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Veranstaltungsberichte

„Verstehen wir uns noch? Sprache im Politischen und Öffentlichen Raum“

Vortrag und Diskussion

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Unter dem Titel „Verstehen wir uns noch? Sprache im Politischen und Öffentlichen Raum“ lud das Bildungsforum der Konrad-Adenauer-Stiftung Thüringen am 16.11.2017 zu einer Tagung zum Thema politische Sprache in die Messe Erfurt. 47 Teilnehmer verschiedener Altersgruppen nahmen an der Veranstaltung teil.

Nach einer Begrüßung durch die Landesbeauftragte des Freistaates Thüringen, Maja Eib, übernahm der Moderator des Gespräches und Medientrainer Jochen Markett das Wort. Er stellte kurz das Programm und die Referenten des ersten Podiums vor.

Sprachräume in Politik und Verwaltung in Wechselwirkung mit dem Bürger

Im ersten Teil der Veranstaltung wurden Impulsvorträge zum Thema „Sprachräume in Politik und Verwaltung in Wechselwirkung mit dem Bürger“ gehalten.

Christine Lieberknecht: „Sprache im Spannungsfeld“

Christine Lieberknecht, seit 1991 Abgeordnete im Thüringer Landtag und von 2009 bis 2014 Ministerpräsidentin des Freistaates Thüringen, die in Vertretung für Christian Carius MdL erschien, machte den Anfang. Die ausgebildete Theologin sprach über die Bedeutung der Sprache für sie, erzählte aus ihren persönlichen Erfahrungen, griff hierzu Fallbeispiele aus ihrer eigenen politischen Karriere auf und thematisierte die Debattenhoheit durch die Bedeutungshoheit von Begriffen.

Während ihres Studiums kam sie erstmals mit den Abhandlungen Victor Klemperers in Berührung, der die Sprache der Nazi-Ideologie analysierte. Lieberknecht las diese inmitten der „DDR-Ideologie“. Es folgte die unerwartete Wiedervereinigung, während welcher sich die Sprache erstmals für sie merklich veränderte. So erlebte sie viele entscheidende Prozesse und Veränderungen mit, die ihr verdeutlichten, dass Sprache nicht nur Sprechen bedeutet, sondern Aufklärung, politisches Tun, Attacke aber auch Überzeugungsarbeit. Sie ging auf die Sicht der Bürger auf die Politiker ein. Diese würden nur sprechen, statt zu handeln. Hier steht die Sprache im Spannungsfeld, weil in der Politik eben viel gesprochen werden muss, ohne dabei das Ziel aus den Augen zu verlieren. Daher sei die Art und Weise der Kommunikation sowie der Umfang der Informationsfreigabe sehr wichtig.

Politik ist die Vereinfachung höchst komplizierter Sachverhalte. Es gäbe viele Fälle falsch interpretierter und aus dem Zusammenhang gerissener Reden, aber auch genug Beispiele für politische Äußerungen, in denen es an Distanz zu kritischen Inhalten und Ideologien fehle, so Lieberknecht. In der Politik kann und wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Daher sei es wichtig für einen Politiker in jeder Situation Empathie, Anteilnahme, ein echtes Interesse und vor allem Präsenz zu zeigen. Dass die Debatten im Landtag harscher geworden sind, denkt sie nicht. Das Zentrum der Auseinandersetzungen habe sich eher verlagert. Lagen die Streitpunkte früher zwischen den Linken und der CDU, so vereinen sich diese Parteien heute gegen die neu eingezogene AfD.

Prof. Dr. Thomas Niehr: „Das Wesen der Politik“

Anknüpfend an die Ausführungen von Frau Lieberknecht führte der Aachener Professor Prof. Dr. Thomas Niehr, RWTH Aachen University Institut für Sprach- und Kommunikationswissenschaft, in seinem Impulsvortrag zu den Vorurteilen über Politik und Politiker.

