Veranstaltungsberichte
Die Ergebnisse der Bundestagswahl 2017 sind von vielen politischen Beobachtern als eine Zäsur für das deutsche politische System bezeichnet worden. Die Fachkonferenz wollte mit Unterstützung von Experten eine erste Analyse der Bundestagswahl vor dem Hintergrund der Beziehungen Deutschlands zur Europäischen Union vornehmen.
Nach der Eröffnungsrede durch Balázs Kenyeres, dem Vorsitzenden und Gründungsmitglied der CEA, stand die Regierungsbildung in Deutschland im Mittelpunkt der ersten Diskussionsrunde. „Die Art der Wähler hat sich verändert, also müssen auch die Parteien sich verändern, um den politischen Willen der Bevölkerung abbilden zu können.“ erklärte Balázs Orbán, Forschungsdirektor der Századvég Stiftung. Im Gegensatz dazu ging Ágoston Mráz, Vorstandsvorsitzende des Nézőpont Intézet, davon aus, dass eine vertiefte Diskussion über die Werte der verschiedenen Parteien jetzt angemessen sei.
Wichtig war auch die Frage nach den Gründen für den Wahlerfolg der AfD im Kontext einer zukünftigen Migrations- und Flüchtlingspolitik. Das Wahlergebnis widerspreche der Wahrnehmung einer guten wirtschaftlichen Lage Deutschlands, so Zoltán Szalai, Generaldirektor des Mathias Corvinus Collegiums.
Welches Ergebnis die Koalitionsverhandlungen hervorbringen werden blieb strittig. Edit Inotai, leitende Wissenschaftlerin des Zentrums für Euro-Atlantische Integration und Demokratie (CEID), betonte jedoch, dass die Stabilität des deutschen Parlaments ein zu erhaltender, bedeutender Wert sei.
Die Auswirkungen der neuen Situation im Deutschen Bundestag auf die deutsche Außen- und Europapolitik wurde in einer zweiten Diskussionsrunde erörtert. Für Péter Balázs, ehemaliger Außenminister Ungarns und EU-Kommissar unter Romano Prodi, ist Deutschland neben Frankreich die treibende Kraft in der EU. Das Land trage erheblich zur Gestaltung des mittlerweile demokratisch stark ausdifferenzierten Rechtssubjekts bei. Auch der ehemalige Botschafter Ungarns und ehemalige Staatssekretär für die EU, Gergely Prőhle, erkannte ein großes Potential, das von Deutschland nach wie vor ausgehe. Jedoch forderte er die Stärkung der Zusammenarbeit Deutschlands mit den östlichen und zentraleuropäischen EU-Mitgliedsstaaten. István Szent-Iványi, ehemaliger Botschafter Ungarns in Slowenien, verglich diese Situation mit einer Fahrt der EU-Mitglieder auf nur einem Fahrrad: „Wir müssen weiter radeln, sonst kippen wir um.“
Für die Diskussionsteilnehmer waren auch Fragen der Flüchtlings- und Migrationspolitik der EU von Bedeutung. Takács Szabolcs, Staatssekretär für Angelegenheiten der Europäischen Union im Ministerpräsidentenamt , erklärte, dass es Ungarn vor allem darauf ankomme, in dieser Frage eine für Ungarn passende Lösung zu finden, die nicht durch Deutschland und die EU vorgegeben werde. Die Zusammenarbeit der einzelnen Staaten in diesem Gebiet müsse sich in der nächsten Legislaturperiode des deutschen Bundestages dennoch verbessern.
Die Diskussionsteilnehmer erwarteten keinen radikalen Kurswechsel, gleich wie die deutsche Bundesregierung gebildet werde. Trotz Kritik an der bisherigen Flüchtlingspolitik wird in Angela Merkel und Deutschland weiter eine zuverlässige Kraft gesehen.
Der Gedankenaustausch konnte im informellen Rahmen während des Empfangs fortgesetzt werden. Mit der Veranstaltung wurde ein wichtiger Beitrag zum besseren Verständnis der Wahlen in Deutschland geleistet.