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Veranstaltungsberichte

Internationale Konferenz "Militarisierung der besetzten Krim als Gefahr für internationale Sicherheit"

Veranstaltungsbeiträge

Im März, zum zweiten Jahrestag der gesetzwidrigen Annexion der Krim durch Russland, fand in Kiew eine Internationale Konferenz "Militarisierung der besetzten Krim als Gefahr für internationale Sicherheit" statt. Als Veranstalter traten die KAS Kiew, der "Maidan of Foreign Affairs", das Zentrum für Armee, Konversion und Abrüstung und das Institut für strategische Schwarzmeer-Studien. Experten aus verschiedenen Staaten bewerteten Gefahren der aggressiven Politik von Russland und suchten Mechanismen für deren Abdämmung sowie für Wiederherstellung der internationalen Sicherheit.

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Die Zeitung „Den“ veröffentlichte die wichtigsten Veranstaltungsbeiträge, die unten zu lesen sind.

TSCHUBAROW: DIE KRIMTATAREN VERGELTEN FÜR IHRE KONSEQUENZ

„Der russische Imperialismus besteht darin, dass das heutige Russland die Stellung in der Weltpolitik einnehmen will, die es für sich selbst festgelegt hat, stellte der Vorsitzende des Medshlis des Krimtatarischen Volkes, Refat Tschubarow, die Diagnose dem Kreml. – Auf dem Territorium der Krim wurden ganze Gruppen der Bevölkerung zum Objekt der zielgerichteten repressiven Politik der Besatzungsmacht. Das Krimtatarische Volk vergilt damit für seine Konsequenz und Stellung, die mit der Stellung der Weltgemeinschaft völlig übereinstimmt. Dabei kann die Weltgemeinschaft diese Menschen nicht schützen“.

„Wenn führende Akteure versuchen, bei der Suche nach einer Lösung der durch Russland bedingten Konfrontation Prioritäten zu setzen, kommt die Rückführung der Krim in den Hintergrund. Und je weniger die Krim beachtet wird, desto mehr Repressionen gibt es auf der Halbinsel. Daher soll baldmöglichst eine internationale Plattform zur Besprechung der Frage der Krim-Rückführung geschaffen werden. Unsere Aufgabe ist dabei, Russland dazu zu zwingen, an dieser Diskussion teilzunehmen“, meinte Refat Tschubarow.

SMESCHKO: DER WESTEN HAT KEINE ERWEITERUNGSSTRATEGIE

Der Ex-Chef des Sicherheitsdienstes der Ukraine, Ihor Smeschko, ging auf geopolitische Folgen der gesetzwidrigen Annexion der Krim durch Russland ein: „Wegen der Besetzung der Halbinsel durch Russland hat der Westen keine Strategie der weiteren Entwicklung im Rahmen der euroatlantischen Zivilisation mehr. Russland aber hat solch eine Strategie. Die westliche Welt ist eine starke militärische und wirtschaftliche Maschine, aber sie hat den RF-Präsidenten zur Entwicklung seiner Strategie „Gewaltigkeit des Staates um jeden Preis“, „Rückführung eigener Gebiete und der Kontrolle über sie“ provoziert.“

Die Gründe sieht der EX-Chef des Sicherheitsdienstes darin, dass der Westen niemals eine Strategie in Bezug auf die Ukraine hatte, dass er niemals die Wichtigkeit der Ukraine für die Bewegung der euroatlantischen Zivilisation gen Osten verstand: „De Gaulle hat gesagt, dass das System der internationalen Sicherheit von Vancouver bis Wladiwostok gesichert werden soll, aber niemand entwickelte diese Strategie, denn niemand verstand, dass die einzige Chance der Teilnahme Russlands am euroatlantischen Raum ein erfolgreicher ukrainischer Staat ist“.

„Unter den heutigen NATO-Möglichkeiten und der Konfiguration der militärischen Komponente Russlands bleiben die baltischen Staaten überhaupt ungeschützt. Unter diesen Bedingungen soll die Ukraine eine aktivere und offensivere Stellung einnehmen. Man soll mit Beratungen zur Schaffung einer Konföderation zum effizienten Schutz im Falle einer Aggression anfangen, die derzeit zwischen Baltikum und der Schwarzmeer-Region aktuell ist“, schlug Smeschko vor.