Seit jeher sei es üblich Politiker und ihren Sprachgebrauch zu kritisieren. Verschiedenste Vorwürfe richten sich gegen sie. Der hartnäckigste Vorwurf laute wohl, dass Politiker das Volk anlügen, Informationen vorenthalten und es manipulieren.

Besonders aktuelle Entwicklungen, wie die Sondierungsgespräche zur Jamaika-Koalition, verdeutlichen ein Mal mehr, wie wichtig Sprache ist. Vor allem weil dabei weit reichende Begriffe wie Nachhaltigkeit oder Willkommenskultur fallen, welche sich erst in den letzten Jahren innerhalb des deutschen Politikgeschehens manifestiert haben.

So wie die Parteien nimmt ein jeder von uns eine bestimmte Haltung ein. Das Wesen der Politik bestehe nun darin, diskursiv auszuhandeln, was eben solche Begriffe bedeuten, so Niehr. Denn diese seien veränderbar und verhandelbar. Es bedarf also eines strategischen Sprachgebrauchs. Dieser strategische Sprachgebrauch und die vom Alltag abweichenden Regeln innerhalb der Politik sind dem Bürger nicht bewusst. Thomas Niehr zieht das Beispiel des ehemaligen Präsidenten Christian Wulff heran, der nach seinem „Kredit-Skandal“ zurücktreten musste und in seiner Autobiografie seine Situation mit einem Angeklagten vor Gericht vergleicht, der nicht mehr zugeben würde als von ihm erwartet wird. Das Problem entsteht somit dann, wenn Zuschauer hinzukommen, die die Spielregeln nicht kennen. Folglich würde die Politik besser funktionieren, wenn mehr Wissen darüber herrschen würde, wie Entscheidungen getroffen werden.

Die Gefahr besteht darin, dass von Politikern zu viel erwartet wird. Diese Expertokratie führe aufgrund ihrer komplizierten Inhalte, die nicht mehr an die Bürger vermittelbar sind, zur Exklusion. Und genau dort greife der Populismus, so Niehr. Die Lösung: Weniger Politiker-Bashing betreiben und mehr fundiertes Wissen verbreiten.

Steffen Jenter: „Die Gesprächsstörung zwischen Politikern und Bürgern“

Der Journalist und Leiter der Redaktion Politik und Hintergrund des Bayrischen Rundfunks, Steffen Jenter, führte weiter zu seinem Herzensthema: Der angeblichen Alternativlosigkeit in der Politik. Dieses TINA-Prinzip (There is no alternative), dessen Meisterin Angela Merkel sei, führe wiederum zu Wahlergebnissen, wie wir sie dieses Jahr hatten. Es diene Politikern als Ausrede und als Instrument zur Legitimation von Entscheidungen, so Jenter. Ein Diskurs oder eine Debatte bleibt aus. Es herrscht eine regelrechte Gesprächsstörung zwischen Politik und Volk. Es fehlt an eindeutigen Erklärungen, an Präsenz, es gibt ein zu viel „weiter so“, zu viel Kühlheit. Mit einem „Wir schaffen das“ ist dieses Problem nur schwer zu beheben. Steffen Jenters Vorschlag: Abrüsten der politischen Hoheit, Schaffung von Zuversicht.

Diese Entwicklung ist nicht nur in Deutschland zu beobachten, sondern in Gesamt-Europa. Was hierbei problematisch ist, ist dass nicht zwischen Begriffen unterschieden wird, die verschiedene Bedeutungen und somit Handlungsräume beinhalten. Als Beispiel benannte Jenter etwa die Europäische Union, Europa oder die Europäische Währungsunion. Hier verdeutlichen sich auch die Sensibilität der Sprache und die Auswirkungen fehlenden Wissens. Wie Niehr griff auch Jenter den Begriff „Willkommenskultur“ auf und beschrieb anhand dieses Begriffes die neuen Herausforderungen für Journalisten und wie Vorurteile ihre Arbeit erschweren.

