Veranstaltungsberichte
Ziel des Gedankenaustausches war, wichtige Facetten der deutsch-ungarischen Beziehungen zu analysieren und einen Diskurs einzuleiten, der die Zusammenarbeit beider Länder weiter vertieft. Eröffnet wurde der Gedankenaustausch von Prof. Dr. András Masát, Rektor der Andrássy Universität Budapest, Katalin Bihari, Stellv. Direktorin des József Antall Wissenszentrums, und Frank Spengler, Leiter des Auslandsbüros Ungarn der Konrad-Adenauer-Stiftung. Dr. Heinz-Peter Behr, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Ungarn, hielt ein Grußwort, in dem er die historische Bedeutung der Ungarn für die deutsche Einheit herausstellte. Damals wie heute verbände Deutsche und Ungarn eine „Freundschaft, in der auch Meinungsverschiedenheiten nicht ausgeschlossen sind“, so Behr.
Die zweitägige Veranstaltung wurde anschließend von Zoltán Balog, Minister für Humanressourcen eröffnet. In seiner Rede mahnte Balog Deutsche und Ungarn an, aus der gemeinsamen Geschichte zu lernen. Im Hinblick auf die gegenwärtige Flüchtlingskrise bekräftigte er, dass „tragfähige politische Entscheidungen nur getroffen werden können, wenn die Mehrheit des Volkes dahinter steht und gleichzeitig Minderheiten respektiert werden.“ In diesem Zusammenhang bat Balog auch um „mehr Verständnis für Ungarns Flüchtlingspolitik.“ Man sei offen für die Aufnahme von Flüchtlingen, aber dazu müssen man eben auch entscheiden können, wen man aufnimmt.
Die Konferenz wurde mit einem Meinungsaustausch über das „Jahr der Wunder“ 1989, dem sogenannten „Annus Mirabilis“, eingeleitet. In dem von Prof. Dr. Ellen Bos, Professorin für Vergleichende Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Mittel- und Osteuropa in der EU, moderierten Gespräch diskutierten Prof. Dr. Andreas Oplatka, Kuratoriumsvorsitzender der Andrássy Universität Budapest und Gergely Prőhle, Stellv. Staatssekretär für internationale und EU-Angelegenheiten im Ministerium für Humanressourcen, den Erfolg der deutsch-ungarischen Beziehungen im Kontext des deutschen Einheitsjahres. Aus unterschiedlichen Perspektiven näherten sich beide Sprecher dabei der Frage an, welche Faktoren für das erfolgreiche Gelingen der deutschen und europäischen Einheit maßgeblich waren. Insbesondere Prőhle hinterfragte kritisch, wer sich aus heutiger Sicht „wirklich um die Wende verdient gemacht hat und wer opportun eigenen Interessen folgte.“
Das zweite Panel der Konferenz befasste sich im Rahmen einer Diskussion mit dem Thema „Die deutsch-ungarischen Beziehungen in historischer Perspektive (1990-2015)“. Die Moderation übernahm Dr. Ágoston Mráz, Direktor des Nézőpont Instituts. Dr. András Hettyey, Lehrbeauftragter der Andrássy Universität Budapest und Hans Kaiser, Minister a.D., ehem. Leiter des Auslandsbüros Ungarn der Konrad-Adenauer-Stiftung, unterhielten sich über die Entwicklung der deutsch-ungarischen Beziehungen im Anschluss an die Wiedervereinigung Deutschlands. Hettyey stellte die Bedeutung Deutschlands für die Integration Ungarns in die europäische Gemeinschaft anhand konkreter Maßnahmen vor: „In vielerlei Hinsicht ist Deutschland damals der Anwalt der ostmitteleuropäischen Staaten gewesen.“ In seinem Redebeitrag zeigte Kaiser jedoch auf, dass Deutschland hierbei auch eigene Interessen im Auge hatte. „Es ging um Sicherheit und Stabilität in einer Zeit höchster Labilität“, so Kaiser.
Zum Auftakt des zweiten Konferenztages hielt Mihály Varga, Volkswirtschaftsminister Ungarns, einen Einführungsvortrag zum Thema „Deutsch-ungarische Wirtschaftsbeziehungen“. „Deutsche Wirtschaftsperspektiven, sind zugleich ungarische Perspektiven“, betonte Varga die gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen beider Länder. Über die enge Zusammenarbeit mit den über 6.000 in Ungarn ansässigen deutschen Unternehmen äußerte sich der Minister zuversichtlich. Neben der Automobilindustrie hoffe er jedoch in Zukunft auch andere Industriezweige stärker einzubeziehen, um einer einseitigen Abhängigkeit vorzubeugen.
