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Veranstaltungsberichte

Europäische Identität(en), Identitäten in Europa

von Federico Kalbermatten
Vom 24. - 25. März fand eine internationale Fachkonferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Karolyi Stiftung zum Thema „Europäische Identität(en), Identitäten in Europa” im Schloss Károly Kastély, Fehérvárcsurgó statt. Im Mittelpunkt des Gedankenaustausches der 80 Teilnehmer stand die Debatte über die „europäische Identität”.

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Eröffnet wurde die internationale Fachkonferenz von dem ungarischen Botschafter in Paris Georges Károlyi. Er wies darauf hin, dass es ein Irrtum sei, die nationale und europäische Identität miteinander zu vergleichen. Sie würden sich ergänzen, stellten keinen Gegenpol dar, so Károlyi. Außerdem betonte der ungarische Botschafter, dass ohne diese ganzheitliche Betrachtungsweise der Begriff nicht definiert werden könnte. Zum Andenken an das 60. Jubiläum der Römischen Verträge, schilderte Károly eingehend, dass die Väter der Europäischen Union nicht nur überzeugte Europäer gewesen wären, sondern sie hätten auch christliche Werte vertreten. Anschließend setzten sich der ehemalige Außenminister von Ungarn, Dr. János Martonyi, und Dr. Boglárka Koller, Nationale Universität für den Öffentlichen Dienst, mit verschiedenen Ansätzen der Identitätsphänomene und den Identitätsdilemmata im heutigen Europa auseinander.

Während seines Vortrags unterschied Martonyi zwischen kollektiver und individueller Identität und stellte sich die Frage, ob es eigentlich eine spezielle Identität der Europäischen Union gebe. Er stellte ferner heraus, dass die Identitäten nicht spezifisch seien, weil die Zugehörigkeit der Menschen vielschichtig sei. Da die Menschen die Freiheit der Wahl hätten, würden sie dieses Grundrecht auch in Anspruch nehmen: „Wir haben beides und sollten es erkennen“, so Martonyi. Ferner beschrieb der ehemalige Außenminister von Ungarn die verschiedenen Elemente der Doppelstaatsangehörigkeit: z.B. territoriale Verbindung, kulturelles Erbe und Sprache. Weiterhin unterschied Martonyi zwischen politischer und kultureller Nation. Während sich die politische Nation auf den Staat und die Institutionen beziehe, beruhe die kulturelle Nation nicht nur auf dem kulturellen Erbe, sondern auch auf Emotionen. In Anlehnung an die europäische Identität betonte Martonyi, dass in der Regel die nationale Identität wichtiger als die europäische Identität wahrgenommen würde und ihre Stärke je nach Land variiere. Das Gefühl der Zugehörigkeit zu Europa sei stärker als die Europäische Union, so Martonyi.

In ihrem Vortrag beschrieb Dr. habil. Boglárka Koller eine Reihe von internen und externen Turbulenzen, mit der die Europäische Union heutzutage konfrontiert sei: nachhaltiges Wirtschaftswachstum, die Stabilisierung des Westbalkans, die Flüchtlings- und die Vertrauenskrise. Sie bezeichnete die Vertrauenskrise als „allgemeinen Trend” auf der Ebene der Parteien und vertrat die Auffassung, dass die EU-Feindlichkeit nicht nur von den Parteien am Rande des politischen Spektrums komme, sondern auch aus der politischen Mitte.

Der Schwerpunkt von Prof. Anne Marie Thiesse waren die EU-Kulturprogramme. Sie erklärte, dass die Entwicklung der europäischen Identität sehr eng mit der EU-Erweiterung verbunden sei und vertrat die Auffassung, dass „die Einheit und Vielfalt Europas zur Kreativität“ beitrage, so Thiesse. Daher sei es entscheidend, die Besonderheiten der europäischen Länder zu berücksichtigen. Thiesse stellte heraus, dass die Europäische Union durch ihren Haushalt erfolgreiche interkulturelle Programme fördere, wie beispielweise Erasmus und Erasmus Plus. Schließlich betonte sie, dass die nationalen Kulturinstitute in der Europäischen Union eine Brückenfunktion wahrnehmen würden.