Besonders seit den Vorfällen der Silvesternacht 2015 hat sich der Kodex in der Berichterstattung über Migration, Flüchtlinge, Ausländer etc. grundlegend verändert. Beispielsweise wird die Herkunft von Straftätern heute mehr benannt, um Eindrücken bei den Bürgern vorzubeugen, dass versucht würde, Informationen über Ausländer/Flüchtlinge als Straftäter, vorzuenthalten.

Was macht die AfD also richtig? Spricht sie das aus, was gesagt werden muss oder was gehört werden will? Muss ihr zusätzlich so viel Plattform gegeben werden, in dem alles und jeder medial verrissen wird?

Medienwissenschaftler haben den Auftrag in diese Wirren Klarheit zu bringen und die Wahrheit zu bewahren. Es muss Streit herrschen, kantige Sprache darf verwendet werden und alle Themen müssen behandelt werden.

Dr. Kurt Herzberg: „Öffentlicher Raum = politischer Raum?“

Dr. Kurt Herzberg, Bürgerbeauftragter des Freistaates Thüringen, widmete sich dem Thema der Sprache in der Verwaltung.

Hierzu stellte er 7 Thesen auf, in denen er seine Ansichtsweise verdeutlichte, indem er auch eigene Erfahrungen hinzuzog. Seine erste These lautete, dass in der Verwaltung eine ganz eigene Sprache herrsche. Die allseits bekannte Behördensprache, in der bei jedem Schreiben, bei jedem Kontakt, alle möglichen Tatbestände lückenlos erfasst werden müssen. Jedoch nicht zugunsten des Betroffenen, sondern zum Schutz der Verwaltungsstelle. Eine bestimmte Anordnung der Wörter führt folglich dazu, dass Sätze mehrmals gelesen werden müssen, bis der Sinn herausgefiltert werden kann. Die unpersönliche Ansprache und die vom Bürger nicht zu verstehende Sprache vergrößert die bereits bestehende Distanz zwischen Bürger und Verwaltungsstelle.

Eine weitere These ist, dass das Verstehen beim Empfänger stattfindet. Die benutzte Sprache entspricht dem Niveau des Adressaten, dennoch wird aneinander vorbei gesprochen.

Weiterhin hat die Verwaltung die Norm, das Gesetz in den konkreten Einzelfall zu übersetzen, dabei aber für den Bürger verständlich zu bleiben. Herzbergs fünfter Ansatz lautet, dass der Staat über die Verwaltung intensiver mit seinen Bürgern spricht als durch die Politik. Nach Herzberg bleibe die Politik eher oberflächlich. Sie spricht nicht den Einzelnen an. In seiner vorletzten These betont Kurt Herzberg, dass dem Staat nicht gleichgültig sein dürfe, ob die Bürger ihn verstehen. Es sollte nicht unterschieden werden zwischen denen Da Oben und denen da Unten. Schließlich sollte Verwaltungssprache sachlich sein, ohne dabei empathielos zu wirken.

Diskussion

Während der Diskussion hatten die Teilnehmer die Möglichkeit Aussagen aus den Impulsvorträgen aufzugreifen und Rückfragen zu stellen.

Auf die Frage ob sich Frau Lieberknecht in ihrem Amt oder als Pastorin wohler fühle, antwortete sie damit, dass die Verbindung beider Funktionen positive Auswirkungen auf ihre Arbeit hatte. Ob sie sich bei der Begriffswahl auf sich selber oder auf Berater verlasse, sagte sie, dass Politiker so souverän sein sollten eigene Worte wählen und selbständig Entscheidungen treffen zu können.

