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Schwierige Zeiten für eine Regierung, die die Erwartungen der Bürger nicht erfüllt hat
Zum zweiten Mal stellten die beiden Partner eine exklusive Studie über ein Thema von großer Aktualität vor. Die Studie, für die zwischen dem 25. und dem 27. April 2015 1.003 aus allen tunesischen „Gouvernorats“ kommende Personen befragt wurden, offenbart, dass nach fast hundert Tagen 58,7 % der Tunesier eine eher negative Meinung von der Leistung der neuen Regierung haben (44 % der Befragten sind sogar der Auffassung, dass sich die Regierung gar keiner erwähnenswerten Durchführung verdient gemacht hat). Diese Wahrnehmung ist v. a. den Versäumnissen der Regierung im Wirtschaftssektor geschuldet, insbesondere bei der Beschäftigung, bei der Senkung der Arbeitslosigkeit (33 % der Tunesier finden, dass die Regierung hier versagt hat) und bei der Kaufkraft.
Trotz einer insgesamt negativen Wahrnehmung wird das Handeln der Regierung im Sicherheitssektor als wirkungsvoll gewürdigt (fast 20 % der Befragten sehen hier die wichtigste Leistung der Regierung), v. a. bei der Herstellung von Sicherheit und bei der Bekämpfung des Terrorismus. Dennoch hat für die Mehrheit der Befragten die Regierung nicht das umgesetzt, was von ihr erwartet wurde. Dies gilt insbesondere für die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Senkung der Arbeitslosenquote, die Verbesserung der Kaufkraft, die Korruptionsbekämpfung sowie die Förderung der nationalen Wirtschaft. Von den Hindernissen, die die Maßnehmen der Regierung bremsen bzw. verhindern heben die Befragten spontan Streiks (52,5 % der Antworten) und Terrorismus (21,3 % der Antworten) hervor. Die Studie beinhaltet ferner die persönliche Bewertung der einzelnen Regierungsmitglieder: Obwohl das Handeln der Regierung insgesamt als negativ wahrgenommen wird, wird die Arbeit von Premierminister Habib Essid positiv gesehen (55,7 % der Befragten haben sich auf die Frage „Wie bewerten Sie nach hundert Amtstagen der derzeitigen Regierung die Leistung von Regierungschef Habib Essid?“ positiv geäußert). Interessant ist außerdem der Befund, dass 32,5 % der befragten Personen erklärten, gar kein Regierungsmitglied zu kennen.
Die Minister gehen auf die derzeitigen Herausforderungen ein
Drei Minister erklärten sich bereit, mit den Teilnehmern über die Schwierigkeiten und die weiteren Maßnahmen der Regierung zu diskutieren: Gesundheitsminister Saїd Aїdi, Bildungsminister Néji Jelloul und der Minister für Informations- und Kommunikationstechnologien, Noâmen Fehril.
In seinem Beitrag betonte Aїdi die Wichtigkeit einer langfristigen Regierungsvision, v. a. in Hinsicht auf den Gesundheitssektor. Seiner Meinung nach müssen hier die Prioritäten zur gleichen Zeit der Prävention sowie der Forschung und Innovation, aber auch der Gouvernance, insbesondere in Anbetracht der territorialen Dienste, gelten.
Jelloul sprach seinerseits das Problem der Streiks an, denen sich das Bildungsministerium ausgesetzt sieht. Das Einschulungsalter, die Chancengleichheit, insbesondere auch für Menschen mit Behinderung, die Qualität des vermittelten Wissens und die Frage nach der Infrastruktur insgesamt, einschließlich deren Verwaltung und Finanzierung, seien die Hauptschwierigkeiten, mit denen das Ministerium konfrontiert sei. Für Jelloul ist es von großer Bedeutung, dass sich die Tunesier der Tragweite der notwendigen Reformen bewusst werden: Es sei wichtig, dass sich die Tunesier selbst für die zu verwirklichenden Reformen entscheiden, da diese ja direkt die Zukunft ihrer Kinder beeinflussen werden.
Der Generationenunterschied, v. a. im Hinblick auf die Digitalisierung, wurde von Fehril hervorgehoben. In diesem Bereich müsse die Regierung drei Ziele haben: Neben der gesamten Bevölkerung sollen auch alle Schulen über einen Breitband-Internetzugang verfügen können. Außerdem seien administrative Abläufe durch die Digitaltechnik zu erleichtern.
In Anbetracht der Konjunktur ein strenges Urteil
Für Radhi Meddeb, Präsident der „Association Action et Développement Solidaire“, erachtet das Urteil der Tunesier über ihre Regierung als streng: einerseits in Anbetracht der derzeitigen wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Konjunktur, andererseits angesichts der Tatsache, dass die letzten tiefgreifenden Reformen 1995 beschlossen wurden.