Als zentrale Referenten des Seminars traten zwei Größen des deutschen und ukrainischen Journalismus auf, und zwar Werner D’Inka, ein Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und Prof. Valeri Iwanow, der Präsident der Akademie der ukrainischen Presse. Seit mehreren Jahren veranstalten sie in Zusammenarbeit mit der KAS Schulungen für Medienvertreter in verschiedenen Städten der Ukraine.
Am Seminar nahmen über 40 Teilnehmer statt, die Hälfte davon waren Journalisten und Chefredakteure lokaler Zeitungen aus der Oblast Iwano-Frankiwsk und anderen Regionen der Ukraine. Zudem beteiligte sich am Seminar eine Gruppe aus 20 Studierenden, die den Journalismus an der Nationalen Wassyl-Stefanyk-Universität der Vorkarpaten studieren. Es kamen auch Lehrer aus dieser Universität und anderen Hochschulen von Iwano-Frankiwsk. Deswegen thematisierten die Referenten immer wieder die Ausbildung der Journalisten in der Ukraine und Deutschland.
Die Seminarteilnehmer hatten eine einmalige Möglichkeit, Erfahrungen deutscher Kollegen der großen überregionalen „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sich anzueignen, die auf 70 Jahre ihrer Geschichte zurückblickt, die Medienlandschaft und Grundsätze des Funktionierens des Medienmarkts in Deutschland kennenzulernen, diese mit ukrainischen Ansätzen zu vergleichen, positive Erfahrungen aus verschiedenen Bereichen des Zeitungsgeschäfts sowie best practices der Interaktion mit dem Publikum und Konteragenten zu übernehmen, um qualitativ hochwertige und unabhängige Berichterstattung zu gewährleisten.
Hinsichtlich der ukrainischen Medienlandschaft betonte Prof. Valeri Iwanow, Präsident der AUP, dass obwohl die Ukraine und Deutschland das kontinentale Modell der Massenkommunikation verwenden, tendiert die ukrainische Art und Weise des Medienverbrauchs zum südlichen (TV-)Modell, daher verlieren die Printmedien nach der Entkommunalisierung schnell ihre Beliebtheit. Der ukrainische Markt sei überfüllt sowohl mit Printmedien als auch mit TV-Angeboten, wobei die meisten davon ihre Redaktionspolitik im Interesse ihrer Besitzer betreiben und finanziell bei weitem nicht unabhängig seien. Natürlich habe auch der russisch-ukrainische Konflikt eine negative Wirkung auf die Volumen des Markts, aber auch auf das Vertrauen in die Medien, denn es habe sich ein sogenannter Treue-Journalismus herausgebildet.
Seinerseits erinnerte Werner D’Inka die Teilnehmer daran, dass die FAZ 1949 gegründet wurde. Das wären keine leichten Zeiten gewesen, weil das durch die Nazis in Misskredit gebrachte Mediensystem einen radikalen Neustart benötigte. Nach dem Erhalt einer Lizenz von westlichen Alliierten habe die Zeitung ihre Arbeit aufgenommen, wobei ihren Kern enthusiastisch eingestellte Profijournalisten bildeten. Heute sei die FAZ eine der wichtigsten deutschen Tageszeitungen, sie positioniere sich als Stimme Deutschlands weltweit und biete ihren Lesern stets qualitativ hochwertiges journalistisches Produkt. Wie alle Printmedien habe sich sich die FAZ unter Bedingungen einer harten Konkurrenz entwickelt, sie sollte sich ständig ändern, verschiedene Mischungen der digitalen und gedruckten Formate testen, aber auch andere Angebote dem Publikum machen, wie z. B. öffentliche Diskussionen, Zusammenarbeit mit Schulen usw. Unverändert bleibe aber die finanzielle und redaktionelle Unabhängigkeit der Zeitung, ihre Treue den Standards und Bereitschaft für Innovationen.
Solche Ansätze sollten auch ukrainische Lokalzeitungen übernehmen, denn sie sind die wichtigste Quelle lokaler Nachrichten für Ukrainer und genießen das größte Vertrauen im Vergleich zu anderen Medien. Einerseits hätten die lokalen Medien den besten und direkten Kontakt zum Publikum, daher sei ihre Wirkung am effizientesten, andererseits sollten sie die Informationen besser überprüfen, denn verlorenes Vertrauen der Leser sei schwer wiederherzustellen.
Die Dezentralisierung und Entwicklung der Gemeinden gäben lokalen Medien eine einmalige Chance für Entwicklung und Teilnahme an der Lösung vieler lokaler Fragen. Die Redakteure lokaler Zeitungen sollten zukunftsorientiert denken, um qualitativ hochwertige Inhalte zu vermitteln und faire Finanzierungsmodelle anzuwenden, ihre Mitarbeiter weiterzubilden und Erfahrungen ihrer Kollegen zu übernehmen.
Nun sollten praktische Empfehlungen des FAZ-Herausgebers in Bezug auf strategische Planung und geschäftlichen Ablauf, Marketinginstrumente und Interaktion mit der Leserschaft die TN des Seminars dazu motivieren, ihre Printmedien weiterhin zu entwickeln und sich selbst fort- und weiterzubilden.