Veranstaltungsberichte
Der Barocksaal in der Thüringer Staatskanzlei bot am 28. Februar das passende Ambiente für das 12. Erfurter Europagespräch. Und bei bereits 150 Voranmeldungen waren auch die Plätze für die etwa 180minütige Veranstaltung gut gefüllt. Das lag sicherlich an dem Thema „Kroatien auf dem Weg in die EU“ und einer Gesprächsrunde mit hochkarätigen Gästen.
Die Schirmherrin und Europaministerin Marion Walsmann begrüßte im Namen der drei Veranstalter, der Konrad-Adenauer-Stiftung, dem Polnischen Institut Leipzig und dem Europäischen InformationsZentrum Erfurt die Gäste, den Botschafter der Republik Kroatien seine Exzellenz, Dr. Miro Kovač, den Leiter des Auslandsbüros der KAS in Zagreb Reinhard Wessel, den Associate Professor am UNESCO-Dpt. für Internationale Beziehungen der Universität Bukarest Dr. Franz-Lothar Altmann und Marta Szpala, Mitarbeiterin des Zentrums für Oststudien.
In ihren einführenden Worten schlug die Thüringer Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chefin der Staatskanzlei Bögen in die jüngste Geschichte des Landes, beschrieb die aktuelle Situation und beschied Kroatien eine Anziehungskraft, der sich auch ihre Familie nicht entziehen könnte. Marion Walsmann verschaffte damit den Gästen einen ersten Überblick über Kroatien, der als 28. Mitgliedsstaat der Europäischen Union beitreten wird. Denn am 9. Dezember 2011 unterzeichneten die EU-Regierungschefs in Brüssel unter polnischer Ratspräsidentschaft den Beitrittsvertrag, der nun ratifiziert werden muss. Vor wenigen Tagen, am 22. Januar 2012 stimmte das kroatische Volk dem EU-Beitritt in einem Referendum zu. Damit ist Kroatien auch der erste Staat, der nach einem reformierten Verfahren beitritt, das bis zum offiziellen Beitritt am 1. Juli 2013 ein strengeres Monitoring durch die Europäische Kommission vorsieht.
Mit den Fragen „Welche konkreten Aufgaben haben Kroatien und die Union noch gemeinsam zu bewältigen?“ und „Welche Hoffnungen verbinden die Bürger Kroatiens mit dem Beitritt?“ gab die Ministern den Staffelstab gleich an den Botschafter der Republik Kroatiens weiter. Dr. Miro Kovač nahm diesen gerne auf, begann jedoch mit einem kleinen geschichtlichen Abriss des Land und seiner Sehnsucht nach Eigenständigkeit und einer „Rückkehr nach Europa“. Trotz einiger Stagnationen und Hürden sei das Land seit den 90er Jahren bestrebt, eine Annäherung an europäischen Strukturen zu vollziehen. Sein Redebeitrag listete Maßnahmen und Aktivitäten auf, die seit dem Jahr 2000 nach den Wahlen und einer neuen Regierung einhergingen. Kovac sprach über die Hindernisse, die den Menschen und dem Staat auferlegt wurden. Besonders auf die strengeren Auflagen des kleinen Landes nach der Aufnahme der zehn Staaten in 2004 in die Europäische Union und die Probleme in Ungarn, Rumänien und Bulgarien sowie der große Druck, um „eu-tauglich“ zu sein, vergaß Kovač nicht. Ihm sei es wichtig, das Kroatien weiter an einer Haushaltskonsolidierung arbeite und Maßnahmen zum Wirtschaftswachstum ergreift. Interessanterweise bekundete der Botschafter auch, dass die Bewohner keine so großen Erwartungen in die Mitgliedschaft hegen, daher auch das unlängst erfolgte Referendum eher weniger Kroaten zur Meinungsäußerung nutzten. Die Frage, ob und welche wichtigen Impulse Kroatien der EU geben könnte, antwortete Miro Kovač mit einer kleinen Charakterisierung des Landes „Kroatien ist ein geopolitisches und kulturpolitisches Amphibium“. Die besondere Lage des Landes dreier Welten könnte auch auf die Nachbarländer, die neugierig nach Europa blicken, wirken. Eine Aufgabe in Kroatien könnte so darin liegen, die Nachbarn bei ihren Vorhaben und Bemühen um Reformen zu unterstützten.
