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Razumkov Centre

Veranstaltungsberichte

Ukrainische Gesellschaft, Staat und Kirche während des Krieges

Kirchliche und religiöse Situation in der Ukraine 2024

Am 28. Januar 2025 veranstaltete die Nachrichtenagentur Ukrinform eine Fachdiskussion zum Thema „Ukrainische Gesellschaft, Staat und Kirche während des Krieges. Die kirchlich-religiöse Situation in der Ukraine 2024“. Die Veranstaltung wurde vom Rasumkow-Zentrum und der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in der Ukraine organisiert. Während der Fachdiskussion wurden die Ergebnisse der jüngsten soziologischen Studie des Rasumkow-Zentrums „Religion und Kirche in der ukrainischen Gesellschaft: 2000-2024“ vorgestellt. Die Studie enthält eine Analyse von Tendenzen in der Religiosität der ukrainischen Gesellschaft, des Grades des Vertrauens in kirchliche Institutionen, interkonfessionelle und kirchlich-staatliche Beziehungen.

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Am Rundtischgespräch in Ukrinform nahmen Vertreter des Rasumkow-Zentrums, der KAS, Abgeordnete, Religionsexperten und Soziologen teil, während Vertreter diplomatischer Vertretungen, in- und ausländischer Think Tanks und internationaler Organisationen online zugeschaltet wurden.
In seinem Grußwort wies der Präsident des Rasumkow-Zentrums Juri Jakymenko darauf hin, dass diese 24. Studie im Rahmen des jährlichen soziologischen Monitorings der kirchlich-religiösen Situation in der Ukraine durchgeführt wurde, das seit 2000 vom Rasumkow-Zentrum in Partnerschaft mit der Konrad-Adenauer-Stiftung durchgeführt wird, und dass die Zusammenarbeit im Bereich der Beziehungen zwischen Kirche und Staat im Jahre 1996 in Form eines Rundtischgesprächs „Religion und Macht in der Ukraine: Probleme der Beziehungen“ begann.
Thomas Birringer, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung, bedankte sich bei den Partnern für die langjährige Zusammenarbeit und wies darauf hin, wie wichtig es ist, verifizierte Daten über die Einstellung der Bürger zu Glaube und Religion in Zeiten eines Angriffskrieges und im Hinblick auf die gesetzlichen Neuerungen von 2024 zu erhalten, die auf die Wahrnehmung der Ukraine im Ausland erheblich wirken.
In seiner Rede hob Viktor Jelensky, Leiter des staatlichen Dienstes der Ukraine für Ethnopolitik und Gewissensfreiheit, die Einzigartigkeit der vom Rasumkow-Zentrum erhobenen Daten hervor, denn diese ermöglichen, die Rolle der Religion in postkommunistischen Gesellschaften zu untersuchen. Der Referent erwähnte das Verbot religiöser Gemeinschaften, die aus dem Aggressorland geleitet werden, das eine breite öffentliche Resonanz und politische Debatten ausgelöst hat. Er erläuterte, dass die Verabschiedung des Gesetzes „Über den Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung im Bereich der Aktivitäten religiöser Gemeinschaften“ im August 2024 notwendig war, um die ukrainische Gesellschaft vor der Nutzung der Religion als Instrument zur Untergrabung der ukrainischen Staatlichkeit und zur Zerstörung von Kultur und Identität der Ukraine zu retten.
Anschließend präsentierte Mychajlo Mischtschenko, stellvertretender Direktor des soziologischen Dienstes des Rasumkow-Zentrums, die Ergebnisse einer Meinungsumfrage, die der soziologische Dienst vom 25. bis 31. Oktober 2024 in allen Regionen der Ukraine durchgeführt hatte (mit Ausnahme der Gebiete, die nicht von der ukrainischen Regierung kontrolliert werden und in denen Kampfhandlungen geführt werden).
Die Ergebnisse zeigen ein hohes Niveau der Religiosität in der ukrainischen Gesellschaft und das Vertrauen der meisten Bürger in die Kirche. Der Ausbruch des Krieges im Jahre 2014 und die Eskalation des Konflikts im Jahre 2022 gingen mit einem Anstieg der Zahl von Gläubigen einher, doch diese Zahlen sind später rückläufig geworden.  In den zehn letzten Jahren ist die Zahl der orthodoxen Christen zurückgegangen (55 % im Jahre 2024 gegenüber 70 % im Jahre 2014), während der Anteil der griechischen Katholiken von 8 % auf 12 % gestiegen ist. Während des gesamten Untersuchungszeitraums in der Ukraine hängt das Niveau der Religiosität von Geschlecht, Alter und Siedlungsart ab. Der Grad der Religiosität ist in älteren Altersgruppen höher als in jüngeren, bei Frauen höher als bei Männern und bei Landbewohnern höher als bei Stadtbewohnern.
Das Niveau der interreligiösen Beziehungen in den lokalen Gemeinschaften bleibt überwiegend ruhig oder freundlich, und die Indikatoren für Spannungen und Konflikte haben sich, nachdem sie 2022 zugenommen hatten, 2024 nicht wesentlich verändert oder sind sogar zurückgegangen.
Weitere Informationen zu den Ergebnissen der Studie finden Sie hier oder in der vollständigen Fassung der Studie (in englischer Sprache).
Im Zuge der weiteren Diskussion erörterten die Teilnehmer Auswirkungen des Angriffskrieges auf das religiöse Leben des Landes, insbesondere die Veränderungen in der religiösen Identität der Bürger und die Rolle der Kirche bei der Unterstützung der Gesellschaft unter dem Kriegsrecht. Es wurde festgestellt, dass der Krieg zu einem Katalysator für das Überdenken vieler Aspekte des religiösen Lebens und der Interaktion zwischen Staat und Kirche geworden ist. Die Experten verwiesen auf zahlreiche positive Beispiele der Zusammenarbeit zwischen dem Staat und religiösen Gemeinschaften während des Krieges, wie die Unterstützung der ukrainischen Armee, die Seelsorge, die humanitäre Hilfe und die Unterbringung von Flüchtlingen sowie die Rehabilitation von Veteranen.
Die TeilnehmerInnen betonten auch, wie wichtig es ist, den interreligiösen Dialog und die Zusammenarbeit zu unterstützen, um die gesellschaftliche Einheit zu bewahren, und verwiesen auf die stabilisierende Rolle des Allukrainischen Rats für Kirchen und religiöse Gemeinschaften. Eine intensive Kommunikation zwischen verschiedenen religiösen Gemeinschaften und dem Staat wirkt sich positiv auf die Informiertheit von Akteuren und das Verständnis für ihre Positionen aus. Es ist jedoch notwendig, die Aufklärungsarbeit über das genannte Gesetz unter den Gläubigen zu verstärken und dabei religiöse Experten einzubeziehen.
Eine Aufzeichnung der Veranstaltung finden Sie hier.

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kateryna.bilotserkovets@kas.de +380 44 4927443
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Центр Разумкова
28. Januar 2025
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