BADRAK: MILITARISIERUNG DER KRIM ALS GEFAHR FÜR DIE WELTSICHERHEIT

Der Direktor des Zentrums für Armee, Konversion und Abrüstung, Valentyn Badrak, berichtete über den militärischen Aspekt der Krim-Besetzung: „Die Militarisierung der Krim ist eine Gefahr nicht nur für regionale, sondern auch für die Weltsicherheit. Innerhalb von zwei Jahren stieg die Stärke der russischen Gruppierung um das Doppelte, und zwar von 12.500 auf 24.000 Personen. Russland plant, die Stärke der Schwarzmeerflotte der RF fast auf 50.000 Personen aufzustocken. Auf dem Territorium der Krim sind nun die Mehrfachraketenwerfer „Iskander M“ stationiert, deren Raketen die Küste von Rumänien, Bulgarien und der Türkei erreichen können. Der Kreml plant, auch die Flugzeuge der Fernfliegerkräfte Tu 22M3 hier zu stationieren. So geht Russland, das das Weltsicherheitssystem bereits zerstört hat, den Weg der Konfrontation mit der zivilisierten Welt weiter.“

„Die Sanktionen gegen Russland sollen erweitert und gestärkt werden. Es soll keine Möglichkeit haben, hochtechnologische Ausrüstungen, neue militärische Technologien und Waffen zu bekommen“, wies Badrak hin.

SMILJANSKY: DIE KRIM IST EIN UNSINKBARER FLUGZEUGTRÄGER

Seinen Ausführungen stimmte der Experte des „Maidans of Foreign Affairs“, Juri Smiljansky zu. „Die Gruppierung auf der Halbinsel wird auf 100.000 – 120.000 Personen aufgestockt. Die Besatzer wollen aus der Krim einen „unsinkbaren Flugzeugträger“ machen. Bereits heute dient die Krim als ein Rehabilitierungszentrum für die Kämpfer, die den Krieg im Osten der Ukraine führen. Hier wurden Trainingslager für ihre Ausbildung eingerichtet. Zudem wurde die Halbinsel zu einem Stützpunkt der russischen Truppen, die in Syrien eingesetzt werden“.

Die Perspektiven der Krim unter den Besatzern stellte Smiljansky in düsteren Farben dar: „Für die Lebensfähigkeit eines Militär-Stützpunktes soll das Verhältnis der Zivilbevölkerung und der Militärs 4:1 ausmachen. D.h. eine Militärgruppierung von 120.000 Personen benötigt 480.000 – 500.00 Zivilisten. Damit sollen auf der Halbinsel nicht mehr als 1 Million Einwohner bleiben. Deswegen wird auf die „nichtloyalen Bürger“ solch ein harter Druck ausgeübt. Seit dem Beginn der Besetzung ist die Anzahl der Arbeitsplätze von 1,05 Mio. auf 250.000 gesunken“.

HONTSCHAR: HERAUSFORDEUNGEN, AUF WELCHE EUROPA KEINE ANTWORTEN HAT

Der Präsident des Zentrums für globale Studien „Strategie XXI“, Mychajlo Hontschar, berichtete über den Energieaspekt der Krim-Besetzung als Gefahr für die europäische Sicherheit. „Einer der Gründe der Krim-Besetzung hat mit Energie zu tun. Russland will strategische Fragen lösen, und zwar die von der Ukraine initiierten zukunftsfähigen Projekte der Erdgasförderung im Schwarzen Meer zerstören, internationale Unternehmen aus diesem Sektor verdrängen, die Russland als Konkurrenten betrachtet und Bedingungen schaffen, um die Route der Schwarzmeer-Gaspipeline korrigieren zu können“.

„Die aggressive Politik Russlands ist auch am Kaspischen Meer zu spüren, wo die EU eigene Interessen in Bezug auf alternative Lieferungen von Energieträger hat. Russland bringt die Situation im Osten der Türkei zum Wackeln, wo es Gaspipelines gibt, indem es den kurdischen Faktor nutzt. Ein Land, das Lieferungen von Energieressourcen kontrolliert, kann auch die EU kontrollieren. Und das sind die Herausforderungen, auf welche die europäischen Kollegen keine Antworten haben“, hob Hontschar hervor.