Dem Vortrag folgte eine Paneldiskussion mit Dale Martin, Präsident der Deutsch-Ungarischen Industrie-und Handelskammer, Prof. Dr. Péter Ákos Bod, Professor für Wirtschaft an der Corvinus Universität Budapest, und Klaudia Pataki, Bürgermeisterin von Kecskemét. Die Moderation der Diskussion führte Jan Mainka, Herausgeber der Budapester Zeitung. Es wurden Voraussetzungen und Perspektiven einer weiteren Vertiefung der deutsch-ungarischen Wirtschaftsbeziehungen diskutiert. Martin sah hier den „zeitgerechten, konstruktiven Dialog“ zwischen Vertretern deutscher Unternehmen und der ungarischen Regierung als entscheidend. Aber auch eine weitere Förderung der Dualen Berufsausbildung, höhere Investitionen in die Vermittlung von Sprachen und eine stärkere Ausrichtung auf den „Dienstleistungsverkehr“ wurden als wichtige Faktoren diskutiert, um die ungarische Wirtschaft zukunftsfähig zu machen. Ebenfalls die Frage nach der noch immer klaffenden Lohnschere zum Rest Europas und der daraus resultierenden anhaltenden Abwanderung aus Ungarn und wurde angeschnitten.
Im folgenden Panel der Konferenz moderierte Boris Kálnoky, Korrespondent für „Die Welt“, eine Diskussion über Europapolitik aus deutscher und ungarischer Sicht. Dr. Barbara Lippert, Forschungsdirektorin des Deutschen Instituts für Internationale Politik und Sicherheit der Stiftung Wissenschaft und Politik, Vince Szalay-Bobrovniczky, Stellv. Staatssekretär für EU-Angelegenheiten in Ministerpräsidentenamt und Jens Paulus, Teamleiter Europa / Nordamerika der Konrad-Adenauer-Stiftung, sprachen sich über die unterschiedliche Beurteilung der Europapolitik, aber auch der aktuellen Flüchtlingsfrage in Deutschland und in Ungarn aus. „Die deutsche Frage ist wieder auf dem Tisch“, charakterisierte Lippert die zunehmenden Spannungen, die aus der Dominanz Deutschlands in der EU entstehe. Insbesondere die „deutsche Sondermoral“ oder das „deutsche Diktat“ im Bezug auf die Flüchtlingskrise werde aktuell von anderen europäischen Ländern kritisiert. Gerade für Ungarn sei die deutsche Lösung „nicht akzeptabel“, betonte Szalay-Bobrovniczky und wünschte sich im Hinblick auf die aktuelle Europapolitik, dass „man auch die Sorgen der kleinen Länder mehr ernst nehme.“
Am Nachmittag hielt Prof. Dr. Ellen Bos einen Einführungsvortrag zum Thema Außen- und Sicherheitspolitik, dem eine Paneldiskussion mit Dr. Ulrich Schlie, Fellow am Weatherhead Centre for International Affairs der Harvard University, Markus Lackamp, Leiter des Teams Außen-, Europa-, Finanz- und Wirtschaftspolitik im Bereich Programm und Strategie der CDU Deutschlands, Dr. András Deák, Institut für Weltwirtschaft der Ungarischen Akademie der Wissenschaften folgte. Die Moderation wurde von Márton Schőberl, Generaldirektor des Instituts für Auswärtige Angelegenheiten und Außenwirtschaft geleitet. Das zentrale Thema der Diskussion waren die Beziehungen zu den unmittelbaren EU-Nachbarn sowie Russland und die deutsch-ungarische Zusammenarbeit im Bereich Außenpolitik. In Bezug auf Ungarns Haltung zu wirtschaftlichen Sanktionen gegenüber Russland, mahnte Lackamp, dass man Außenpolitik und Handelsinteressen nicht zu eng verknüpfen dürfe: „Außenpolitik sollte vornehmlich nationale und sekundär erst wirtschaftliche Interessen vertreten.“ Um eine europäische Zusammenarbeit im Bereich Außenpolitik zu ermöglichen, müsse sich laut den Sprechern des Panels jedoch auch die Diskurskultur in den Medien ändern. Insbesondere das „Ungarnbashing in westeuropäischen Medien“ wurde hier von mehreren Seiten kritisiert.
Im letzten Panel der Konferenz wurden kulturelle Beziehungen zwischen beiden Ländern thematisiert. Prof. Dr. András Masát hielt eine Einführung zum Gedankenaustausch und moderierte nachfolgend das Gespräch. Judit Hammerstein, Generaldirektorin des Balassi Instituts, Imre Ritter, Sprecher der Ungarndeutschen in der Ungarischen Nationalversammlung, Maren Schoening, Vorsitzende des Deutsch-Ungarischen Jugendwerks, und Thomas Mahrenholtz, Direktor der Deutschen Schule Budapest, besprachen sich über den prosperierenden kulturellen Austausch der beiden Länder und betonten die wichtige Rolle der Ungarndeutschen im Fortdauern dieser Beziehungen. Um die von allen Sprechern des Panels positiv wahrgenommene Zusammenarbeit im kulturellen Bereich langfristig zu vertiefen, bedürfe es aber „kontinuierlicher Arbeit vor dem Hintergrund eines sich ständig ändernden Kontextes“, erinnerte Ritter abschließend.
Mit ungarischen Volksliedern beendeten Júlia Kubinyi und Balázs Szokolay Dongó die zweitägige Konferenz.