Jochen Marketts Fragen an Prof. Dr. Niehr bezogen sich auf seine Ansichten, inwieweit Sprache einfach gehalten werden sollte. Nach Niehr ist eine Einfachheit bezüglich der politischen Sprache nicht wünschenswert, wenn man sich beispielsweise anschaue, wie oft Donald Trump Aussagen zurückziehen oder revidieren muss. Es werden komplizierte Sachverhalte behandelt, die einer anderen Sprache bedürfen.

Seiner Meinung nach sei der Deutsche Bundestag politisch korrekter geworden, allerdings nicht im negativen Sinne. Es gibt bestimmt Tabus, doch diese herrschen zu Recht. Er bezeichnete den Zustand als ein vernünftiges Miteinander. Das wird von Populisten wiederum gegenkariert.

Bei Steffen Jenter wurde der Punkt der Alternativlosigkeit aufgegriffen. Er betonte nochmals, dass die Politik nicht mehr die Lebenswelt der Bürger erreiche. Die Debatten seien unehrlich, es fehle an Streit.

Die Frage wer in der Redaktion die Entscheidung bezüglich der Wortwahl treffe, beantwortete Jenter damit, dass diese nicht bewusst getroffen wird. Jede Redaktion entscheidet, welche Inhalte sie verwendet und welche Themen angesprochen werden sollen.

Sind Medien nicht mehr die Taschenlampe des mündigen Volkes, sondern eine Gewalt mit eigener Gestaltungsmacht? Eher nicht. Die Medien stellen in einem politischen System eine eigene Gewalt dar. Doch die Verfasstheit aber auch die Zahl unserer Medien ist sehr hoch und transparent. Werden Fehler begangen, die objektiv betrachtet schwerwiegend sind, so gibt es auch weitreichende Folgen.

Nach der Mittagspause teilten sich die Gäste in 3 parallele Panels auf.

Panel: I Politische Sprache in Debatten. Stammtisch oder Politiksprech?

Im Panel I diskutierten mit Karsten Jauch von der Thüringer Allgemeinen, Matthias Gehler, MDR-Hörfunkchef und Tobias Bott, Pressesprecher der Konrad-Adenauer-Stiftung 3 Journalisten aus verschiedenen Medienbereichen. Karsten Jauch bestätigte durchaus die Existenz einer genuinen politischen Sprache und Begriffe, die einerseits wie „Flüchtlingskrise“ oder „Obergrenze“ sehr selbstreferentiell ist und andererseits Statements und Sprache von Politikern mit vielen Worten ohne erkennbaren Inhalt, deren Sprachduktus aber klar dem politischen Bereich zuzuordnen ist. Als Printjournalist sei seine Aufgabe oft die „Übersetzung“, aber natürlich müsse er in Thüringens größter Zeitung auch die Sprache der großen politischen Diskurse bedienen, wobei er dennoch versuche, dies für die Leser gut verständlich darzustellen.

Matthias Gehler, der in der Umbruchszeit 1990 stellv. Sprecher der letzten DDR-Regierung war, stellte getrieben durch die neuen Medien eine Veränderung der Formate und dadurch auch der zur Verfügung stehenden Zeit für Nachrichten fest. Diese müssten komprimiert, viele Informationen aufnehmen. Darüber hinaus bestehe eine größere Sprachsensibilität, wodurch Nachrichten in Text und Form typisch sind im öffentlichen Raum.

Tobias Bott als Pressesprecher pflichtete den Vorrednern bei und ergänzte, dass er als Pressesprecher der KAS in der Bundeshauptstadt Berlin vielleicht noch stärker als andere Kollegen in Thüringen im Wettbewerb mit anderen Nachrichtengebern stehe, um überhaupt mit Pressemitteilungen wahrgenommen zu werden bei der Vielzahl der Institutionen, Politiker und Ereignisse. Dies führe natürlich dazu, dass es eine genuine politische Sprache gebe, da die Adressaten andere Journalisten seien bzw. die Konrad-Adenauer-Stiftung auch von diesen als genuin politische Institution wahrgenommen werden möchte.

