Veranstaltungsberichte
Zweiter Thüringer Jugendpolitiktag: „Auftrag Demokratie“ in der Jenaer Fachhochschule
Der zweite Thüringer Jugendpolitiktag am 24. November führte Referenten, Moderatoren, Unternehmen sowie Lehrer und Schüler aus Jena, Apolda und Zeulenroda direkt in die Aula der Fachhochschule Jena. Dort eröffnete der wissenschaftliche Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung Daniel Braun den 2. Thüringer Jugendpolitiktag „Auftrag Demokratie“ unter Schirmherrschaft von Christine Lieberknecht zum Thema Wirtschaft heute: Globalisierung, Finanzen, Freistaat Thüringen, Berufliche Chancen.
Eine Vorstellung des Tagungsortes Fachhochschule Jena übernahm Prorektor für Studium, Lehre und Weiterbildung Prof. Dr.-Ing. Burkhard Schmager. Mit 5000 Studierenden und 530 Professoren empfahl er seinen Studienort, der zwar Politik als Studienfach nicht bieten konnte, jedoch mit den Bereichen Technik, Wirtschaft und Soziales punkte. Weitere Vorteile sah er durch das Angebot zahlreicher studienübergreifender Projekte in der Fachschule sowie eine Vernetzung von Lehre, Unterricht und praktischer Arbeit. Prof. Dr.-Ing. Burkhard Schmager reichte den Themenball gleich an die Ministerpräsidentin weiter, die in einer sehr lebendigen und konkreten Rede auf die jungen Zuhörer einging.
Lieberknecht lobte Thüringen, insbesondere Jena als wichtigen Industrie- und Studienstandort, denn „Die Wissenden von Heute sind die Gestalter von Morgen“. Und dieses erste Zitat zog sich wie ein roter Faden durch das Impulsreferat. Lieberknecht ging auf die Wichtigkeit von wichtigen Rahmenbedingungen ein, um das Interesse der Jugendlichen am Studienort Thüringen oder gar Jena zu wecken, und forderte dies auch von der Politik. „Die Gesellschaft lebt davon, dass Menschen sich einbringen und Werte schaffen“. Dazu wünschte die Ministerpräsidentin Transparenz über alle politischen Entscheidungen und eine offene Berichterstattung der Medien. In ihrer Rede kam Lieberknecht aber auch schnell auf die Wirtschafts- und Finanzkrise zu sprechen. Aus diesen seien die Thüringer am Ende gestärkt hervorgegangen, da tatkräftige Unternehmer ihre Mitarbeiter in der Krisenzeit qualifizieren ließen und in Thüringen sich durch Vertrauen auszeichneten. Die Thüringer Ministerpräsidentin verwies in diesem Zusammenhang allerdings auch auf drei Megatrends: Zum einen wird der Demografische Wandel, die beschlossene Energiewende aber auch die aktuellen Krisensituationen die Wirtschaft künftig beeinflussen.
Ein Europa ohne Grenzen sei dabei ein „Traum von Wenigen gewesen, aber auch die Hoffnung für Viele und eine Notwendigkeit für Alle“. Lieberknecht wagte einen Blick nach vorn. Konkret im Jahr 2020 werden in Thüringen etwa 200.000 Menschen weniger leben und etwa ein Drittel der Haushaltsgelder weniger zur Verfügung stehen. Deshalb hofft die Ministerpräsidentin auf „Mehr Geist bei weniger Geld“. Mit dem Blick auf ressourcenschonende Nutzung der Umwelt, Bewahrung der Schöpfung sowie Nutzung von erneuerbaren Energien lasse sich ein zukunftsfähiges Thüringen entwickeln. Thüringen besitze Potential, müsse jedoch noch zukunftsfähiger werden, so die Schirmherrin. Dies betrachtete sie jedoch sehr enthusiastisch, denn „In Thüringen hat Zukunft Tradition“. Ihre Aussage belegte die Ministerpräsidentin mit Fakten: In Freistaat kommen derzeitig 81 Unternehmen auf 1000 Einwohner, davon zählen zehn Firmen als Handwerksbetriebe. Dieses Unternehmertum und die Intention der Thüringer, aus eigener Kraft das Leben und Arbeit zu gestalten, lobte die Ministerpräsidentin.
