Länderberichte
Am 21. März 2011 hat Tim Pawlenty als erster Republikaner erklärt, dass er ein Exploratory Committee gegründet hat. Dies gilt als letzte Stufe vor der offiziellen Kandidaturbekanntgabe. Tim Pawlenty, der ehemalige Gouverneur von Minnesota war bereits 2008 weit oben auf John McCains Liste möglicher Vizepräsidentschaftskandidaten. Daher entschloss sich der 50-Jährige letztes Jahr auch nicht, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren und verfolgt stattdessen größere Pläne. In den vergangenen Monaten machte er alle Anstrengungen, um sich als ernstzunehmenden Präsidentschaftskandidaten der Grand Old Party zu profilieren. Hierin besteht zugleich auch Pawlentys größte Herausforderung: dem national eher unbekannten und sonst als farblos geltenden Politiker wird nicht unbedingt zugetraut, den harten Wahlkampf zu führen, um sich gegen einen charismatischen, amtierenden Präsidenten durchzusetzen. Die nächsten Monate werden darüber entscheiden, ob Pawlenty sich neu definieren kann oder ob er wieder eine attraktive Vizepräsidentschaftskandidatenoption bleibt.
Besonnen & Zivilisiert
Als am 8. Januar diesen Jahres der 22jährige Attentäter Jason Lee Loughner bei einem Anschlag in Tucson, Arizona sechs Menschen tötete und weitere 14 verwundete, war Tim Pawlenty mitten in seiner Buchtournee durch die Vereinigten Staaten, um seine Biographie „Courage to Stand: An American Story“ zu vermarkten. Die Reise führt ihn u.a. durch Iowa und New Hampshire, in denen die ersten Vorwahlen für den Präsidentschaftskandidaten im Frühjahr 2012 stattfinden werden. Es ist der Auftakt einer Kampagne, mit der er sich bereits früh im Feld der möglichen Republikanischen Kandidaten inoffiziell positionieren wollte. Das Attentat zog umgehend ein Medienecho nach sich, in dem sich die beiden Parteien gegenseitig die Schuld zuwiesen und sich die üblichen TV-Kommentatoren öffentlich beharkten. Es meldete sich jedoch auch Tim Pawlenty zu Wort. Während andere Republikaner wie etwa wie Sarah Palin oder Michele Bachmann mit kontroversen Aussagen die Diskussion um die Schuldfrage eher anheizten, hielt Pawlenty die Balance und wirkte mit seiner Reaktion zur Tragödie angemessen und staatsmännisch. Einerseits verteidigte er seine Partei sowie die „Tea Party“-Bewegung gegen die Kritik von links, so wie man es von einem zukünftigen Kandidaten auch erwarten würde. Andererseits kritisierte er aber auch die Politik seiner möglichen Gegnerin Sarah Palin offen, die vergangenes Jahr eine Karte mit Demokratischen Politikern im Fadenkreuz auf ihre Homepage einstellte. „Es wäre nicht sein Stil gewesen, Fadenkreuze dort hinzusetzen“, zitiert ihn Jennifer Epstein von Politico. Die St. Paul Pioneer-Press, die Zeitung der Landeshauptstadt Minnesotas, stellte Pawlentys Reaktion zum Attentat dann gar auf eine Stufe mit der des Präsidenten, die schließlich im ganzen Land Anklang gefunden hatte. Auch die Minneapolis Star Tribune mutmaßte, dass seine innere Ruhe und Authentizität gerade dieses Jahr Eigenschaften wären, welche ihm bei den Wählern helfen dürften.