In der anschließenden Diskussion mit den Teilnehmern, waren konkrete Ereignisse aus der Thüringer Landespolitik Thema als auch die Frage, inwieweit der Vorwurf „Lügenpresse“ auf die journalistische Arbeit Auswirkungen hat. In dieser Hinsicht waren alle 3 Journalisten sich einig, dass der Anspruch an Qualität und Recherche auch schon vor den Vorwürfen immer groß war und es wohl kaum bewusste Falschberichterstattung gegeben habe. Dennoch stellten Sie fest, dass die Formate von Nachrichten als auch Zeitfenster nicht immer ideal sind, Sachverhalte in ihrer Komplexität darzustellen, wodurch Verkürzungen als Unvollständigkeiten wahrgenommen werden könnten. Dies sehe man in den Redaktionen auch als Auftrag, in diesem Bereich die Arbeit zu intensivieren.

Panel II: Sprache in der Öffentlichen Verwaltung – ein Buch mit Sieben Siegeln?

Im Panel 2 wurde die Sprache in der öffentlichen Verwaltung thematisiert. Moderator dieses Panels war Kommunikationstrainer Rico Chmelik. Ansprechpartner waren Dr. Kurt Herzberg, Hans-Helmut Münchberg, Landrat vom Weimarer Land sowie Vitali Malsam, Referatsleiter Presse und Öffentlichkeitsarbeit Verbraucherzentrale Thüringen.

Die erste Frage bezog sich auf die Entwicklungen, die sich während der Amtszeit von Hans-Helmut Münchberg vollzogen haben. Dieser bezeichnete die Veränderung der Sprache in der Verwa ltung als einen schleichenden Prozess. Schreibstile wurden und werden einfach übernommen, ohne dass Inhalte hinterfragt werden. Doch die Mündigkeit und das Mitspracherecht der Mitarbeiter ist gewachsen. Ihre Anliegen werden heutzutage ernster genommen als früher. Auch der Einfluss der Kunden ist gewachsen. Auf die Frage, ob er sich wünschen würde, dass in Behörden ähnlich wie in Familien gesprochen werden sollte, antwortete Dr. Herzberg mit einem klaren Nein. Denn alles habe seinen Platz. Doch er würde sich wünschen, dass alles ein wenig vereinfacht werden würde. Als Beispiel für die schwere Verständlichkeit der Behördensprache erwähnte Herzberg einen Fall, bei dem ein Wohngeldantrag gestellt werden sollte, wobei er bemerkte, dass hinsichtlich einiger Fragen auch die Sachbearbeiterin nicht wusste, was verlangt wurde. Hier brachte Vitali Malsam das Beispiel der AGBs, die kaum von jemandem gelesen werden. Münchberg griff diesen Punkt auf und erklärte, warum solch eigentlich wichtige Dokumente keinen Anklang finden. Zum einen, weil die AGBs nicht zum Schutz der Kunden dienen, sondern zur Absicherung des Unternehmens, und zum anderen weil sich Menschen direkt konfrontiert sehen, was wiederum durch die unpersönliche, fast schon vorwurfsvoll Sprache ausgelöst wird, so Münchberg. Daher sei eine Unterscheidung zwischen freundlich formulierter und verständlich formulierter Sprache wichtig, so Herzberg. So sollte Betroffenen mehr Empathie entgegengebracht werden, damit sie sich tatsächlich verstanden fühlen. Münchberg ergänzte, dass nicht nur die Mitarbeiter von Verwaltungsinstitutionen mehr Empathie zeigen sollten, sondern auch die Verwalteten.

