Länderberichte
Noch nicht einmal drei Wochen sind vergangen seit der Democratic Convention in Denver Ende August, wo Barack Obama von fast 85.000 Anhängern und der nationalen und internationalen Presse wie ein Rockstar und vor allem wie der zukünftige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika gefeiert wurde. Mit seiner Redegabe begeisterte er die Anhänger. Er stellte ein Programm vor, das darauf zielte, die Parteibasis zu einen und zu versöhnen. Hillary Clinton, die sich zuvor mit Gesten der Unterstützung für Obama auffallend zurückgehalten hatte, hielt eine Rede, die alle Befürchtungen zerstreute, sie werde Obama nicht nach Kräften unterstützen. Selbst Bill Clinton, bekannt für seine oft bissigen und unkalkulierbaren Bemerkungen, gab sich ganz versöhnlich und hielt eine große Rede voll des Lobes für den Demokratischen Präsidentschaftskandidaten. Auch Vizepräsidentschaftskandidat Joe Biden wurde seiner neuen Rolle gerecht, deckte die außen- und sicherheitspolitische Flanke von Obama und konnte mit seiner kämpferischen Rede die Delegierten begeistern. Zum Abschluss der Convention waren sich alle sicher, dass das Ticket Obama/Biden in den Umfragen nun einen kräftigen Sprung nach oben machen werde.
Am Tag nach der Demokratischen Convention in Denver sprach indes kaum noch jemand darüber und über die geradezu an die Olympiade in Peking erinnernde Abschlusskundgebung mit Barack Obama. John McCain stellte seine Vizepräsidentschaftskandidatin vor und die die Medien hatten nur noch ein Thema: Sarah Palin.
Nur Hurrikan Gustav konnte Sarah Palin kurzfristig die Show stehlen und den ersten Tag der Republikanischen Convention in St. Paul beeinträchtigen. Danach beherrschte Sarah Palin die Berichterstattung und vor allem auch die Gespräche der Menschen. Und dies nun schon während zweier Wochen, bis zum nächsten Wirbelsturm, Hurrikan Ike, am vergangenen Wochenende.
Die Republikanische Convention in St. Paul Anfang September fand am ersten Tag bedingt durch Hurrikan Gustav kaum Aufmerksamkeit. Aber auch nachdem Gustav glimpflicher als befürchtet überstanden war, kam in St. Paul kaum große Begeisterung auf. Erst der Auftritt von Sarah Palin und ihre Rede elektrisierten die Delegierten. Sarah Palin hauchte der McCain Kampagne neuen Schwung ein. Noch nie hatten so viele Zuschauer (über 37 Mio.) die Rede eines Vizepräsidentschaftskandidaten am Fernseher verfolgt. Auch am letzten Tag der Convention drehte sich eigentlich alles um sie, wenn es auch der Tag des Auftritts von Präsidentschaftskandidat John McCain war. Auch er wurde gefeiert. Aber jedermann weiß, daß sein Redetalent nicht an jenes von Barack Obama heranreicht. Im Rahmen seiner Möglichkeiten hielt er eine sehr gute Rede.
Der eigentliche Star der Republikanischen Convention aber war Sarah Palin.
Seit einer Woche nun treten McCain und Palin bei Wahlkampfveranstaltungen gemeinsam auf und locken Tausende von Zuhörer an. Böse Zungen behaupten, das sei notwendig, weil der Zuspruch zu Veranstaltungen nur mit McCain sonst zu gering sei.
Vermutlich steckt dahinter aber auch die Absicht, Sarah Palin noch auf den Umgang mit den Medien vorzubereiten. Rasch gab es Kritik, Palin werde von den Medien abgeschottet. Ihr erstes Fernsehinterview überstand sie dann einigermaßen, es wurde aber deutlich, dass sie noch einige Lücken auf verschiedenen politischen Feldern aufweist. Die Kampagne wird ihr sicher dabei helfen, diese Lücken rasch zu schließen.