Excellent record & conservative
Mit zunehmender medialer Präsenz steigt auch das öffentliche Interesse an Pawlentys Person und seiner Politik. Er verkörpert schlichthin den amerikanischen Aufsteiger, dessen Vater die Familie allein als LKW-Fahrer über Wasser halten musste – Pawlentys Mutter starb als er noch ein Kind war. Später wurde er ein erfolgreicher Anwalt und schließlich Republikanischer Gouverneur - in diesem sonst eher den Demokraten gewogenen Bundesland. In diesem Amt galt er dabei als äußerst erfolgreich, wie Minnesota Public Radio berichtet. So hat Minnesota dank seines „5-Punkte Plans“ heute eines der besten Gesundheitsversicherungssysteme im Land, womit er allerdings bei der Republikanischen Basiswählerschaft im Vorwahlkampf kaum punkten kann, so die Washington Post. Im Bereich der Bildung hat er sich als Gouverneur mit der Lehrergewerkschaft angelegt und ein Reformpaket durchgedrückt, was die durchschnittlichen Testergebnisse im Bundesstaat auch deutlich angehoben hat. Kritiker wie Tom Scheck vom Minnesota Public Radio heben allerdings hervor, dass dieser Fortschritt nicht für Minderheiten gelte. Hierfür machte Pawlenty allerdings die Demokraten im Senat Minnesotas und die Gewerkschaft der Lehrer verantwortlich. Außerdem erbte Pawlenty von seinem unabhängigen Vorgänger im Amt, Jesse Ventura, ein 4,5 Milliarden Dollar Haushaltsdefizit. Pawlenty schaffte es, innerhalb von acht Jahren den Haushalt nicht nur auszugleichen, sondern sogar einen Überschuss von 399 Millionen für die nächsten beiden Jahre zu hinterlassen. Er hielt dabei sein Wahlversprechen und erreichte all dies ohne Steuererhöhungen. Wie kaum ein anderer Kandidat, hat er in seiner Zeit als Gouverneur eines linken Staates beachtlich an seinen konservativen Prinzipien in der Sozial- und Finanzpolitik festgehalten und dabei erhebliche Erfolge erzielt, so der Politico. Und obwohl seine Politik viele soziale Aspekte beinhaltete, bestehen laut dem The Moderate Voice an seiner konservativen Einstellung keine Zweifel. Gemeinsam mit seiner persönlichen Vita, die ihm im amerikanischen Wahlkampf zugute kommen könnte, macht das Tim Pawlenty vielleicht zu dem am meisten unterschätzten Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, der sowohl von der Tea Party, als auch von der Republikanischen Basis akzeptiert werden könnte. Das Grundgerüst für eine erfolgreiche Kandidatur ist somit vorhanden. Jetzt gilt es für Pawlenty, sich der Wählerschaft vorzustellen und sich mit einem Programm zu profilieren, um somit möglichst viele Republikaner auf seine Seite zu ziehen. Hierfür wird Pawlenty in den kommenden Monaten das Land bereisen. Das ist auch bitter nötig, denn zu viele fragen sich zurzeit noch: „Wer ist Tim Pawlenty?“
No new debt!
Der Programmpunkt, zu dem sich Tim Pawlenty bislang am ausführlichsten geäußert hat und bei dem er aufgrund seiner Erfahrung mit der größten Glaubwürdigkeit sprechen kann, sind die geplanten Budgetkürzungen und Einsparungen bei den Staatsausgaben. Die Associated Press berichtet Pawlenty habe sich entschlossen gegen eine Erhöhung der Verschuldungsgrenze ausgesprochen und seine Republikanischen Kollegen im Kongress dazu aufgefordert, es ihm nachzutun. Die Washington Post verweist darauf, dass Pawlenty gemeinsam mit New Jerseys Gouverneur Chris Christie auch darauf erinnerte, dass die Staatsverschuldung mittlerweile bei rund 14 Billionen Dollar sei, was für die Opposition ein eindeutiges Signal sein müsse, „einen Schlussstrich zu ziehen“. Desweiteren zitiert die Zeitung ihn mit den Worten: „Nachdem die Obama Administration seit dem Einzug ins „Oval Office“ die Staats-verschuldung um 3,4 Billionen Dollar gesteigert hat, sagt sie nun, dass die Verschuldungsgrenze unbedingt erhöht werden muss, da man sonst katastrophale ökonomische Konsequenzen zu fürchten hätte. Nur stellt die Regierung die Bürger vor die unaufrichtige Wahl zwischen „mehr Schulden“ oder „Scheitern.“ In Wahrheit hat die Regierung noch genügend finanzielle Mittel und andere Quellen, um die ausstehenden Verbindlichkeiten pünktlich und sogar noch in Zukunft – zumindest für einige Monate mehr – zu begleichen, als es uns die Administration glauben machen will.“ The Concord Monitor aus New Hampshire zitiert Tim Pawlenty bissig: „Nur weil wir Griechenland in die Demokratie gefolgt sind, heißt das nicht, dass wir ihnen auch in Pleite folgen müssen.“
Bildung als Steckenpferd?