Das heißt, durch Verwaltungssprache kann man eskalieren aber auch deeskalieren. Malsam fügte hinzu, dass man eher mit Informationsblättern die Menschen dazu bringen könnte, sie betreffende Sachverhalte zu lesen als mit umfangreichen Geschäftsunterlagen, denen es an Verständlichkeit für den Normal-Bürger fehlt. Daher sollte die Frage einer jeden Verwaltung sein, für wen etwas gemacht wird und wie das am verständlichsten an diese Zielgruppe herangetragen werden kann. Das Problem sei, dass sich der Bürger nicht mehr als Verwaltungssubjekt, sondern -objekt sieht. Er erkennt sich in den öffentlichen Institutionen nicht mehr wieder. Der Verlierer dieser Entwicklung sei der Staat, so Herzberg. Doch Münchberg setzte dem entgegen, dass auch wenn klare, verständliche Richtlinien herrschen würden und je nach Subjekt das betreffende Feld bearbeitet werden würde, die Kommunikation eskalieren würde. Hier hilft die Unterstützung durch den Verbraucherschützer. Doch Malsam kritisierte, dass die Verwaltung hinsichtlich der Digitalisierung, hinterherhinkt, was den Zugang zu Informationen erschwert.

Alle drei Referenten waren der Meinung, dass der Dialog und mehr Transparenz sowohl die Arbeit der Verwalter als auch die Anliegen der Bürger vereinfachen würden.

Während der Diskussion stellte sich klar heraus, dass trotz der guten Situation Deutschlands in sehr vielen Hinsichten, eine große Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung herrscht.

Die Frage wohin sich die Sprache bis 2030 hinbewegen sollte beantworteten die drei Referenten unterschiedlich. Herzberg sah die große Chance der Verwaltung in der Digitalisierung, Malsam betonte nochmals die Beschränkung aufs Wesentliche und Münchberg griff den Punkt der Transparenz auf.

Panel III: Populistische Sprache im deutschsprachigen Raum

In Panel III diskutierten nun Dominique Eigenmann, Deutschlandkorrespondent des Tagesanzeigers (Zürich), Karl-Eckhard Hahn, Pressesprecher der CDU-Landtagsfraktion und Thomas Niehr, Kommunikationswissenschaftler der RWTH Aachen über populistische Sprache im deutschsprachigen Raum.

Vortrag Eigenmann

Eingeleitet wurde das Panel durch einen Kurzvortrag von Eigenmann, der einen Vergleich der populistischen Sprache in Deutschland und der Schweiz präsentierte, um die Frage nach einer Gleichzeitigkeit der Diskurse zu beantworten. Dabei konzentrierte es sich auf den ausländerfeindlichen Populismus. Als zentrale These des Vortrages lässt sich herausstellen, dass keine Gleichzeitigkeit des Diskurses vorliegt, sondern die Schweiz eine wesentlich längere Geschichte des ausländerfeindlichen Populismus aufweist, die bis vor den ersten Weltkrieg zurückreicht.

Eigenmann charakterisierte dabei drei Phasen des ausländerfeindlichen Populismus. Die erste Phase sei dabei von antisemitischen Inhalten geprägt, richtete sich aber ab 1945 zunehmend gegen Gastarbeiter. In dieser Phase wurden auch Parteien wie die ‚Nationale Aktion gegen Überfremdung von Volk und Heimat‘ gegründet oder Studien zur Ausländerproblematik in Auftrag gegeben, die zu dem Schluss kam, dass Ausländer eine Gefahr für die Kultur der Schweiz darstellen würden. Die zweite Phase sei nun vor allem durch Volksinitiativen der ‚Neuen Aktion‘ gekennzeichnet, die beispielsweise darauf abzielten den Ausländeranteil von 17 Prozent auf 10 % Prozent zu senken und 46 % Zustimmung erhielt. Es zeige sich somit allein in der Bezeichnung der Initiativen eine eindeutig populistische Sprache. Die dritte Phase ab den 1990er Jahren ist nun durch weitere Volksinitiativen gekennzeichnet, die darauf abzielen das bereits Anfang des Jahrhunderts etablierte Problem der ‚Überfremdung‘ zu lösen.