Ein positives Bild zeichnete auch der Projektleiter Biotechnologie-Life Sciences Mitteldeutschland und COO SET Technology GmbH Martin Pohle. Seit etwa zwei Jahren als Gründer einer inzwischen 20köpfigen Beratungsgesellschaft unterwegs, machte der Jungunternehmer den jungen Zuhörern Mut auf Neues. Virtuelle Netzwerke bestimmen den modernen Arbeitsalltag des ehemaligen Fachhochschülers aus Jena. Gleich zu Beginn der Ausführungen ging Pohle auf die aktuelle Weltwirtschaftskrise, Rettungsschirme und gelebte Politik ein. In seinen Beobachtungen registrierte der Unternehmer eine wachsende Unzufriedenheit der jungen Leute, die nicht mehr zu „abstrakten“ Themen demonstrieren, sondern ganz konkrete Fragen an die Politik und Wirtschaft stellen und Teilhabe und Mitbestimmung einforderten. Solch ein Jugendpolitiktag sei dabei eine gute Möglichkeit, ein erstes Bewusstsein bei jungen Leuten zu schaffen, um sich in die Politik aktiv einzubringen. Denn „aus Verdruss wird Fanatismus“ wusste Pohl und verurteilte den „Braunen Abgrund“, der leider tagesaktuell auch in Thüringen für Schlagzeilen sorgt.
Pohl empfahl daher eine dringende Bestandsaufnahme, denn der Freistaat muss sich, um auch künftig eine wirtschaftlich wichtige Rolle zu spielen, tolerant und weltoffen zeigen. Das kleine Land in der Mitte Deutschlands sei auf ausgebildete Arbeitskräfte angewiesen, denn die Konkurrenz zu anderen Industriestandorten ist innerhalb der Bundesrepublik wie international sehr groß. Bei der Werbung zum Industrie- und Wirtschaftsstandort Thüringen seien jedoch auch die sogenannten weichen Standortfaktoren wichtig. Denn mit dem Kulturleben und im Vergleich zu Metropolen wie München oder Hamburg niedrigen Lebenshaltungskosten könne das Land punkten. Thüringen ist, so Pohle weiter, jedoch immer noch zu wenig bekannt. Darüber hinaus könne auch die geschätzte Heimat Arbeitskräfte nicht im eigenen Land halten, wenn das Lohngefüge nicht stimme.
Die Impulsvorträge veranlassten die knapp 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, gleich konkrete Chancen von Studierenden in Thüringen abzufragen. Und die stehen nicht schlecht, betonte die Ministerpräsidentin. Lieberknecht ging dabei auf die unterschiedlich gewachsenen Strukturen von Schulsystemen im Freistaat ein. Ihr sei es zudem ein wichtiges Anliegen, keine Studiengebühren zu erheben, was auch in den nächsten Jahren bleiben solle. Pohle indes mahnte eine Willkommenskultur an, die noch mehr zu entwickeln sei. Thüringen müsse toleranter werden und globaler denken. Dazu müssen Ideen entwickelt werden, um beispielsweise den Standort für Familien (Kinderbetreuung oder flexible Arbeitszeiten) attraktiv zu bewerben.
Konkrete Thüringer Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung, die Förderung von Solarenergie sowie Elektrofahrzeuge wurden hinterfragt. Lieberknecht versicherte, Thüringen sei hoch innovativ in vielen Branchen aufgestellt. Eine Vernetzung miteinander ermögliche eine Rundumversorgung des Freistaats. Pohle indes sah in der Kleinteiligkeit der Thüringer Unternehmen Vorteile: Was klein ist, ist flexibel, kann schneller reagieren, innovativ bleiben und ermögliche daher ein nachhaltige Wirtschaft.
Die Botschaft dieser lebhaften und interessanten Diskussion, die unter der Moderation der Leiterin der TLZ-Redaktion Jena Lioba Knipping stand, fasst sich in wenigen Worten zusammen: Geht in die Welt und bringt die Erfahrungen wieder nach Thüringen zurück. Lernt Sprachen, bleibt neugierig, hinterfragt kritisch und Thüringen schafft die passenden Rahmenbedingungen für eine passende Willkommenskultur.
In der Mittagspause nutzten viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Gelegenheit, sich an Ständen der Bauerfeind AG, Analytik Jena AG, Landesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT, der Begabtenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung und der IHK Ostthüringen zu Gera über Produkte, Ideen und Zukunftschancen zu informieren.
Nach der Mittagspause fanden sich die jungen TeilnehmerInnen in vier unterschiedlichen Foren zusammen, um hautnah mit Referenten zu diskutieren.
Forum I
Globalisierte Wirtschaft – Fakten, Folgen und Chancen
Mit Klaus Berka (Analytik Jena AG), Dr. Mario Voigt, MdL und Moderator Manuel Halbauer (der Spiesser)
Eine interessante Diskussion entspann sich über die aktuelle wirtschaftliche Herausforderungen Deutschlands. Breiten Raum nahmen zudem die wirtschaftlichen Intentionen der Weltmacht China ein. Gleichfalls wurde die über die Leistungskraft von Singapur diskutiert. Die jungen Zuhörer wagten zudem Vergleiche, die mit viel Sachverstand von den Referenten ausdiskutiert wurden. Denn „Überwachung“ am Beispiel China sei keine Innovation. Ein weiteres Themenfeld umfasste die Zukunft Afrikas.