Beim Thema Bildung zeigte Pawlenty während seiner Rede beim National Press Club vor zwei Wochen eine ungewohnt leidenschaftliche Seite. Pawlenty sprach davon, dass die sogenannten „Blue Collar-Jobs“ keine Garantie mehr für den „American Dream“ bieten könnten. Daher sei es an der Zeit, das amerikanische Bildungssystem zu reformieren, um in der heutigen Welt konkurrenzfähig zu bleiben. Er verwies auf die ehemalige Bildungssenatorin von Washington D.C. Michelle Rhee mit den Worten: „Während wir auf Superman warteten, wurde Superwoman einfach zur Seite gestoßen … Sie sprach aus, was die Mächtigen nicht hören wollten und man schmiss sie raus.“ Desweiteren zitiert ihn das National Journal markig „Wenn unser Land schon nicht das größte oder das billigste sein kann, so sollten wir „verdammt nochmal“ besser das schlauste sein.“ Pawlenty hat bereits in seiner Zeit als Gouverneur erfolgreich das Bildungssystem von Minnesota umgekrempelt. Die Reform beinhaltete z.B., dass die Gehälter der Lehrer an deren Leistungen gekoppelt wurden. Um diese sogenannte „Quality Compensation“ durchzusetzen, musste Pawlenty gegen eine starke Lehrergewerkschaft ankämpfen, was ihm von Seiten der Konservativen hoch angerechnet wurde. Ähnliches könnte auch auf seiner Agenda als Präsidentschaftskandidat stehen, denn er sagt, das Schulsystem der USA sei in den 1950ern entwickelt worden und bedarf dringend einer Reform. Dennoch warnt Politikwissenschaftler Steven Schier vom Carleton College in Minnesota in einem Interview mit dem National Journal, dass Pawlenty nichts Vergleichbares vorzuweisen hat, wie etwa die Erfolge in Texas mit denen George W. Bush in seinen Wahlkampf 1999 gestartet war. „Er (Pawlenty) besitzt zu diesem Thema einiges an Glaubwürdigkeit, aber es wird ihm nicht möglich sein, die Debatte zu beherrschen.“
Don’t confuse nice with weak
Bis das zum Thema wird, muss Pawlenty jedoch erst einmal andere Probleme in den Griff beikommen. Verglichen mit weiteren möglichen Kandidaten wie etwa Mitt Romney, fehlt es Pawlenty noch am Handwerkszeug zur Kandidatur. Um tatsächlich Kandidat der Republikaner zu werden, muss er erst einmal seinen persönlichen Stab benennen und ein politisches Netzwerk aufbauen. Diesen Schritt haben ihm andere potentielle Kandidaten wie Romney und Palin schon voraus. Pawlenty gibt sich trotzdem optimistisch. So sagte er bei einer Veranstaltung des „Merrimack County Republican Committee” im wichtigen Vorwahlstaat New Hampshire: „Ich denke die Geschichte zeigt uns, dass es bei diesen Wahlkämpfen mehr als genug Platz für jemanden gibt, der das letzte Mal nicht nur angetreten war, um sich eine eigene Organisation aufzubauen.“