In ihrem Vortrag beschäftigte sich Prof. Borbála Göncz, zuständig für das Soziologie und Sozialpolitik Institut an der Universität Corvinus, mit dem Verhältnis zwischen nationaler und europäischer Identität innerhalb der politischen Elite und der öffentlichen Meinung in Ungarn. Sie vertrat die Auffassung, dass die europäischen Eliten eher europäischer als die Öffentlichkeit seien. Es gebe heutzutage eine Schere zwischen Eliten und Öffentlichkeit, so Göncz.

Dr. Markus Ingenlath, Generalsekretär des Deutsch-Französischen Jugendwerks, referierte am Nachmittag über das Identitätsgefühl der Jugendlichen in Deutschland und Frankreich. Ingenlath betonte, dass das Reziprozitätsprinzip im Mittelpunkt der Europäischen Identität stehe, damit sich die eigene Identität durch das Kennenlernen des Anderen an Komplexität gewinne und eine gewisse Empathie entstehe. Außerdem wies er darauf hin, dass die Identität aus individuellen, regionalen und globalen Hintergründen bestehe. Schließlich sprach sich Ingenlath für die Förderung interkultureller Kompetenzen aus, um die Europäische Identität zu verstärken und erklärte die deutsch-französischen Austauschprogramme als Muster.

Ifigeneia Vamvakidou, Professorin für griechische Geschichte und Kultur an der Universität von West-Mazedonien in Griechenland, setzte sich in ihrem Vortrag mit den nationalistischen Tendenzen und Fremdfeindlichkeit unter griechischen Studenten durch eine quantitative Forschung über Jugendidentitäten auseinander.

Dr. Marko Čudić beschäftige sich mit der Identität anhand der Beispiele des jugoslawischen Schriftstellers Danilo Kiš und des serbischen Aleksandar Tišma.

Ihm folgte der Vortrag von Zita Merényi über Gastronomie und Identitäten als generationsübergreifendes Projekt.

Abschließend fand eine Diskussionsrunde mit dem Schwerpunkt Identität und politisches System in einem Vereinten Europa statt, an der Prof. John O'Sullivan, Donau Institut von Prag, Prof. Georg Kreis, Universität Basel, Mgr. Juraj Marušiak, Politikwissenschaftler, Journalist und Historiker, und Eric Fournier, französischer Botschafter in Ungarn, teilnahmen. Thema war die Abgrenzung der europäischen Identität gegenüber radikalen muslimischen Strategien.

Am zweiten Tag der internationalen Fachkonferenz wurde eine Diskussionsrunde über Kultur, Multikulturalismus und spezifischen Visionen in Europa durchgeführt mit der Teilnahme von Prof. Dr. Anton Pelinka, Inhaber des Lehrstuhls für Politikwissenschaft an der Central European University (CEU), Prof. Dr. Wanda Jasząbek, Mitarbeiterin der Abteilung für Germanistik des Polnischen Instituts von Politikwissenschaft, Dr. René Cuperus, Direktor für Internationale Beziehungen der Wiardi Beckmann Stichting, des Think Tank der niederländischen Partij van de Arbeid, und Dr. Koloman Brenner, Universitätsdozent und stellvertretender Institutsleiter des Germanistischen Instituts der ELTE. Dr. Koloman Brenner konnte von einer Wiederbelebung der deutsch-ungarischen Minderheit in den letzten Jahren berichten. Der Nachmittag widmete sich einem Bereich, dessen Wirkung auf die Identität oft unterschätzt wird: Volkskultur und Musik. Es referierten Prof. Dr. Gábor Barna, Prof. Kiss Gy. Csaba, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Europäischen Netzwerks Erinnerung und Solidarität, Dr. Adrian Toader-Williams, Mitglied der internationalen Wissenschaftsakademie in den Vereinigten Staaten von Amerika und Prof. Bruno Moysan, Mitglied des Pariser Instituts für politische Studien.

Während den zwei Tagen diskutierten die Teilnehmer vor allem über die Herausforderungen der europäischen Identität in einer sehr offenen Atmosphäre. Die Teilnehmer stimmten überein, dass die europäische Identität gestärkt werden sollte, um Krisen auf unserem Kontinent zu überwinden. Am Ende konnten Referenten und Teilnehmer noch bei einem hervorragenden Konzert entspannen.

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