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Im Rahmen der Ettersburger Gespräch in Kooperation mit Schloss Ettersburg stellte der ehemalige Minister für Umwelt und Landwirtschaft Sachsen-Anhalts Dr. Hermann Onko Aeikens am 23. November 2023 sein Buch „Unsere Landwirtschaft besser verstehen – Was wir alle wissen sollten“ vor.
Die Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. Maja Eib wies in ihrer Einführung auf die vielen Herausforderungen der heutigen Landwirtschaft hin. Neben dem Klimaschutz sähen sich Landwirte heute vor allem einem großen Aufwand an Bürokratie und steigenden gesellschaftlichen Anforderungen gegenüber. Diese Herausforderungen müssten bewältigt werden, würden aber auch Auswirkungen auf die Arbeitsweise der Betriebe haben.
Dr. Hermann Onko Aeikens stellte im Anschluss sein neues in Auszügen Buch vor. Dabei betonte er, dass bisher kein vergleichbares Buch existiere, welches auf der Grundlage wissenschaftlicher Ergebnisse argumentiere. Zu Beginn seiner Lesung ging er auf die Entwicklung der Landwirtschaft in den letzten 75 Jahren ein. Die Reduktion von Ackerland (täglich allein 56 ha in Deutschland) sei gravierend, da landwirtschaftliche Böden damit immer mehr zum Spekulationsobjekt von Holdings und nicht-landwirtschaftlichen Unternehmen würden. Damit einher ginge eine Verödung dörflicher Strukturen, wenn bäuerliche Familien, gerade in den neuen Bundesländern, ihre Betriebe aufgäben. Aeikens ging auch auf die Kritik an landwirtschaftlichen Betrieben ein. Er betonte, dass es ein „gestörtes Verhältnis“ zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft gebe, welches zu einer Entfremdung führe. Ziel müsse es daher sein, Fehler im agrarpolitischen System zu reduzieren, um Akzeptanz zu fördern. Dazu gehöre auch, dass Investoren schwerer an Ackerland gelangten und die Landwirtschaft öffentlich mehr in Erscheinung trete, um den Kontakt und Austausch mit der Gesellschaft zu suchen. Hinsichtlich der Kosten für mehr Tierwohl und Artenvielfalt mahnte Aeikens: „Wir müssen auch zu den Landwirten ehrlich sein!“ Probleme dürften in der Landwirtschaft nicht kleingeredet werden oder auf „die Institutionen“ geschoben werden. Ebenso müsse offen gesagt werden, dass die Transformation der Landwirtschaft Geld koste.
Strukturwandel als Herausforderung und Motor
Im Anschluss an die Lesung sprach Florian Wagner (Geschäftsführer von heimatwurzeln e.V.) mit Dr. Aeikens über das Buch. Angesprochen auf den Strukturwandel im ländlichen Raum und die damit einhergehenden Herausforderungen wies Aeikens darauf hin, dass dieser nicht aufzuhalten sei. „Solange wir technischen Fortschritt haben, ist es eine Illusion den Strukturwandel zu stoppen.“ Zudem würden Investoren und Direktzahlungen an Großbetriebe den Strukturwandel verstärken. Der Strukturwandel habe auch eine positive Seite, wie die schnellere und effizientere Arbeitserledigung bspw. beim Melken. Gerade junge Landwirte würden vermehrt auf die Work-Life-Balance achten, weshalb der Strukturwandel ihnen hier entgegenkomme.
Ein weiterer Punkt im Gespräch waren die Umweltprobleme und die Nutzung von Ackerland zur Fleisch- und Energieproduktion („Tank-Trog-Teller“). Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ermutige Landwirte aufgrund der besseren Bezahlung, vermehrt Solar- und Windkraftanlagen auf ihre Flächen zu stellen. „Hier gibt es eine Konkurrenz zwischen Ernährungs- und Energiepolitik. Aeikens plädierte vor dem Hintergrund von 800 Mio. hungerleidenden Menschen dafür, die Flächen ausschließlich für die Lebensmittelproduktion zu nutzen. Es wäre aus seiner Sicht sinnvoller, ein AKW zu bauen, anstatt viele Flächen für Solar zu versiegeln und die Flächenknappheit damit zu befeuern.
Ist Landwirtschaft in Deutschland zukunftsfähig?
In der anschließenden Diskussionsrunde wurden vorherige Punkte aufgegriffen und vertieft. Ein anwesender Landwirt verwies auf die aktuell geringe Bereitschaft der Gesellschaft heimische Lebensmittel zu kaufen. „Bei 5 % Inflation werden vor allem günstige Lebensmittel gekauft.“ Dennoch würden die gesellschaftlichen Ansprüche steigen.
Aeikens hob hier vor allem den Mindestlohn als Problem hervor. Gerade bei arbeitsintensiven Kulturen wie Obst und Gemüse sei davon auszugehen, dass hier aufgrund der Kosten die Anzahl produzierender Betriebe zurückgehe. Dennoch: „Wir müssen uns mehr bemühen, gute agrarische Produkte an den Kunden zu bringen.“ Natürlich täten Kunden nicht immer das, was sie in Umfragen sagten, jedoch müsse die heimische Landwirtschaft auch Lösungen entwickeln, wie die Direktvermarktung.
Ein Student merkte an, dass an Hochschulen gefordert werde, Subventionen für die Landwirtschaft aufzuweichen, „da niemand ein Recht darauf hat, Landwirt zu sein.“ Auch Aeikens zeigte Verständnis für eine Veränderung der Vergabe von Subventionen. „Muss die Familie Albrecht [ALDI] im 7-stelligen Bereich Transferzahlungen erhalten?“ fragte er. Die Politik müsse die Investoren-Landwirtschaft bremsen forderte Aeikens. Dafür sei es wichtig, Agrarstrukturgesetze zu erlassen, die eine Auszahlung von Direktzahlungen besser regele. „Wenn Familien Landwirtschaft betreiben, hat Landwirtschaft ein Gesicht“ so Aeikens.
Das Buch „Unsere Landwirtschaft besser verstehen – Was wir alle wissen sollten“ ist im Mitteldeutschen Verlag erschienen und kostet 24,00 €.