Eigenmann stellte nun die Frage wie diese unterschiedliche Entwicklung zustande kam. Er betont hierbei, dass in der Schweiz kein Rassismustabu bestünde, aber auch dass das plebiszitäre Element des politischen Systems, die Volksinitiativen, populistische Sprache und die damit einhergehenden Begrifflichkeiten als politische Kampfbegriffe in die politische Arena und die gesellschaftliche Mitte einbringen. Genau wegen dieses Mechanismus strebe auch die AfD die Etablierung von Volksinitiativen an, weil sich dort eher Mehrheiten für populistische Projekte finden ließen und außerdem das populistische Vokabular in den politischen Diskurs aufgenommen wird.

In seinem Fazit hielt Eigenmann fest, dass die Debatte in der Schweiz aufgrund des fehlenden historischen Kontexts des Nationalsozialismus, nicht moralisch aufgeladen ist und somit bestimmte Probleme objektiver diskutiert werden können als in Deutschland.

Vortrag Hahn

Anschließend präsentierte Hahn neun Thesen zum Thema. Zunächst charakterisierte er dabei den Befund. Erstens nutzen Populisten einen Exklusivitätsanspruch und positionieren sich damit als Volkstribun. Damit einhergeht eine Etablierung von Gruppen, die sich (potentiell feindlich) gegenüberstehen. Zweitens arbeitet sich der Populismus an Parteien und deren Repräsentanten ab. Diese werden sowohl inhaltlich als auch sprachlich negativ dargestellt. In Extremfällen finden sich diese Dynamiken auch innerhalb der Gruppe der Populisten wie am Beispiel Björn Höcke deutlich wird, der auch eigene Parteimitglieder in herabwürdigendem Vokabular bezeichnet. Drittens sieht er die Sprachverrohung vor allem als ein Mittel des Aufmerksamkeitsmanagements, welches einerseits eine permanente Präsenz der Populisten im Diskurs sichert und andererseits eine Opferrolle etabliert.

Schließlich fragte Hahn wie es zu dieser Entwicklung kommen konnte. Erstens sei hier festzuhalten, dass bestimmte Themen zu stark moralisiert wurden anstatt über sie zu sprechen. Zweitens wurden Populisten ausgegrenzt statt sie intellektuell und politisch herauszufordern. Drittens und dies ist Folge der ersten These wurden bestimmte Themen, die u.a. Ursache der gesamten Debatte sind, vermieden. So wurde lange das Thema des Heimatbegriffes vermieden und somit die deutsche Identität nicht definiert, was zu einer Identitätsunsicherheit führt und letztlich eine Ursache der Popularität populistischer Politiker ist.

Abschließend präsentierte Hahn drei Thesen wie mit der Problematik umgegangen werden soll. Einerseits dürfe nicht jede noch so kleine Herausforderung angenommen werden. Andererseits müsse Ausgrenzung vermieden werden und ein respektvoller Ton in der Gesamtdebatte verfolgt werden. Letztlich müssen die bisher vernachlässigten Themen aufgenommen und ausdiskutiert werden.

Vortrag Niehr

Abschließend präsentierte auch Niehr einen Kurzvortrag und bestätigte dabei Hahns These Populisten schaffen ein dichotomes Weltbild von „Wir“ und „Andere“, das sich meist in die Gruppe ‚einfaches Volk‘ vs. (korrupte) Eliten/Medieneliten oder auch eigenes Volk vs. fremdes Volk einteilen lässt und dabei ein Bedrohungsszenario geschaffen wird.

Des Weiteren wirft Niehr einige populistische Vokabeln auf. Etwa das Wort Lügenpresse sei einerseits problematisch aufgrund seines historischen Kontextes aber andererseits aufgrund der Tatsache, dass jede Diskussion durch die Delegitimierung der vermittelten Inhalte unterbunden wird. Insgesamt zeigt sich auch bei Begriffen wie „völkisch“ oder „Volk“, dass Populisten die historische Verwendung der Begriffe aktiv nutzen um zu provozieren. Diese Provokation sei zentrales Element der populistischen Sprache, ebenso wie der Versuch die Grenzen des Sagbaren auszutesten und nach rechts zu verschieben.