Forum II
Banken-Börse-Geldpolitik: Wie funktioniert die Finanzwirtschaft
Dr. Frank Schillinger (Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen), David Gregosz (Koordinator für Grundsatzfragen Ordnungspolitik Konrad-Adenauer-Stiftung Berlin
Viel Lob über die Bereitschaft der jungen Leute zur Diskussion, trotz „schwerer Themen“ so lautete das Resümee aus Forum II. Dabei bewegten sich die Themen natürlich um die Eurokrise, die Situation der Banken und hochverschuldeter Staaten. In dieser Situation rücken die Staaten zusammen, denn „alle sitzen in einem Boot“. Dabei machten die Forum-Teilnehmer drei Ursachen dieser Krise fest: Zum einen konstatierten sie einen Regelbruch, massive Staatsverschuldung sowie eine mangelnde Architektur des Wirtschaftsraumes. Daher seien auch die Entwicklungen an den Finanzmärkten aus den Fugen geraten. Dennoch sollte die aktuelle Situation nicht so pessimistisch gesehen werden, denn die Europäer machen die ersten Schritte in die richtige Richtung. Kritik ging an die Medien, die teilweise sich widersprechend berichteten und Zusammenhänge nur unvollständig darstellten. Nun müssen die verschuldeten Staaten schnell daran gehen, ihre Hausaufgaben zu machen und Schuldenabbau betreiben, um mit dem Aufbau einer wettbewerbsfähigen Struktur zu beginnen.
Forum III
Die Wirtschaft Thüringens: Arbeitsplatz vor Ort – Marktführer in der Welt
Goetz Peter Bierlich (Leiter Finanzen Bauerfeind AG), Andreas Krey (Sprecher der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen, LEG), Frank Orschler (Vizepräsident der IHK Ostthüringen zu Gera)
Mit sehr persönlichen Gesprächen begann das dritte Forum, wobei die Referenten ihren beruflichen Entwicklungsweg schilderten und so Brücken zu den jungen Leuten schlugen. Damit schufen die Referenten Einblicke in das Schulsystem in Thüringen und stellten die Kleinteiligkeit des Freistaates fest, der mit seiner zentralen Lage in Deutschland und Europa auch Vorteile besitzt. So gestaltet sich die „Ausgangslage“ für Schüler, künftige Azubis oder Studenten jedoch durchaus optimistisch. Um die Unsicherheit der jungen Leute bei der Berufswahl zu beseitigen, gaben die Referenten drei Hinweise. Zum einen sollten gute und kompetente Gesprächspartnerin in Firmen gesucht werden, um die eigene Unsicherheit zu überwinden und eine Rückkopplung zu erhalten, denn Eigeninitiative wird honoriert. Die Ergebnisse der Gespräche sollte der Jugendliche selbst bewerten, aber auch Wagnisse eingehen, selbst Maßstäbe entwickeln und einen eigenen Wertemaßstab anlegen.
Forum IV
Wege in die Arbeitswelt
Dr. Katja Zitzmann (Leiterin der Service Stelle Career Service Fachhochschule Jena), Peter Benninghoff-Lühl (Begabtenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung), Gunter Brehm (Landesarbeitsgemeinschaft Schulewirtschaft Vorsitzender Wirtschaft
Wege in die Arbeitswelt sind verschlungen, nicht geradlinig. Die Referenten des Forum IV gaben deshalb einige Wegepunkte zu Gehör. Junge Leute sollten selbst herausfinden, was ihnen gefällt und mit welcher Arbeit sie „glücklich“ werden. Dazu sind viele Gespräche notwendig, aber auch Ausprobieren, Vorschnuppern oder Schulungskurse. Die Mitglieder des Forums fragten an, ob es nicht an Hochschulen oder Universitäten möglich sei, das Schüler bzw. Gymnasiasten Vorlesungen besuchen könnten. Einmal wöchentlich müsse es an den Hochschul- bzw. Unistandorten die Gelegenheit geben, Vorlesungen für Interessenten zu gestalten. Gleichfalls dürfen die künftigen Studierenden bzw. Azubis keine Scheu davor haben, Kataloge zu studieren und Messen zu besuchen. Bei all den Ratschlägen oder Tipps: Der junge Mensch sollte sich in seinem Beruf selbst wiederfinden.