BAUMANN: RUSSLAND IST AN DER KONFLIKTREGELUNG NICHT INTERESSIERT

Besonders interessant waren Ausführungen ausländischer Experten. Wie bewerten sie die aggressive Politik des Kremls? „In Deutschland versteht man immer besser, dass Russland an der Regelung des Konflikts im Osten der Ukraine und an der Normalisierung der Lage auf der Krim nicht interessiert ist, meinte die Leiterin des KAS-Auslandsbüros Kiew, Gabriele Baumann. – Die RF will ein Szenario realisieren, das es bereits in Südossetien, Abchasien und Transnistrien erprobt hat. Es entfaltet auch eine breite Propaganda-Tätigkeit. Mit Hilfe dieser Propaganda und seiner Geheimdienste will es die EU spalten, und in Deutschland will es die Politik von Angela Merkel in Misskredit bringen.“

GRANT: KEIN ANZEICHEN FÜR DIE VERBESSERUNG DER SITUATION

„Keiner unserer Politiker hat damit gerechnet, dass es zu solch einer internationalen Situation kommen könnte. Merkel hat kaum geahnt, dass sie wegen Russland mit einer Krise konfrontiert werden kann, betonte ein Vertreter des Centers für zivil-militärische Beziehungen (USA), Glen Grant. – Sie denken sehr eng und langsam, daher haben sie keine richtigen Vorstellungen darüber, was zu tun ist, um der Ukraine zu helfen“.

Grant gab der Ukraine auch einige wichtige Empfehlungen: „Sie befinden sich im Kriegszustand und ich sehe kein Anzeichen dafür, dass sich die Situation verbessern wird. Daher sollen Sie diese Gefahr beachten und sich auf weitere Entwicklungen vorbereiten. Immer mehr Menschen kommen in den Osten des Landes. Sie sollen eine Strategie dagegen haben, was Putin machen will“.

„Darüber hinaus sollen sie die „Müdigkeit“ Europas wegen der ukrainischen Thematik, die Putin gerne nutzt, bewältigen. Sie sollen Reformen umsetzen. Ohne dies wird diese „Müdigkeit“ zur Zerstörung der Ukraine führen“, betonte Glen Grant.

Der amerikanische Experte sprach auch über die Rolle der Zivilgesellschaft in diesem Prozess. „Die Zivilgesellschaft der Ukraine soll intensiv mit dem Westen zusammenarbeiten, denn heute macht dies nur das Establishment. Wenn Ihre Strategie keine aktive Zusammenarbeit der Zivilgesellschaft mit dem Westen vorsehen wird, verliert die Ukraine alle Kontakte zum westlichen Establishment. Die ukrainische Zivilgesellschaft soll mehr Initiativen unterbreiten, eine Strategie entwickeln und einen Dialog mit dem Westen anknüpfen“, unterstrich Grant.

SHERR: PUTIN BEREITET EINE “ÜBERRASCHUNG“ IM AUGUST VOR

Der wissenschaftliche Mitarbeiter des Königlichen Instituts für internationale Beziehungen (Großbritannien), James Sherr, wies darauf hin, dass das Ziel der russischen Außenpolitik eine politische Spaltung der Europäischen Union ist. „Russland versteht sehr gut, dass der Westen im politischen Sinne genauso schwach ist, wie das eigentliche Russland im wirtschaftlichen Sinne schwach ist. Die EU befasst sich heute nur mit sich selbst. Dafür gibt es auch Gründe – die Frage des Austritts Britanniens, die Krise der Eurozone, die Migrationskrise. Unsere Antwort auf die Geschehnisse in der Ukraine ist sehr formell.“

„Die RF nutzt die Migration als Waffe. Die ganze Militärwissenschaft Russlands beruht auf den Traditionen von Geheimdiensten: Man verstärkt die Kampfhandlungen an einem Schauplatz, um einen Einfluss auf andere Schauplätze auszuüben. Russland will das Asad-Regime aufrechterhalten. Es braucht Syrien, das es ausnutzen kann. Und dies hat Folgen für andere Länder in der Region.“

„Wegen vieler Umstände sollen wir damit rechnen, dass es sehr große Wahrscheinlichkeit gibt, dass Putin eine gewisse „Überraschung“ im August vorbereitet, d.h. zwischen Juni, wo die Sanktionen verlängert werden können, und September, wo in der RF die Parlamentswahl stattfindet“.

Die Schlussfolgerungen, die nach diesen Ausführungen auf der Konferenz über die Rückführung der Krim zu ziehen sind, sind eindeutig: Die heutige aggressive Politik des Kremls fordert nicht nur die Ukraine heraus. Das ist ein Risiko für die ganze westliche Welt. Wird aber das ukrainische und internationale Establishment die Stimme der Expertengemeinschaft wahrnehmen?

Quelle: Zeitung „Den“

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Iuliia Eichhofer

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