Podiumsdiskussion

In der Podiumsdiskussion sagte Eigenmann schließlich, dass es sich auch in Bezug auf die AfD und deren Sprache eine Normalisierung vollziehen wird, sodass weniger Tabus bestehen werden. Gleichzeitig sagte er aber auch, dass Volksinitiativen wie sie die AfD fordert für Deutschland nicht zu empfehlen sind. Hier fehle Deutschland die politische Kultur und das vertiefte Wissen, das notwendig ist um die Konsequenzen politischer Maßnahmen abschätzen zu können.

Hahn führte an, dass die Themenvermeidung durchbrochen werden müssen und besonders Themen wie die Einwanderung und Angriffe auf die Rechtsstaatlichkeit Teil der Debatte werden müssen. Er plädiert auch gerade für den Dialog mit den Populisten. Niehr widersprach hier und sagt, dass Einwanderung ein Thema ist, das schon immer diskutiert wurde, aber darüber nicht objektiv gesprochen werden kann aufgrund der deutschen Vergangenheit. Er machte auch deutlich, dass Populisten nicht alles sagen dürfen, denn bestimmte Begrifflichkeiten und Aussagen stehen unter Strafe und dürfen damit nicht geduldet werden. Hahn führte hier jedoch an, dass die AfD sich gerade in die Einwanderungsdebatte einschaltet und diese nutzt um latente menschenfeindliche Einstellungen zu adressieren.

Gemeinsame Abschlussdiskussion und Präsentation der Hypothesen

In der Abschlussdiskussion wurden schließlich die in den jeweiligen Panels erarbeiten Thesen zusammengetragen. In Panel I kamen die Teilnehmer zu dem Schluss, dass in Thüringen der Zugang zur Politik leichter sei und entsprechend die politische Sprache auch anders ist, als etwa auf Bundesebene. Aufgrund des eher kollegialen Verhältnisses gäbe es dann in den Medien auch weniger Konkurrenz in der Berichterstattung.

Panel II hielt fest, dass ein Zeitgeist für eine verständliche Sprache in der Verwaltung geschaffen werden müsse. Es müssen Empathie in den Verwaltungen geschaffen werden und die Vorzüge der Digitalisierung müssen in den Behörden Einzug halten, sodass die Kommunikation etwa via Chats erleichtert wird.

Panel III hielt fest, dass Populismus die Grenzen des Sagbaren austestet und neudefiniert. Er charakterisiert sich durch Gegensätze zwischen Gruppen. Außerdem seien Populisten undemokratisch, da sie den Anspruch das gesamte Volk zu vertreten nicht erfüllen beziehungsweise sich wie PEGIDA nicht auf eine durch Wahlentscheid begründeten Repräsentationsanspruch beziehen können. Auch hat Deutschland eine Sonderrolle in politischen Diskurs. Für den Umgang mit Populisten wird sachliches Argumentieren empfohlen. Abschließend wurde deutlich betont, dass der Populismus auch positive Auswirkungen hat, da er zur Thematisierung von bisher übergangenen Problemen führe. Die Teilnehmer des Panels verwiesen auch auf die entstandene Kontroverse ob in Deutschland frei diskutiert werden können, besonders im Kontext der Verwendung bestimmter Begriffe.

Diese Kontroverse nahm Braun in seinem Schlusswort auch wieder auf und verwies darauf, dass nun einmal alles gesagt werden darf was nicht juristischen Beschränkungen unterliege. Außerhalb dieser Beschränkungen bleibe lediglich die Möglichkeit durch Korrekturen.

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