortlich, dass radikale Prediger einen fruchtbaren Nährboden für ihre Hassbotschaften fänden. Gefordert sei hier in erster Linie die Regierung; die religiösen Gemeinschaften könnten die Missstände nicht alleine abstellen. Er wies darauf hin, dass es eine ganze Reihe von christlichen und muslimischen Bildungseinrichtungen gebe, die per Gesetz für Gläubige aller Religionsgruppen offen seien. Muslime könnten christliche Schulen besuchen und umgekehrt; allerdings gebe es keine gemeinsam getragenen bzw. interreligiösen Bildungseinrichtungen. Mit Blick auf gemeinsame soziale Projekte verwies der Bischof ebenfalls auf die erfolgreiche Zusammenarbeit in der HIV-Prävention. Im afrikanischen und tansanischen Kontext sei deswegen die HIV- Infektionsrate außerordentlich gering.

Bischof Shao verwies in seinem Redebeitrag auch auf die Herausforderungen und Risiken des Interreligiösen Dialogs. Sansibar sei nicht immun; auch hier gebe es Radikale, die zu Hass und Gewalt gegenüber den Vertretern liberaler Denkweisen aufriefen. Er erinnerte andie Mordanschläge auf katholische Priester 2012/13 sowie an die Säureanschläge auf einen christlichen Priester und auf den neben ihm sitzenden Sheikh Soraga im Dezember 2013. Dennoch wolle man sich durch die Gewaltakte der Radikalen nicht einschüchtern lassen und sich im Interreligiösen Friedenskomitee weiter für Frieden und Toleranz einsetzen.

In seiner Abschlussrede dankte Bundespräsident Gauck den Teilnehmern für die wertvollen Einblicke in ihre gemeinsame Arbeit und ermunterte sie, diese fortzusetzen. Man habe gelernt, dass es im Interreligiösen Dialog nicht darum ginge, in allen Fragen einen Konsens zu finden. „Chris-lam“ gehe eben nicht. Umso wichtiger sei Toleranz. Toleranz sei aber nur dort möglich, wo es Unterschiede gebe und wo man gelernt habe, mit diesen Differenzen umzugehen, so der Bundespräsident. Die religiöse Friedensinitiative sei angesichts der globalen Herausforderun- gen im Verhältnis der Religionen ein ermutigendes Zeichen. Denn gerade die kleinen Schritte seien bedeutend, sowohl in positiver als auch negativer Hinsicht. In der Geschichte hätten schon kleine Schritte vom Hass zum Völkermord geführt. Genauso könnten aber auch kleine Schritte von einzelnen Friedensstiftern- und initiativen zu einem breiten, tragfähigen gesellschaftlichen Frieden führen. Abschließend dankte Bundespräsident Gauck den Mitwirkenden und Organisatoren des Gesprächsforums und bat sie, den Erfahrungsaustausch und die Zusammenarbeit im Rahmen des Interreligiösen Dialogs fortzusetzen. Die Veranstaltung endete anschließend mit einem Abschlussgebet und einem Gruppenfoto des Bundespräsidenten mit Vertretern des Interreligiösen Friedenkomitees, ZANZIC und KAS.

Reaktionen und Perspektiven

Die Mitglieder des Interreligiösen Friedenskomitees bewerteten das Gespräch mit Bundespräsident Gauck im Anschluss sehr positiv. Die Sichtbarkeit und Wahrnehmung der Arbeit des Komitees und die Bedeutung des Interreligiösen Dialogs seien gestärkt worden, so die Teilnehmer. Der Besuch des deutschen Bundespräsidenten sei aber nicht nur eine Ehre sondern zugleich eine Verpflichtung für die Zukunft gewesen, mahnte Lusungu Mbilinyi, Jugendkoordinator des ZANZIC.

Das Treffen mit dem deutschen Bundespräsidenten kam für das Friedenskomitee zu einem günstigen Zeitpunkt. Denn gerade im Wahljahr 2015 stehen Sansibar und Tansania wegen der drohenden politischen Spannungen und Konflikte vor großen Herausforderungen. Die Erfahrung zeigt, dass die Vermischung sozialer, politischer und religiöser Konfliktmotive gerade in Wahljahren zu Gewaltausbrüchen führen kann. Um der gewaltsamen Entladung von Konflikten und einer Eskalation der Gewalt entgegenzuwirken, ist es wichtig, die Arbeit des Interreligiösen Friedenskomitees auch künftig weiter zu unterstützen. Die öffentliche Anerkennung und Stärkung, die das Komitee durch den Besuch des deutschen Bundespräsidenten auch in der sansibarischen und tansanischen Politik erfahren, ist für die Weiterarbeit von wichtiger Bedeutung. Während die Arbeit des Komitees noch vor zwei Jahren aufgrund einer kritischen Haltung des zuständigen Ministeriums massiv eingeschränkt war, genießt es heute vollständige Anerkennung und wird auch von staatlicher Seite unterstützt.

ZANZIC und KAS werden die Arbeit des interreligiösen Friedenskomitees weiter unterstützen. Für 2015 sind weitere Initiativen und Treffen geplant, um den Dialog zwischen den Religionen zu fördern und damit auch zu einem friedlichen, transparenten und fairen Wahlprozess beizutragen.

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