Veranstaltungsberichte
Nach der Begrüßung durch Frank Spengler, Leiter des Auslandsbüros Ungarn der Konrad-Adenauer-Stiftung, und Dr. Arne Gobert, Präsident des Deutschen Wirtschaftsclubs Ungarn, wurde die Diskussion eröffnet. Der Moderator Jan Mainka, Chefredakteur und Herausgeber der Budapester Zeitung, thematisierte zu Beginn die Flüchtlings- und Migrationskrise. In dieser hätten Ungarn und Deutschland nämlich diametral verschiedene Politikansätze verfolgt, doch „neue Schnittmengen“ wie etwa Fluchtursachenbekämpfung seien möglich, so Mainka.
Auf die Europapolitik angesprochen, meinte Volkmar Klein MdB, Obmann im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Deutschen Bundestag, dass „wir ein stärkeres Europa brauchen in den Bereichen, wo Europa wirklich gebraucht wird“. Auf der anderen Seite wäre Europa in anderen Bereichen wie „Ölkännchen oder Datenschutz“ nicht erforderlich, so Klein. „Wir brauchen ein starkes, kein fettes Europa“, so der Bundestagsabgeordnete. Deutschland hätte, gemeinsam mit Ungarn, einen wichtigen Bundesgenossen, nämlich die Briten verloren, erklärte der Abgeordnete. Wenn man immer wieder neue Vorschriften mache, zerstöre man den europäischen Geist, resümierte Volkmar Klein.
Danach stellte er fest, dass es zwar im Jahre 2015 bei der Flüchtlingskrise Meinungsverschiedenheiten gegeben hätte, doch sich heute die Standpunkte angenähert hätten. Auch gab er wiederum zu bedenken, dass die von Ungarn errichteten Grenzbefestigungsanlage zwar ein wichtiges Signal an potentielle Migranten gewesen sein, nicht nach Europa zu kommen, schließlich aber andere Faktoren wie etwa die Vereinbarung mit der Türkei, dem großen Flüchtlingsstrom ein Ende bereitet hätten. Abzulesen sei dies daran, dass es etwa in Griechenland kein massives Flüchtlingsproblem mehr gebe, so Klein.
Zoltán Balog MdNV, scheidender Minister für Humanressourcen, stellte zunächst klar, dass er „erfreulicherweise“ der neuen Regierung nicht mehr angehören würde, weil er nicht in der Lage sei, noch mehr Kraft in dieses Amt einzubringen. Die neue Regierung habe aber seine volle Unterstützung. Er betonte, dass der designierte Minister im Ministerpräsidentenamt (Kanzleramtsminister) Gergely Gulyás MdNV, bisher Fraktionsvorsitzender von Fidesz in der Ungarischen Nationalversammlung, ein großer Freund Deutschlands sei und intensiv für den Dialog zwischen den beiden Ländern eintrete, nunmehr in einer Regierungsfunktion. Solche Vermittler und Multiplikatoren seien für das deutsch-ungarische Miteinander auf beiden Seiten erforderlich. Balog bemängelte aber auch, dass im Rahmen der deutsch-ungarischen Beziehungen wenig über Inhalte gesprochen werde, sondern vielmehr nur Parolen ausgetauscht würden. Vor dem Hintergrund der Transformation in den jungen Bundesländern müsse Deutschland mehr Verständnis für die Länder Mittel- und Osteuropas aufbringen. Ähnliche Fragestellungen seien auch im Kontext der Beziehungen zu anderen Ländern der Region zu beobachten. Beispielsweise werde die europäische Identität nicht nur von Frankreich und Deutschland geprägt, sondern auch von kleineren Ländern wie auch Ungarn. Balog erinnerte, dass der Zuspruch zur Europäischen Union trotz aller Kritik in Ungarn mit am höchsten sei. Dies sei eine gute Grundlage, die Diskussionen zu intensivieren.