Den Impulsvortrag unterstützte Reinhard Wessel in weiten Zügen. Der Leiter des Auslandsbüros der KAS in Kroatien brachte aktuelle Beispiele in die Gesprächsrunde, da er mit seinem Arbeitsort Zagreb auch tagtäglich die Wünsche und Hoffnungen der Kroaten spürt. Wessel verwies auf die Strukturen des Landes, die mit anderen westlichen Ländern vergleichbar wären. Diese starken demokratischen Strukturen seien dabei in Kroatien ganz selbstverständlich. Die Lage der Wirtschaft bezeichnet Wessel indes kritisch, aber nicht hoffnungslos. Die Weltwirtschaftskrise mache auch vor dem kleinen Land kein Halt, die Auslandsinvestitionen seien zusammen gebrochen. Einen scharfen Unterton erhielt seine Aussage bezüglich der Aufnahme Kroatiens zum EU-Beitritt: „Es ist beschämend, wie mit Kroatien umgegangen wurde“. Wessel begründete seine Aussage, empfand das Gefühl aber schlimm, dass Kroatien für die Fehler anderer Länder mitbüßen musste, um so die Fehler nicht zu wiederholen. An schlecht besetzte Kapitel erinnerte Wessel, die Kroatien fortan in einem sechsmonatigen Monitoring-Bericht überprüft. Dazu gehören die beiden Kapitel „Justiz und Innere Angelegenheiten“ sowie „Wettbewerbsfähigkeit“. Die Antwort zu den Erwartungen der Kroaten zur EU-Mitgliedschaft glich seinem Vorredner Miro Kovač. Laut Wessel sei von einer Begeisterung im Land wenig zu spüren. Die Kroaten gehen eher pragmatisch an den EU-Beitritt und sehen diesen nach Interessenlage und Bereich sehr unterschiedlich. Wichtig sei es jedoch, den Europagedanken weiter zu verbreiten, da Printmedien und die Regierung gewisse Themen weitgehend ignorieren. Dennoch, trotz der langen Anlauf- und Beitrittszeit, in der vieles schief gelaufen sei und der geringen Beteiligung am Referendum sei keine „Gruppe von Menschen“ gegen einen EU-Beitritt. Der Leiter der KAS in Zagreb wünschte sich jedoch auch, dass dieser, doch als Sonderprozess in der Geschichte eingestuften Beitrittskriterien, auch die nächsten Kandidaten absolvieren sollten. Kroatien könnte so zum Leuchtturm werden und Vorbildfunktion einnehmen. Es würde viel Arbeit auf die Menschen in Südosteuropa zukommen. Diese seien sich der Herausforderungen und Problematiken bewusst. „Es lohnt sich“, so Wessel weiter, „ mit den Menschen im Gespräch zu bleiben“. Die Kroaten könnten einen politischen Boden für weitere Kandidaten bereiten.“ Dazu bedürfe es allerdings einer Lobby für den Südosten und mehr Unterstützung anderer europäischer Länder.
Den überaus informativen Impulsvorträgen schloss sich die Gesprächsrunde an, die bereits einführend erwähnt unter der Moderation von Blanka Weber lag. Gleich zu Beginn wünschte sich die Redakteurin des Deutschlandsradios von ihren Gästen Ausblicke nach dem Ratifizierungsprozess. Miro Kovač fasste die nächsten Ziele mit dem Kampf um Transparenz und Korruption in Kroatien zusammen. Gleichfalls sollten mehr Investoren das Land und seine Ressourcen entdecken. Zudem sei eine besser aufgestellte Lobby wünschenswert.
