Die Konferenz fand dabei vor dem Hintergrund der im Oktober vom Europäischen Rat beschlossenen Entscheidung statt, die EU-Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien erneut zu verschieben sowie der Verabschiedung einer überarbeiteten enlargement methodology durch die Europäische Kommission, die den Beitrittsprozess der einzelnen Länder optimieren soll. Insofern verwies Anna Orosz, wissenschaftliche Mitarbeiterin des IFAT, als Moderatorin der Veranstaltung zurecht darauf hin, dass das Thema im Verlauf der letzten Jahre nie an Relevanz eingebüßt hat und es gut sei, die Tradition der Westbalkan-Konferenz auch diesmal wieder gemeinsam mit der Konrad-Adenauer-Stiftung fortzuführen.
Begrüßt wurden die anwesenden Gäste zunächst von Dr. habil. Georg Trautnitz, Prorektor für Lehre und Studierende und Leiter des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre an der Andrássy-Universität Budapest. Dieser machte darauf aufmerksam, dass der innere Zusammenhalt in der EU von größter Wichtigkeit sei und gerade die deutschsprachige Universität in Budapest ein gutes Beispiel für eine gelungene europäische Integration darstelle. Márton Ugrósdy, Direktor des Instituts für Außenwirtschaft und Auswärtige Angelegenheiten, erklärte, dass es immer wieder Höhen und Tiefen innerhalb der Nachbarschaftspolitik zu den südosteuropäischen Staaten gebe und mittlerweile eine erhebliche Skepsis in diesen Ländern vorherrsche. Es sei deshalb wichtig und dringlich, im Rahmen einer solchen Veranstaltung über diese Thematik zu sprechen. Frank Spengler, Leiter des Auslandsbüros Ungarn der Konrad-Adenauer-Stiftung, betonte die strategische Relevanz des Konferenzthemas für die gesamte EU. Die Unterstützung des Transformationsprozesses in dieser Region und die Heranführung dieser Länder an die europäischen Strukturen zu fördern, liege im eigenen Interesse der EU. Ein Nachlassen des Interesses der EU könnte von anderen weltpolitischen Akteuren genutzt werden.
Auch Levente Magyar, stellv. Minister und Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Außenwirtschaft und Auswärtige Angelegenheiten von Ungarn, ging in seinem kurzen Statement auf die sicherheitspolitische Relevanz einer schnellen EU-Integration der südosteuropäischen Staaten ein. Diese stelle die beste Lösung dar, um langfristigen Frieden in der Region – und damit auch auf dem europäischen Kontinent – zu garantieren. Er betonte zudem, dass dies ganz im außenpolitischen Interesse Ungarns stünde, welches gute wirtschaftliche Handelsbeziehungen mit den Staaten des Westbalkans pflege und eine Stärkung des mitteleuropäischen Blocks innerhalb der EU sehr begrüßen würde. Die Aufnahme dieser Länder in die EU sei nicht bloß von altruistischen Motiven gelenkt, sondern stelle einen langfristigen Gewinn für den gesamten Kontinent dar. Die ungarische Regierung werde den Beitrittsprozess deshalb weiterhin aktiv unterstützen.
Für Gordan Grlić Radman, Minister für Auswärtige und Europäische Angelegenheiten von Kroatien, stellt die europäische Nachbarschaftspolitik eines der zentralen Themen der Europäischen Union dar. Als Vertreter der derzeitigen kroatischen EU-Ratspräsidentschaft beim Europäischen Rat wolle er das Thema wieder verstärkt auf die europäische Agenda setzen, den zögerlichen Beitrittsprozess vitalisieren und die EU und den Westbalkan noch enger zusammenführen. Kroatien sei ein Beispiel für die transformative Kraft, die mit dem Integrationsprozess einhergehe und werde den Staaten des Westbalkans in seiner derzeitigen Rolle als Vorsitz im Rat der Europäischen Union helfen. Die Erfahrung zeige, dass die Hilfe von Partnern und insbesondere von der jeweiligen EU-Ratspräsidentschaft für den Integrationsprozess unabdingbar sei. Grlić Radman betonte zudem, dass alle Akteure in Europa von einem Betritt der südosteuropäischen Staaten profitieren würden. Er formulierte prägnant: „Nobody will lose, everybody will win – especially the citizens.”
Olivér Várhelyi erläuterte als zuständiger EU-Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik in seiner Rede die kürzlich verabschiedete enlargement methodology der Kommission und ging im Detail auf deren Neuerungen und zentralen Prämissen ein. So liege der Fokus insbesondere auf einer gegenseitigen Glaubwürdigkeit, die die Staaten und die EU dazu verpflichte, ihre jeweiligen Versprechungen einzuhalten. Des Weiteren gelte es, den politischen Prozess besser zu steuern und die höchsten Ebenen der Mitgliedsstaaten und potentiellen Beitrittsländer besser miteinander zu vernetzen. Der gesamte Prozess müsse darüber hinaus vorhersehbarer, transparenter und dynamischer gestaltet werden. Auch wenn noch viel zu tun sei, liege nun ein richtungsweisender und vielversprechender Plan vor, der auf einen besseren Beitrittsprozess hoffen lasse.
In der abschließenden Podiumsdiskussion mit den drei Rednern und dem Moderator Márton Ugrósdy wurde abermals deutlich, wie wichtig eine bleibende und glaubwürdige Beitrittsperspektive für die Staaten des Westbalkans ist. Staatssekretär Magyar sprach wohl für alle, als er darauf aufmerksam machte, dass die gesamte Thematik kein Spiel sei, sondern jeder Tag, den man verliere, langfristige Konsequenzen nach sich ziehen könne. Der kroatische Außenminister betonte vor diesem Hintergrund zudem, wie wichtig es sei, dass gerade die EU ihre Versprechungen gegenüber diesen Ländern einhalte, um ihre Glaubwürdigkeit aufrechtzuerhalten. Várhelyi erklärte abschließend, dass die südosteuropäischen Staaten schon jetzt integraler Bestandteil unseres sicherheits-, wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Systems seien und wir mehr denn je auf sie angewesen wären. Es bleibt zu hoffen, dass die diesjährige KAS-IFAT Westbalkan-Konferenz einen Beitrag dazu leisten konnte, das wichtige Thema auf der politischen Agenda zu halten und dass das anwesende Fachpublikum für die Relevanz der damit einhergehenden Diskussionen nachhaltig sensibilisiert wurde.