Natürlich haben sich auch die Presse und die Gegner im Obama-Lager daran gemacht, nach allen denkbaren Details im bisherigen Leben von Sarah Palin zu forschen. Viel ist dabei bisher nicht herausgekommen. Selbst wenn ein wunder Punkt entdeckt wurde, hat das bisher Sarah Palin kaum geschadet. Kritik der Medien an ihr scheint ihre Beliebtheit in der Bevölkerung eher noch zu fördern.
Sarah Palin sieht und positioniert sich als die Verkörperung einer typischen amerikanischen Frau der Mittelschicht. Sie und ihre Familie haben Stärken und Schwächen, über die sie offen spricht. So gibt sie ihren potentiellen Wählern zu verstehen, dass sie ihre Sorgen und Nöte versteht, weil sie sie selbst lebt. Kritik an Sarah Palin wird dann leicht als Kritik an einer durchschnittlichen amerikanischen Frau bzw. Familie interpretiert.
Damit ist Sarah Palin für weiße Frauen, insbesondere auch enttäuschte Hillary-Wählerinnen, besonders attraktiv geworden. Umfragen und persönliche Gespräche belegen, dass viele Frauen nun dazu tendieren, ein Ticket McCain/Palin zu wählen. Dabei scheint auch die klare konservative Positionierung von Sarah Palin (etwa betr. Abtreibung) kein Hinderungsgrund zu sein, für sie zu stimmen. Gerade die Tatsache, dass sie von der Behinderung ihres jüngst geborenen Sohnes vor der Geburt wusste und das Kind behielt, macht ihre Überzeugung über alle Kritik erhaben.
Generell sehen sich Kritiker von Sarah Palin sehr rasch dem Vorwurf ausgesetzt, sie seien sexistisch. Wenn etwa das Problem aufgeworfen wird, wie Sarah Palin Vizepräsidentin sein könne und gleichzeitig eine Familie mit einem behinderten Kind und einem schwangeren Teenager, dann wird sofort eingeworfen, eine solche Frage werde einem Mann nie gestellt. Kritik an Sarah Palin perlt geradezu an ihr ab, macht sie nur noch stärker.
Völlig auf dem falschen Fuß wurde die Obama-Campaign von der Nominierung von Sarah Palin erwischt. In den ersten Tagen hatte sie überhaupt kein Konzept, wie sie mit ihr umgehen sollte. In den ersten Tagen gewann man den Eindruck, Obamas Kampagne finde gar nicht mehr statt. Die Medien konzentrierten sich auf Palin. Anstelle es den Medien und eventuell Joe Biden zu überlassen, sich mit Palin auseinanderzusetzen, attackierte Barack Obama Sarah Palin mehrfach. Seine Attacken (z.B. „a pig with lipstick is still a pig“)fielen aber auf ihn zurück und nutzten nur Sarah Palin.
Barack Obama machte damit einen großen taktischen Fehler, denn zeitweise hatte man den Eindruck, als gehe es um einen Auseinandersetzung Obama-Palin. John McCain hielt sich am Rande. Und Joe Biden kam in den Medien überhaupt nicht mehr vor.
Seit einigen Tagen rufen nun viele Politiker und Berater der Demokraten dazu auf, Obama solle wieder zu seinen bisherigen Wahlkampfthemen zurückfinden.
Obama wird nun insgeheim vielleicht bedauern, dass er nicht eine Frau als Vizepräsidentschaftskandidatin gewählt hat. John McCain hätte dann mit Sarah Palin kaum mehr die Wirkung erzeugen können, die sie offenbar nun hat. Auch Joe Biden hat dies offenbar bereits erkannt und jüngst bemerkt, es wäre vielleicht besser gewesen, wenn Barack Obama doch Hillary Clinton zur Vizepräsidentschaftskandidatin gemacht hätte.
Das mag zwar richtig sein, es passt zu Joe Biden, es auch noch öffentlich zu sagen.