Auch sonst scheint der ehemalige Gouverneur seine Konkurrenz nicht über zu bewerten. The Hill zitiert Pawlenty dazu mit den Worten: „Ich denke nicht, dass irgendjemand mit Palins Bekanntheitsgrad mithalten kann.“ Die Bekanntheit der übrigen Politiker scheint ihn allerdings weniger zu beeindrucken. „Sie sind nicht gerade ein Haufen Lady Gagas.“ Trotzdem scheint Pawlenty sich eher als eine Art Underdog zu sehen, der sich durch seinen frühen Start in den Wahlkampf einen Vorteil gegenüber den etablierten Konkurrenten verschaffen will. Bislang hat er sich allerdings, wie auch die anderen potentiellen Kandidaten, noch nicht offen zu einer Kandidatur bekannt (auch wenn die Gründung eines Exploratory Committee als letzte Vorstufe der offiziellen Kandidaturbekanntgabe zu werten ist). Er hat zwar bereits in der Öffentlichkeit bekräftigt, dass er nicht als möglicher Vizepräsidentschaftskandidat ins Rennen um die Präsidentschaft gehen würde, doch man scheint ihm die Rolle als Obamas Widersacher auch noch nicht recht zuzutrauen. Der Weekly Standard betont, dass Pawlenty nicht als herausragender Redner gilt und seine Person oft wie der „nette Junge von nebenan“ wirkt. Die Zeitschrift fragt deshalb berechtigt, ob sich die Republikaner ihn überhaupt als „Commander in Chief“ vorstellen können. Zu diesem Thema zitiert The Hill Pawlenty, der hierzu einen Vergleich zu Ex-Präsident Ronald Reagan anstrebt: „Freundlichkeit ist keine Schwäche, sondern sogar eine Stärke … Er (Ronald Reagan) hatte strikte Ansichten, hat sie aber auf eine zivilisierte, bedachte, rücksichtsvolle und freundliche Art vertreten … Würden Sie lieber jemanden wählen, der gut redet, oder jemanden, der gut regiert?“
Und Pawlenty bemüht sich auch bereits redlich, sein Charisma-Handicap gegenüber dem Präsidenten auszugleichen. Pawlenty bezeichnete Obamas Pläne im Vorfeld zu dessen Rede zur Lage der Nation mit den Worten „waghalsig“ und „verantwortungslos“ und forderte den Kongress dazu auf, den Präsidenten geradewegs zu stoppen, so der Politico. Darüber hinaus stimmt er bei einer ganzen Reihe an Fragen mit Barack Obamas Ansichten nicht überein: wie Obama Gewerkschaften auf Kosten der Steuerzahler verteidigt, was Obamas Unterstützung für das Finanz- und Rettungspaket der vergangene Jahre angeht, Obamas Position zur Raketenabwehr in Europa, aber vor allem bzgl. der Gesundheitsreform, die Pawlenty in einem Exklusiv-Interview mit dem Politico „eine der am meisten fehlgeleiteten Gesetzesinitiativen in der modernen Geschichte dieses Landes.“ So verändert auch Pawlenty zunehmend seinen freundlichen Tonfall und versucht, sich auch mit außenpolitischen Themen öfter ins Spiel zu bringen.
Bemerkenswert ist, dass er vor Kurzem vor einer Gruppe von „College Republicans“ an der Georgetown University bereits Namen möglicher Vizepräsidenten ins Spiel gebracht hat, während sich andere mögliche Kandidaten noch nicht einmal zu ihren Kandidaturabsichten geäußert haben. Tim Pawlenty sei beeindruckt von der nächsten Generation der Partei und nannte hierbei die Gouverneure Luis Fortuno aus Puerto Rico, Brian Sandoval aus Nevada, Susana Martinez aus New Mexico und Nikki Haley aus South Carolina, die interessanterweise alle amerikanischen Minderheiten angehören. Doch bevor sich Tim Pawlenty Gedanken um seinen Vizepräsidenten machen muss, muss er zunächst sein derzeit größtes Problem lösen: sich den Republikanischen Wählern erfolgreich vorzustellen und ihnen ein Bild zu vermitteln, wer Tim Pawlenty denn überhaupt ist.