Vom Moderator Jan Mainka auf die Publikation ungarischer konservativer Intellektueller „Nennen wir die Dinge beim Namen“ und auf eine möglich verbale Abrüstung angesprochen, meinte Balog, es ginge hier lediglich um Stilfragen, nicht um Inhalte. Die Tugendlehre mit dem Maßstab der vier Kardinaltugenden, auf die sich die Schrift beziehe, reflektiere nicht immer positiv auf das Handeln der Regierung. Abzulesen sei dies etwa bei den Themen Reichtum und Redestil der Politiker. Auch sei es normal, dass es soziale Unterschiede im Lande gebe, doch Maß und Maßhalten seien wichtige Wegweiser im Leben eines Politikers. Gespräch und Dialog müssten gefördert werden, verbunden mit den Fragen um Europa und die deutsch-ungarischen Beziehungen. „Nicht Parolen ausgeben, sondern zu begründen“, sei nunmehr immer wichtiger. Er wolle sich nun dem Vorsitz des Kuratoriums der Stiftung für ein Bürgerliches Ungarn (Politische Stiftung von Fidesz), voll widmen. Diese Aufgabe sei dazu prädestiniert, den bilateralen Dialog weiter auszubauen. In diesem Zusammenhang wies Balog im späteren Verlauf der Diskussion darauf hin, dass ihm dabei das Modell der Konrad-Adenauer-Stiftung vorschwebe. Er erinnerte auch an die Schwierigkeiten der ungarischen Sprache, auf internationalen Foren richtig verstanden zu werden und die Herausforderungen, die sich aus dem Erklären und dem Verständnis für die der ungarischen Position ergeben. Zoltán Balog kritisierte dabei, dass das Zusammenlegen der drei Parlamentariergruppen im Deutschen Bundestag für Ungarn, Tschechien und die Slowakei. Dies sei ein falsches Signal an die betreffenden Länder. Sie würden aus dieser Entscheidung ablesen, nicht mehr auf Augenhöhe mit den deutschen Politikern betrachtet zu werden.
Volkmar Klein erinnerte daran, dass die politische Sensibilität in Deutschland häufig größer sei als in Ungarn, daher würde immer besonders aufmerksam registriert, mit welcher Sprachwahl auch ungarische Politiker auf europäischer Ebene auftreten würden. Auf Nachfrage hinsichtlich einer vermeintlichen deutschen Arroganz in der politischen Auseinandersetzung, entgegnete der Bundestagsabgeordnete, dass der Grundton in den deutschen Medien nicht der der deutschen Regierung sei. Auch hob er hervor, dass die positiven Leistungen der ungarischen Regierung, gerade im Wirtschaftsbereich, vom journalistischen Mainstream nicht ausreichend berücksichtigt werden. Es gebe jedoch genug Entscheidungsträger in Deutschland, die diese beachtliche Entwicklung aufmerksam registrierten. Die erfolgreiche Politik von Helmut Kohl und von Angela Merkel, auch in kleineren Ländern Europas präsent zu sein und Beziehungen zu pflegen, sei nicht von der Hand zu weisen. Er erinnerte aber auch an die kommunikativen Gefahren, die von der Idee „Kerneuropa“ auf die Länder Mittel- und Osteuropas ausgingen.
Im Anschluss hatte das Publikum Gelegenheit, Fragen an die Referenten zu richten. Hierbei wurde teilweise bemängelt, dass es sehr schwierig geworden wäre, Vertreter des deutschen öffentlichen Lebens nach Ungarn einzuladen. Auch wurde angesprochen, dass Ungarn weiterhin unter einem großen Auswanderungsdruck stehe. Danach kamen die Politiker noch zu einem Empfang in den Räumlichkeiten des Café Gerbeaud mit den Teilnehmern zusammen, wo sie sich informell austauschen konnten.
Am Folgetag führte Volkmar Klein MdB noch politische Gespräche. Er traf u.a. mit Bence Rétvári MdNV, Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Humanressourcen, Gergely Gulyás MdNV, designierter Minister im Ministerpräsidentenamt (Kanzleramtsminister), Csaba Hende MdNV, Vizepräsident der Ungarischen Nationalversammlung und Vorsitzender des Gesetzgebungsausschusses ebd., Zsolt Németh MdNV, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses sowie mit Imre Vejkey MdNV, Vorsitzender des Justizausschusses, zusammen. Außerdem führte er Unterredungen mit Tristan Azbej, Stellv. Staatssekretär für die Hilfe von verfolgten Christen, Péter Heltai, Sonderbotschafter „Hungary Helps“ und József Czukor, Hauptberater des ungarischen Ministerpräsidenten in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Am Abend besuchte er eine Podiumsdiskussion über Glaubensfreiheit in der Deutschsprachigen Reformierten Gemeinde.