Einen ganz neuen Impuls brachte Dr. Franz-Lothar Altmann in die Gesprächsrunde. Denn die Region sei auch für Deutschland von großem Interesse. Zudem besitze Deutschland als Wirtschaftsregion dort einen guten Ruf und könne viel bewegen. Positive Entwicklungen sieht Dr. Altmann bereits in der Schaffung von vier eigenen Gerichtshöfen, um der Korruption in Kroatien einen Riegel vorzuschieben. Die letzte Regierung hätte damit viel vorangebracht. „Die Situation ist allerdings immer noch kritisch, aber nicht hoffnungslos“. Eine fachkundige Antwort auf die Frage: „Wie blickt man von Polen aus auf Kroatien“ gab Marta Szpala, die dank eines Dolmetschers wichtige Impulse in das Gespräch brachte. So seien die Beitrittsanstrengungen Kroatiens wahrgenommen worden, der polnische Staat und die Bürger zollten große Anerkennung. Erkannt seien ebenfalls die ergriffenen Antikorruptionsmaßnahmen. Erste Effekte des Umbruchs zeigen, dass man dort auf einem guten Weg sei. Allerdings bemerke die Warschauerin ebenfalls, dass sich die frühere Euphorie in Sachen Europa gelegt und die EU in den Meinungen der Menschen womöglich an Ausstrahlungskraft verloren hätte.
Dennoch, die Gesprächspartner war sich einig, Kroatien ist proeuropäisch und keine nennenswerte Partei gegen den EU-Beitritt.
Zudem, kroatische Flüchtlinge, die bei den Kriegswirren in Deutschland Zuflucht fanden und längst wieder in ihrer Heimat wohnten, waren die best-integrierteste Gruppe. Deutsche sollten mit solchen Pfunden wuchern. Und trotz der Weltkriege, die von deutschen Böden ausgingen, zeichnen die Kroaten, aber auch Serben und weitere osteuropäische Länder ein positives Bild von Deutschland. Allerdings, so Reinhard Wessel, sind Wunden, die sich die Menschen in den osteuropäischen Ländern zufügten, zwar verheilt, werden aber nur langsam Narben. Jedes Wort werde in den Zeitungen der Nachbarländer kommentiert und kritisiert. Man brauche in Osteuropa einen langen Atem. Doch es gäbe auch Lichtblicke. Marta Szpala kennt die „schwierige Geschichte mit den Nachbarn“ und gewann der Situation auf dem Balkan auch positive Aspekte ab, wie beispielweise das Lernen und Lesen in einheitlichen Lehrbüchern über Grenzen hinweg. Mit dem gemeinsamen Sprechen und gemeinsamer kultureller Ideen seien Voraussetzungen für gute Entwicklungen geschaffen.
Abschließend fragte Blanka Weber den Botschafter Miro Kovač nach Wünschen an Deutschland. Zuvorderst wünschte sich Kovač eine Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, eine Präsenz von deutschen Firmen in Kroatien und mehr Transparenz in vielen Entscheidungen des Landes. Natürlich warb der seit drei Jahren in Deutschland lebende Botschafter auch für den Tourismus und gab aktuelle Daten preis: Etwa 1,6 Millionen deutsche Touristen machten 2011 in Kroatien Urlaub, bei einer Einwohnerzahl von 4,4 Millionen. Kovac erwarte dieses Jahr noch mehr Gäste aus Deutschland und gab verschiedene Routenempfehlungen, die sich bei der Sanierung der Infrastruktur alle gut „erfahren“ lassen. Er wünschte sich allerdings auch mehr Präsenz in Deutschland und fasste zusammen: Die kroatischen Menschen erwarten nicht zu viel von Europa, denn Europa ist kein Paradies. Man muss eben viel und hart arbeiten, damit man dazugehört. Dabei muss die funktionierende Wirtschaft glaubwürdig verkauft werden.